Hambacher Forst kann Staatswald werden
Die Leitentscheidung zur Braunkohle gibt den fünf Garzweiler-Dörfern eine neue Chance. Trotzdem demonstriert Greenpeace.
DÜSSELDORF Der Hambacher Forst war für Umweltaktivisten jahrelang das Symbol im Kampf gegen die Kohle. Nun bleibt er erhalten. Trotzdem zog Greenpeace am Dienstag vor die Staatskanzlei in Düsseldorf und entrollte auf dem Vordach ein Transparent: „Armin Laschet will Klima und Dörfer zerstören!“Wenige Stunden später erklärte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP), was alles in der Leitentscheidung zur Braunkohle steht – und ließ wenig von dem Vorwurf der Aktivisten übrig. Denn der Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens 2038 und die frühzeitige Schließung der Tagebaue Inden und Hambach hat weitreichende Folgen.
RWE hat bereits zugesagt, den Hambacher Forst zu erhalten. Laut Pinkwart können durch den früheren Kohleausstieg insgesamt 650 Hektar Wald stehenbleiben, von denen der Hambacher Forst ein Drittel ausmacht. Auch der ökologisch wichtigere Merzenicher Erbwald bleibt stehen. Umweltschützer werfen dem Konzern aber vor, dass er dem Hambacher Forst das Wasser abgrabe, weil der Tagebau bis auf 50 Meter an den Forst heranrücke. Pinkwart wies das zurück: „Die Bäume leben nicht vom Grundwasser, sondern vom Niederschlagswasser“, deshalb sei die 50-Meter-Grenze kein Problem. Derzeit gehört der Forst noch RWE. Doch Land und Konzern reden bereits über einen Verkauf. „NRW kann sich vorstellen, dass der Hambacher Forst Staatswald wird. Wir führen Gespräche dazu“, so Pinkwart. Dennoch sind die Grünen unzufrieden: „Laschet hat eine große Chance zur Befriedung des Konflikts um die Braunkohle wieder einmal verschenkt. Die seit Jahren geforderte Einbettung des Hambacher Waldes in einen Biotopverbund sucht man genauso vergebens wie größere Abstände für die Ortschaften zum Tagebaurand“, kritisierte Oliver Krischer, Vizechef der Grünen-Bundestagsfraktion. Pinkwart sagte hingegen, der Tagebau dürfe nun nur noch auf 500 Meter an die Dörfer heranrücken. Das sei weit mehr als bisher, zunächst sollte der Tagebau teilweise auf 120 Meter herankommen.
Seit der Forst gerettet ist, kämpfen die Umweltaktivisten für den Erhalt der fünf Erkelenzer Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Berverath, Unter- und Oberwestrich. Doch auch hier nimmt das Land ihnen den Wind aus den Segeln. Denn es zwingt RWE, das Garzweiler-Gelände
anders als geplant abzubaggern. „Wir geben vor, dass im Tagebau Garzweiler zunächst im Süden der Abbau unter den fast vollständig umgesiedelten Dörfern Immerath und Lützerath fortzusetzen ist“, sagte Pinkwart. Die Frage, ob auch die fünf Garzweiler-Dörfer benötigt werden, stelle sich damit erst 2026. Zwar seien bereits mehr als 50 Prozent der Dörfer umgesiedelt, doch die verbliebenen Bürger könnten abwarten, ob sie das Umsiedlungsangebot
von RWE annehmen, sagte der Minister. „Die Bürger können das sogar bis 2028 entscheiden“, so Pinkwart. Er versicherte, die Dörfer würden nur abgebaggert, wenn man die unter ihnen liegende Braunkohle brauche. Nur für die Gewinnung von Abraum, der für die Rekultivierung der Tagebau-Seen nötig ist, müssten die Dörfer nicht weichen.
In Erkelenz verursacht die Leitentscheidung gemischte Gefühle. „Es bleibt ein Fünkchen Hoffnung“,
sagte Bürgermeister Stephan Muckel bezogen auf die geplante Revision im Jahr 2026. „Bei denen, die bereits umgesiedelt sind, wird die Leitentscheidung ein gewisses Magengrummeln auslösen. Es beflügelt aber diejenigen, die weiter kämpfen wollen.“
Pinkwart sprach indes von einer guten Entscheidung für Klimaschutz und Region. Die Leitentscheidung der rot-grünen Vorgängerregierung habe eine Einsparung von nur 400 Millionen Tonnen CO2 bedeutet. Die schwarz-gelbe Leitentscheidung bedeutet nun 1200 Millionen Tonnen zusätzliche CO2-Einsparung. Nordrhein-Westfalen trage bis Ende der 2020er-Jahre zwei Drittel der Lasten des deutschen Ausstiegs.