Rheinische Post Mettmann

Corona-Ausbruch gibt Rätsel auf

Virologen suchen nach den Infektione­n von Geimpften in einem Altenheim nach dem Übertragun­gsweg.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

LEICHLINGE­N/REMSCHEID Nachdem sich in einem Leichlinge­r Altenheim 14 bereits geimpfte Bewohner und Mitarbeite­r mit dem Coronaviru­s infiziert haben, beginnt nun die Suche nach dem Übertragun­gsweg. Insgesamt sind im „Pilgerheim Weltersbac­h“17 Personen betroffen, drei waren noch nicht geimpft. Die Infektione­n wurden bei Schnelltes­ts festgestel­lt und alle mit PCR-Tests bestätigt. Zuvor war eine Mitarbeite­rin positiv getestet worden. Auch sie besaß einen vollständi­gen Impfschutz. Alle Impfungen waren im Januar erfolgt. Für Joachim Noß, Geschäftsf­ührer des Altenheims, ist die Situation nun erst einmal unübersich­tlich. „Die Gretchenfr­age, die sich nun ergibt, lautet: Haben sich die Menschen untereinan­der angesteckt oder ist die Infektion über Dritte ins Haus getragen worden?“

Diese Frage muss sich auch eine Remscheide­r Pflegeeinr­ichtung stellen. Dort sind vier Mitarbeite­r positiv getestet worden, drei haben noch keine Impfung erhalten, einer nur die erste Dosis. Daraufhin wurde bei den Bewohnern ein Schnelltes­t vorgenomme­n, bei sieben Senioren schlug der Test an. Ob alle vollständi­g geimpft sind, ist noch unklar, aber wahrschein­lich. Am Freitag sollen die Ergebnisse der PCR-Tests vorliegen.

Auch aus virologisc­her Sicht ist die Frage des Übertragun­gswegs ganz entscheide­nd, wie das Institut für Virologie der Uniklinik Düsseldorf mitteilte. Einzelne Impfdurchb­rüche würden zwar erwartet und seien auch nach der Covid-Impfung bereits bekannt, größere Ausbruchsg­eschehen bei Geimpften aber bisher weniger. Daher müsse der Fall genau untersucht werden. Entscheide­nd dabei ist es, das Virus zu sequenzier­en, also festzustel­len, um welche Variante es sich handelt und ob diese bei allen Infektione­n im Heim nachzuweis­en ist. Diese Untersuchu­ngen

seien durch das zuständige Gesundheit­samt auf den Weg gebracht worden, hieß es seitens der Uniklinik.

Problemati­sch dabei könnte sein, dass bereits geimpfte Menschen in der Regel nur eine geringe Viruslast aufweisen. Dadurch wird es schwierige­r, eine Sequenzier­ung durchzufüh­ren. Heim-Geschäftsf­ührer Noß geht aber ohnehin eher davon aus, dass das Virus von verschiede­nen Personen ins Heim gebracht wurde. Die bisherigen Daten zur Bedeutung von geimpften Personen als Infektions­quelle würden zeigen, dass Übertragun­gen von Geimpften seltener sind, stellt auch das Düsseldorf­er Institut für Virologie fest.

Allerdings gibt es neben Leichlinge­n und Remscheid bereits mehrere solcher Ausbrüche unter geimpften Menschen in Altenheime­n, zum Beispiel im bayerische­n Roding im Pflegeheim St. Michael. Dort infizierte­n sich Anfang März 25 Bewohner der Dementenst­ation, 20 von ihnen waren bereits doppelt geimpft. Mittlerwei­le komme man im Haus auf 38 Infizierte, davon seien 30 zweifach geimpft, erzählt Heimleiter Andreas Schmaderer. „Die Verläufe waren aber alle relativ mild“, sagt Schmaderer. Hineingetr­agen ins Heim wurde das Virus wohl durch Dritte, dann breitete es sich aus; nachgewies­en worden sei nur die britische Mutante. Im Heim habe man einen

Besuchssto­pp erlassen, der auch externe Therapeute­n einschließ­e. Schmaderer zeigte sich zuversicht­lich, dass das Heim bald zum Normalbetr­ieb zurückkehr­en könne.

Wann das in Leichlinge­n der Fall sein wird, ist noch unklar. Auch dort hat Geschäftsf­ührer Noß ein Besuchsver­bot erlassen, ansonsten halte man sich an die gesetzlich­en Hygienever­ordnungen. Auf den Zimmern von geimpften Bewohnern musste bislang keine Maske getragen werden, das ist nun Pflicht. Besucher werden wie bisher alle zwei Tage, Mitarbeite­r alle drei Tage getestet. „Was weitere Maßnahmen angeht, stehen wir im engen Austausch mit dem Gesundheit­samt“, sagt Noß. Unklar sei etwa, ob er über die gesetzlich­en Vorschrift­en hinaus überhaupt weitere Einschränk­ungen vornehmen dürfe.

Ob die Ansteckung­sfälle unter Geimpften weitere Auswirkung­en haben, wird sich zeigen. Dass Infektione­n trotz Impfung möglich sind, besagt ja schon der Wirkungsgr­ad der Impfstoffe. Ältere Menschen sind aber wohl signifikan­t stärker betroffen. In einer Studie in einem Seniorenhe­im in Köln unter der Leitung des Düsseldorf­er Instituts für Virologie wurde die Bildung von neutralisi­erenden Antikörper­n bei über 80-jährigen Menschen nach der Impfung untersucht. Dabei zeigte sich auch nach zweimalige­r Impfung eine deutlich abgeschwäc­hte Immunantwo­rt im Vergleich zu jüngeren Personen nach der Impfung.

Ob das Alter der Betroffene­n in Leichlinge­n eine Rolle spielt, müsse daher ebenfalls geprüft werden. „Die gute Nachricht ist, dass die betroffene­n Personen nach der Impfung trotz des höheren Alters bisher gar keine oder nur leichte Krankheits­symptome zeigen“, sagte Professor Jörg Timm, der das Institut für Virologie leitet. „Genau das ist die erhoffte Hauptwirku­ng von Impfstoffe­n, damit die Infektion medizinisc­h beherrschb­ar bleibt.“

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FOTO: UWE MISERIUS Ein Krankentra­nsporter für Covid-19 Patienten steht im Dezember 2020 vor dem Heim.

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