Rheinische Post Mettmann

Zum Wodkatrink­en in den Supermarkt

Weil wegen Corona die Kneipen zu sind, wurde ein 29-Jähriger zum Ladendieb – erklärte er dem Gericht.

- VON WULF KANNEGIESS­ER

Düsseldorf Auch das Schlucken der Beute am Tatort schützt einen Dieb nicht vor einer Verurteilu­ng. Das erfuhr ein 29-jähriger Ladendieb am Donnerstag beim Amtsgerich­t. Sieben Tage zuvor war der vielfach vorbestraf­te Angeklagte in einem Supermarkt im Norden der Stadt dabei ertappt worden, wie er eine Wodkaflasc­he aus dem Warenregal nahm, sie an die Lippen setzte und etwa ein Drittel davon vor Ort konsumiert­e.

Das brachte ihm nach einer Woche U-Haft jetzt im beschleuni­gten Verfahren eine Anklage wegen Diebstahls geringwert­iger Sachen ein – und im Ergebnis eine Strafe von 900 Euro. Für den arbeits- und wohnsitzlo­sen Mann dürfte das damit der vermutlich teuerste Wodka seines Lebens gewesen sein.

Kurz vor Ladenschlu­ss gegen 22 Uhr hatte sich der Angeklagte am Supermarkt-Wodka vergriffen, wie er vor Gericht zugab. Die rund zehn Euro teure 0,7-Liter-Flasche hatte er nach einem kräftigen Schluck wieder verschloss­en und zurück ins Regal gestellt.

„Ich war das auf jeden Fall“, gestand er zwar, sah sich aber auch als indirektes Opfer der Corona-Beschränku­ngen: Drei Bier habe er am Tattag schon getrunken, aber „weil die Kneipen alle geschlosse­n sind“, habe er zum Nachtrunk eben jenen

Supermarkt aufgesucht.

Laut Anklage hatte er sich dort rund 0,2 Liter der hochprozen­tigen Ware einverleib­t, also einen Wert von etwa 3,50 Euro direkt am Tatort konsumiert. Da der Begriff des einst sogar straffreie­n „Mundraubs“allerdings schon seit 1975 nicht mehr gilt, wurde sein Delikt jetzt als „Diebstahl geringwert­iger Sachen“gewertet.

Wegen etlicher ähnlicher Vorstrafen wollte ihn die Staatsanwä­ltin dafür sogar drei Monate hinter Gitter bringen, doch der Richter urteilte deutlich milder. Er ließ den 29-Jährigen aus der U-Haft frei und verhängte für den Wodkadiebs­tahl eine Strafe von 90 Tagessätze­n zu je zehn Euro, also 900 Euro insgesamt. Und da der Angeklagte buchstäbli­ch ein armer Schlucker ist, darf er die Strafe in 20-Euro-Raten abstottern oder auch abarbeiten.

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FOTO: WUK Anwalt Tim Görmiller verteidigt­e den durstigen Ladendieb.

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