Selbsttests: Schulleiter fürchtet Stigmatisierung
Bislang gab es nur wenige positive Testergebnisse. Trotzdem spaltet das Thema die Schulgemeinden. Worum es bei der Debatte geht.
DÜSSELDORF Der Start der Selbsttests hat eine Debatte darüber in Gang gesetzt, ob die Schule der richtige Ort für eine solche Untersuchung auf das Coronavirus ist. Die Meinungen darüber gehen weit auseinander. Viele Schulen fühlen sich mit dem aus ihrer Sicht aufwendigen Prozedere, bei dem die Schüler unter Aufsicht ein Wattestäbchen in die Nase einführen müssen, allein gelassen.
„Der organisatorische Aufwand ist enorm, am Ende geht das auf Kosten der im Wechselmodell eh schon knappen Unterrichtszeit vor Ort“, sagt Alexander Schrimpf, Leiter der Werner-von-Siemens-Realschule in Düsseltal. Am Montag und Dienstag haben sich rund 450 der 680 Schüler im Beisein eines Lehrers getestet. Ein positives Ergebnis war nicht dabei. „Natürlich fragen wir uns, wie zuverlässig das ist, wir sind keine Sanitäter und können nicht entscheiden, ob das Stäbchen bei jedem Einzelnen tief genug in der Nase war“, sagt er.
Deutlicher fällt die Kritik von Raphael Flaskamp aus. Der Leiter des Gerresheimer Gymnasiums Am Poth hält das in NRW umgesetzte Verfahren „für eine Fehlentscheidung“. In einer Information an seine Schulgemeinde weist er darauf hin, dass die Tests bei 500 anwesenden Schülern eben auch in Räumen ohne Waschbecken stattfinden müssten. Hinzu komme der mögliche Schock der Heranwachsenden bei einem positiven Ergebnis. Sollten mehrere Schüler davon betroffen sein, „stoßen wir eindeutig an unsere Grenzen“. Ausdrücklich weist er Eltern daraufhin, dass sie der Selbsttestung
ihrer Kinder widersprechen können, da die Teilnahme freiwillig sei. Eine Nicht-Durchführung habe keine negativen schulischen Folgen. In seiner Info-Mail gibt Flaskamp zudem ausführliche organisatorische Hinweise zur Abgabe eines Widerspruchs. „Es ist offensichtlich, dass ich mich als Schulleiter in einem Konflikt zwischen Dienstanweisung einerseits und begründeten Zweifeln andererseits bewege. Daher danke ich den Familien für ein sorgfältiges Abwägen der ihnen aufgezeigten Optionen“, schreibt Flaskamp.
Für seine Haltung erntet der Schulleiter neben Zustimmung auch herbe Kritik. „Ich finde es absolut bedenklich, dass er als Direktor diese Bemühungen konterkariert und torpediert“, meint ein Elternteil, das seinen Namen nicht in einem öffentlichen Beitrag lesen möchte. Die Tests böten eine gute Chance, Infektionsketten zu durchbrechen und damit die Sicherheit für Schüler, Eltern und Lehrer zu erhöhen. Doch Flaskamp steht zu seiner Meinung. Die ihm vorgegebene Umsetzung könne bei Zuspitzung der Pandemielage den Schulfrieden gefährden. Er habe bereits weinende Kollegen erlebt und sicherheitshalber ein Krisenteam einberufen. „Wir stigmatisieren Schüler, weil wir sie im Falle eines positiven Tests in einen separaten Raum setzen sollen, in dem sie dann von ihren Eltern abgeholt werden – so kann man es einfach nicht machen“, meint er. Im ersten Anlauf wurde nur ein Teil der rund 1000 Schüler getestet. Bei zwei Schülern gab es bislang ein positives Ergebnis. Wie viele Eltern dem Schnelltest widersprechen, kann der Schulleiter noch nicht abschließend sagen. „In Gerresheim ist es eine Minderheit“
Das bestätigt auch Hartmut Hentschel, kommissarischer Leiter der Freien Christlichen Gesamtschule (FCGS) in Hassels. Nur bei etwa zehn Prozent seiner 671 Schüler hätten die Eltern Widerspruch eingelegt. Dabei gilt das Prinzip: Wer
Gemessen daran, dass die Hälfte der 70.000 Schüler in Düsseldorf (inklusive Kollegs) zumindest tageweise wieder vor Ort sind, sind die belegten Fallzahlen eher gering. So weist das Gesundheitsamt im März 134 positiv getestete Schüler in einer täglich aktualisierten Tabelle aus, bei Lehrern und Betreuern sind es 22. Zudem gab es 481 nahe Kontaktpersonen (KP 1) bei Schülern und Lehrern.
nicht ausdrücklich widerspricht, ist mit der Teilnahme einverstanden. „Es kitzelt und hat ganz kurz ein bisschen weh getan“, sagt Vivien. Trotzdem findet die Zwölfjährige den schulischen Corona-Test, der vor den Osterferien nur einmal stattfindet, richtig. „Ich habe kein Problem damit“, sagt die Schülerin aus der 7c.
Von den 220 Jungen und Mädchen, die bislang einen Nasenabstrich gemacht haben, war an der FCGS niemand positiv. „Wobei wir bei dieser Art der Testung immer eine Fehlerquote einkalkulieren müssen“, sagt Hentschel. Seine Schüler werden in zwei eigens dafür frei gehaltenen naturwissenschaftlichen Räumen getestet. „Sie warten dort nicht auf das Ergebnis, sondern kehren erst einmal in ihre Klassenräume zurück“, sagt der Pädagoge. Sollte das Ergebnis eine Infektion nahelegen, würden die Lehrer einen behutsamen Weg suchen, um den Betreffenden zu informieren.