Die Tatortreinigerin
Sind Sie noch zusammen? Diese und andere lebenswichtige Fragen stellt die Moderatorin Frauke Ludowig bei RTL, wenn wie jetzt die „Bachelor“-Staffel abgelaufen ist. Schmutzige Wäsche der Kandidatinnen wird nicht gewaschen.
KÖLN Es ist die Nacht der langen Messer. Alle Hosen werden, wie man so sagt, runtergelassen. Alle sprechen Klartext, und gleich herrscht Gewissheit, ob die absurde Idee, dass junge Leute im Rahmen einer Kandidatenshow die Liebe fürs Leben kennenlernen, vielleicht dieses Mal funktioniert hat.
Legionen von Bachelors sind in den vergangenen Jahren an uns vorbeigezogen. Zur letzten vergebenen Rose sülzten sie tiefe Bekenntnisse und ernteten von den Auserwählten feuchtinnige Blicke. Umarmung, Kuss, die Mattscheibe im Wonnerausch. Doch in der Folterkammer von Frauke Ludowig, Wochen später aufgenommen und zeitnah gesendet, bekamen sie die Frage aller Fragen gestellt. Und mussten fast immer gestehen: Nein, wir sind nicht mehr zusammen.
Frauke Ludowig, die 1964 in der Nähe von Hannover geborene Journalistin, ist die RTL-Promibeauftragte, sozusagen die oberste Korkenzieherin des Exklusiven und
Verfänglichen. In Hintergrundberichten und vertraulichen Interviews sucht sie echten oder angeblichen Stars Intimitäten zu entlocken. Dabei ist sie nicht immer geschmackssicher. Neulich fragte sie Angela Merkel vor der Kamera, wer denn im Lockdown für ihre Frisur zuständig sei. Dabei hatte Ludowig selbst dem Anschein nach drei Stunden nicht allein vor dem Schminkspiegel verbracht. Egal.
„Der Bachelor – nach der letzten Rose“heißt dieses zartbittere Enthüllungs-Special nach der finalen Folge der emotional aufgepumpten Staffel (deren Einzelsendungen vorab bei TV Now zu sehen waren). Frauke Ludowig ähnelt jener älteren Tante, die mit ihren zerstrittenen Nichten und Neffen nach dem Tod eines lieben Verwandten die Erbfolge bespricht. Aber zu erben gibt es hier nichts, weil diese Show nur Verlierer produziert, jedenfalls diesmal: Mimi, die ultimative Herzdame, war wenige Stunden nach dem Finale bereits abserviert, weil sich der Bachelor Niko Griesert endgültig als Luftbuchung par excellence erwies, als windelweicher Zauderer, der angeblich seine Gefühle nicht zu sortieren vermochte. Über diese Not tröstet ihn rückschauend die Tatsache zurück, dass er bei fast jeder Dame sein neues Gesellschaftsspiel „Zunge versenken“ausprobieren konnte.
Frauke Ludowig hatte nun fünf Verflossene und Abgewählte (Mimi, Michèle, Stephi, Linda und Hannah) sowie einen begossenen Pudel (Niko) im trauten, von Kerzen und Fackeln beflammten Industrieruinen-Rund sitzen, und die Stimmung war, wie soll man sagen: bescheiden und trüb vor Kummer. Es musste ordentlich nachgepudert werden. Stephis Gesicht erstarrte regelmäßig. Ludowig tauchte wie immer abgebrüht in die Rolle der Mitleidenden ein, der psychotherapeutischen Anlaufstelle („Wie sehr haben Sie wirklich gelitten?“).
Leider misslang ihr der Versuch einer Klärung der Lage gänzlich. Die Tatortreinigerin wirkte wie eine überforderte, verzweifelt unparteiische Dame vom Jugendamt, die jungen Leuten, die pubertär an Liebe im Fernsehen glauben, antrainierte Interviewfragen stellt, statt mal Tacheles zu reden, etwa so: „Niko, viele Zuschauer halten Sie für ziemlich unreif. Können sich alle diese Leute irren?“
Doch Ludowig darf nicht geistreich sein, sie vertritt ja den Sender
RTL, der das „Bachelor“-Format entwickelt hat: Liebesbasar und Reifeprüfung auf unterkomplexem Niveau. Ludowig verhindert, dass die Nacht der langen Messer witzig, hochdramatisch oder vollends trashig wird. Eigentlich müssten die Fetzen fliegen. Und als Niko die nun doch offenbar mögliche Zukunft mit Michèle (dritter Anlauf der beiden, man fasst es nicht) vom Tisch haben wollte, hätte jeder Zeitungsvolontär im ersten Ausbildungsjahr die Daumenschrauben angesetzt und den feinen Herrn Niko gehörig ins Gebet genommen.
Bei RTL dagegen herrscht jenes gedämpfte Klima, das man aus dem Innenleben holzgeschnitzter Beichtstühle kennt. So kommt es, dass nicht nur Frauke Ludowig in dieser „Aftershow“die falschen, die langweiligen, die einfältigen Fragen stellt. Die richtigen, die alle Damen der Show und der Casanova selbst schon 1000 Mal gedacht haben, sie lauten: Wie konnte das passieren? Wie blöd sind wir eigentlich?
Wir warten auf den Tag, an dem auch die Tatortreinigerin sie stellt.