„Gottesdienste sind kein Beiwerk“
Die katholische und die evangelische Kirche wollen nicht ohne Weiteres auf Präsenzveranstaltungen am höchsten Festtag der Christenheit verzichten.
BERLIN (kna) Die von Bund und Ländern formulierte Bitte nach ausschließlich virtuellen Gottesdiensten zu Ostern stößt bei den beiden großen Kirchen auf Verwunderung. „Ostern ist das wichtigste Fest für uns, Gottesdienste sind kein Beiwerk“, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing aus Limburg, am Dienstag auf Twitter. „Zu Weihnachten haben wir gezeigt, wie wir mit Vorsicht Messe feiern können.“Darauf wolle man an Ostern nicht verzichten. Dies werde man in Gesprächen mit der Politik einbringen.
Bund und Länder hatten in der Nacht zu Dienstag einen harten Lockdown von Gründonnerstag, 1. April, bis Ostermontag, 5. April, beschlossen. Zu Gottesdiensten heißt es in dem Beschluss: „Bund und Länder werden auf die Religionsgemeinschaften zugehen mit der Bitte, religiöse Versammlungen in dieser Zeit nur virtuell durchzuführen.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte nach den Beratungen betont, dass es sich um eine Bitte handele. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte am Mittag an, keinen Druck auf die Kirchen auszuüben. Der Appell aber sei, verstärkt virtuelle Angebote zu machen.
Nach Auskunft des Vertreters der Bischofskonferenz bei der Bundesregierung, Karl Jüsten, finden jetzt Gespräche mit dem Bundesinnenministerium und den entsprechenden Stellen auf Landesebene statt. „Wir setzen darauf, dass einerseits die Religionsfreiheit gewahrt bleibt und die Religionsausübung an diesem höchsten Festtag der Christenheit möglich ist“, sagte Jüsten. „Zugleich wird die Kirche alles tun, um die notwendigen Hygieneregeln einzuhalten.“
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte: „Der Beschluss des Corona-Gipfels hat uns sehr überrascht, zumal davon das wichtigste Fest der Christen betroffen wäre.“Man werde sich in den angekündigten Gesprächen „zunächst genau erläutern lassen, warum die bewährten Hygieneschutz-Maßnahmen, die alle Landeskirchen für ihre Gottesdienste
„Ein Kirchenlockdown an Ostern wäre völlig überzogen“Benjamin Strasser
Religionspolitischer Sprecher der
FDP-Fraktion im Bundestag
haben, nun nicht mehr ausreichen sollen“. Anschließend werde man beraten, „wie wir mit der Bitte umgehen“, sagte der Landesbischof.
Der katholische Augsburger Bischof Bertram Meier bezeichnete den Appell der Politik als „kalte Dusche“. Er hoffe, dass der Dialog mit der Politik dazu führe, Präsenzgottesdienste mit strengen Auflagen feiern zu können. „Denn die Kirche ist keine virtuelle Organisation, sondern eine lebendige Gemeinschaft“, sagte Meier.
Der religionspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Benjamin Strasser, sagte, „ein Kirchenlockdown
an Ostern wäre völlig überzogen“. Die Kirchen hätten an Weihnachten gezeigt, dass sie in der Lage seien, „verantwortungsvoll Gottesdienste zu feiern und dabei mit ihren Hygienekonzepten den Gesundheitsschutz zu gewährleisten“. Bund und Länder sollten ihre Beschlüsse in dieser Frage revidieren.
Bereits im Jahr 2020 waren in der Karwoche und an den Ostertagen im ersten Lockdown alle öffentlichen Gottesdienste in Deutschland ausgefallen. Es gab stattdessen viele Liveübertragungen, digitale Feiern und Anregungen zu Hausgottesdiensten.