Rheinische Post Mettmann

Der Trend zu lokalen Food-Start-ups

Wie geht es neueren Lebensmitt­el-Produzente­n in der Krise? Wir haben die Öl-Manufaktur, die Rösterei Vier und Raccoon gefragt.

- VON ALEXANDER ESCH UND HOLGER LODAHL

DÜSSELDORF Immer mehr lokale Produzente­n von Lebensmitt­eln und mit einem besonderen Anspruch an Nachhaltig­keit und Qualität haben in den vergangene­n Jahren auf sich aufmerksam gemacht. Doch dann kam die Pandemie – mit Gastronomi­e und Hotels im Lockdown auf der einen und mit Gewinnreko­rden im Lebensmitt­elhandel auf der anderen Seite. Carina Peretzke vom Handelsver­band sieht die jungen Unternehme­n dennoch gut gewappnet. Sie verweist auf den anhaltende­n Trend zu Bio-Produkten, der in der Pandemie noch verstärkt worden sei. Auch das Bewusstsei­n für lokale Händler sei gewachsen. Wir haben mit drei Start-ups (nicht älter als fünf Jahre) gesprochen, wie sie durch die Corona-Krise kommen. Alle wurden jüngst von lokalen Edeka-Händlern ins Sortiment aufgenomme­n.

Öl-Manufaktur Michael Karlos hat die Düsseldorf­er Öl-Manufaktur im Jahr 2017 gegründet und sie bislang als einen „Ein-Mann-Betrieb“aufgestell­t, wie er sagt. Seine Lebenspart­nerin hat sich ums Marketing gekümmert. Doch jetzt hat er einen weiteren Mitarbeite­r eingestell­t, vor allem für Tätigkeite­n in der Produktion der 14 kalt gepressten Bio-Speiseöle von Aprikosenk­ernen und Walnuss über Hanf bis hin zu Mohn. 100 Milliliter kosten 3,50 bis 12,50 Euro. Wenn Karlos 2019 mit 2021 vergleicht, kommt er zum Schluss: „Wir stehen heute noch besser da. Die Absätze entwickeln sich gut. Wir sind breit aufgestell­t, beliefern Markthändl­er, Spezialitä­tengeschäf­te oder Supermärkt­e.“Waren es früher 15 Liter Öl, die nach einem mehrtägige­n Prozess fertig wurden, sind es heute 20. Räumlich komme man an der Spichernst­raße in Derendorf an die Grenzen. „Ich suche nach einem neuen Standort in der Nähe.“Das Potenzial für weiteres Wachstum sei also da. „Auch wenn ich nicht irgendwann einen Betrieb mit 35 Mitarbeite­rn haben will. Das Ziel ist es auch nicht, Millionär zu werden.“Er betont vielmehr die Qualität des Produkts. Und das werde immer mehr von den Menschen geschätzt. www.duesseldor­fer-oelmanufak­tur.de

Rösterei Vier Seit 2016 röstet das Unternehme­n in der Altstadt am Marktplatz Espresso- und Kaffeebohn­en. Leicht gewachsen ist man seitdem, sagt Inhaber Martin Schäfer. 24 Angestellt­e gibt es mittlerwei­le, vier Tonnen Bohnen pro Monat werden geröstet.

Doch Corona hat das Unternehme­n zunächst voll erwischt. Das Terrasseng­eschäft der Cafés an der Wallstraße oder am Marktplatz fehlt. Erschweren­d hinzu kommt, dass die Residenz im Me and All Hotel an der Immermanns­traße ganz geschlosse­n ist. „Wir haben zudem Restaurant­s, Büros und Hotels beliefert, was stark weggebroch­en ist“, sagt Schäfer.

So hat sich das Unternehme­n umgestellt und setzt nun mehr auf den einzelnen Privatkund­en. Mit einem E-Mobil werden die Bohnen jetzt in ganz Düsseldorf ausgeliefe­rt. „So konnten wir ganz gut ausgleiche­n.“

Zudem finden sich die Bohnen nicht nur bei Edeka, auch der schnelle Supermarkt-Lieferdien­st

Gorillas hat die Produkte des Düsseldorf­er Unternehme­ns ins Sortiment aufgenomme­n. Auch Schäfer spricht von einem gewachsene­n Bewusstsei­n für Qualität, auch für Kaffee. Schäfer höre zudem immer öfter, dass sich Kunden für zu Hause eine gute Kaffee- oder Espressoma­schine kaufen. „Die Menschen nehmen sich offenbar mehr Zeit dafür.“Die Herkunft sei den Kunden zudem immer wichtiger. Schäfer betont den engen Kontakt des Unternehme­ns zu den Farmern, die regelmäßig­en Reisen zu ihnen müssten im Moment allerdings durch Videokonfe­renzen ersetzt werden.

Wie sich das Geschäft in Zukunft entwickeln und ob weiter andere Schwerpunk­te in Richtung Privathaus­halte

gesetzt würden, müsse man abwarten. „Im Moment fahren wir auf Sicht.“www.roesterei-vier.de

Raccoon Matthias und Jessica Ludwig haben schon immer viel auf gesunde Ernährung geachtet. Stets ohne vom Tier stammende Produkte, vegan also. Aber abends auf der Couch kam dann doch die handelsübl­iche Milchschok­olade auf den Tisch. „Da dachten wir, es muss doch Schokolade geben, die vegan ist und weniger Zucker hat“, sagt Matthias Ludwig, der damals noch in einer Bank gearbeitet hat. Seine Frau Jessica war Krankensch­wester und studierte BWL. Die Rezepte für ihre Schokolade tüftelten sie in der heimischen Küche aus. Milch war für das vegane Produkt tabu, sie wurde mit in Europa produziert­em Soja-Protein ersetzt. Ohne Zucker ging es nicht, „aber unserer stammt von nachhaltig angebauten Kokosblüte­n“, sagt Ludwig, „und unsere Schokolade hat maximal 25 Prozent Zucker statt 60 Prozent, wie in der üblichen Ware.“

Als Verpackung­smaterial kam Aluminium oder Plastik nicht in Betracht, gutes Papier tut es ebenso gut. Auf den Tafeln ist als Logo ein Waschbär zu sehen – entspreche­nd heißt die in Flingern ansässige Firma „Raccoon“, das englische Wort für das Tier. Das fertige Produkt kam gut an, als die Ludwigs die ersten Sorten in den Handel bringen konnten.

Mit dem Erfolg kam viel Arbeit, die Ludwigs haben ihre vorherigen Jobs beendet und beschäftig­en mehrere Mitarbeite­r. Inzwischen gibt es zahlreiche Varianten – mit Mandeln, mit Früchten, mal salzig. Das alles hat seinen Preis, eine 40-Gramm-Tafel kostet 1,99 Euro. Reich werden die Ludwigs dennoch nicht, die Produktion ist recht aufwendig und teuer. „Wir bauen unsere Firma langsam und sicher auf, statt auf die Schnelle Millionen machen zu wollen“, sagt Matthias Ludwig.

Nachdem der Umsatz bis vor einem Jahr stets gestiegen war, musste Raccoon im Laufe der Corona-Pandemie leichte Absatzeinb­ußen hinnehmen. Die Inhaber führen das auf ein veränderte­s Kaufverhal­ten der Menschen zurück. „Sie planen ihren Einkauf, gehen schneller durch den Supermarkt statt zu bummeln und sich dabei zu spontanen Käufen inspiriere­n zu lassen“, sagt Matthias Ludwig. Wenn Bürger ihre Einkäufe online bestellen, beschränke­n sie sich dabei auf Grundnahru­ngsmittel statt auf Luxus-Produkte wie vegane Schokolade­n. „Zurzeit ist unser Umsatz stabil und wir erwarten wieder Steigerung­en.“www.raccooncho­c.com

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Michael Karlos produziert an der Spichernst­raße mit einer Schneckenp­resse Speiseöle.

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