Der Trend zu lokalen Food-Start-ups
Wie geht es neueren Lebensmittel-Produzenten in der Krise? Wir haben die Öl-Manufaktur, die Rösterei Vier und Raccoon gefragt.
DÜSSELDORF Immer mehr lokale Produzenten von Lebensmitteln und mit einem besonderen Anspruch an Nachhaltigkeit und Qualität haben in den vergangenen Jahren auf sich aufmerksam gemacht. Doch dann kam die Pandemie – mit Gastronomie und Hotels im Lockdown auf der einen und mit Gewinnrekorden im Lebensmittelhandel auf der anderen Seite. Carina Peretzke vom Handelsverband sieht die jungen Unternehmen dennoch gut gewappnet. Sie verweist auf den anhaltenden Trend zu Bio-Produkten, der in der Pandemie noch verstärkt worden sei. Auch das Bewusstsein für lokale Händler sei gewachsen. Wir haben mit drei Start-ups (nicht älter als fünf Jahre) gesprochen, wie sie durch die Corona-Krise kommen. Alle wurden jüngst von lokalen Edeka-Händlern ins Sortiment aufgenommen.
Öl-Manufaktur Michael Karlos hat die Düsseldorfer Öl-Manufaktur im Jahr 2017 gegründet und sie bislang als einen „Ein-Mann-Betrieb“aufgestellt, wie er sagt. Seine Lebenspartnerin hat sich ums Marketing gekümmert. Doch jetzt hat er einen weiteren Mitarbeiter eingestellt, vor allem für Tätigkeiten in der Produktion der 14 kalt gepressten Bio-Speiseöle von Aprikosenkernen und Walnuss über Hanf bis hin zu Mohn. 100 Milliliter kosten 3,50 bis 12,50 Euro. Wenn Karlos 2019 mit 2021 vergleicht, kommt er zum Schluss: „Wir stehen heute noch besser da. Die Absätze entwickeln sich gut. Wir sind breit aufgestellt, beliefern Markthändler, Spezialitätengeschäfte oder Supermärkte.“Waren es früher 15 Liter Öl, die nach einem mehrtägigen Prozess fertig wurden, sind es heute 20. Räumlich komme man an der Spichernstraße in Derendorf an die Grenzen. „Ich suche nach einem neuen Standort in der Nähe.“Das Potenzial für weiteres Wachstum sei also da. „Auch wenn ich nicht irgendwann einen Betrieb mit 35 Mitarbeitern haben will. Das Ziel ist es auch nicht, Millionär zu werden.“Er betont vielmehr die Qualität des Produkts. Und das werde immer mehr von den Menschen geschätzt. www.duesseldorfer-oelmanufaktur.de
Rösterei Vier Seit 2016 röstet das Unternehmen in der Altstadt am Marktplatz Espresso- und Kaffeebohnen. Leicht gewachsen ist man seitdem, sagt Inhaber Martin Schäfer. 24 Angestellte gibt es mittlerweile, vier Tonnen Bohnen pro Monat werden geröstet.
Doch Corona hat das Unternehmen zunächst voll erwischt. Das Terrassengeschäft der Cafés an der Wallstraße oder am Marktplatz fehlt. Erschwerend hinzu kommt, dass die Residenz im Me and All Hotel an der Immermannstraße ganz geschlossen ist. „Wir haben zudem Restaurants, Büros und Hotels beliefert, was stark weggebrochen ist“, sagt Schäfer.
So hat sich das Unternehmen umgestellt und setzt nun mehr auf den einzelnen Privatkunden. Mit einem E-Mobil werden die Bohnen jetzt in ganz Düsseldorf ausgeliefert. „So konnten wir ganz gut ausgleichen.“
Zudem finden sich die Bohnen nicht nur bei Edeka, auch der schnelle Supermarkt-Lieferdienst
Gorillas hat die Produkte des Düsseldorfer Unternehmens ins Sortiment aufgenommen. Auch Schäfer spricht von einem gewachsenen Bewusstsein für Qualität, auch für Kaffee. Schäfer höre zudem immer öfter, dass sich Kunden für zu Hause eine gute Kaffee- oder Espressomaschine kaufen. „Die Menschen nehmen sich offenbar mehr Zeit dafür.“Die Herkunft sei den Kunden zudem immer wichtiger. Schäfer betont den engen Kontakt des Unternehmens zu den Farmern, die regelmäßigen Reisen zu ihnen müssten im Moment allerdings durch Videokonferenzen ersetzt werden.
Wie sich das Geschäft in Zukunft entwickeln und ob weiter andere Schwerpunkte in Richtung Privathaushalte
gesetzt würden, müsse man abwarten. „Im Moment fahren wir auf Sicht.“www.roesterei-vier.de
Raccoon Matthias und Jessica Ludwig haben schon immer viel auf gesunde Ernährung geachtet. Stets ohne vom Tier stammende Produkte, vegan also. Aber abends auf der Couch kam dann doch die handelsübliche Milchschokolade auf den Tisch. „Da dachten wir, es muss doch Schokolade geben, die vegan ist und weniger Zucker hat“, sagt Matthias Ludwig, der damals noch in einer Bank gearbeitet hat. Seine Frau Jessica war Krankenschwester und studierte BWL. Die Rezepte für ihre Schokolade tüftelten sie in der heimischen Küche aus. Milch war für das vegane Produkt tabu, sie wurde mit in Europa produziertem Soja-Protein ersetzt. Ohne Zucker ging es nicht, „aber unserer stammt von nachhaltig angebauten Kokosblüten“, sagt Ludwig, „und unsere Schokolade hat maximal 25 Prozent Zucker statt 60 Prozent, wie in der üblichen Ware.“
Als Verpackungsmaterial kam Aluminium oder Plastik nicht in Betracht, gutes Papier tut es ebenso gut. Auf den Tafeln ist als Logo ein Waschbär zu sehen – entsprechend heißt die in Flingern ansässige Firma „Raccoon“, das englische Wort für das Tier. Das fertige Produkt kam gut an, als die Ludwigs die ersten Sorten in den Handel bringen konnten.
Mit dem Erfolg kam viel Arbeit, die Ludwigs haben ihre vorherigen Jobs beendet und beschäftigen mehrere Mitarbeiter. Inzwischen gibt es zahlreiche Varianten – mit Mandeln, mit Früchten, mal salzig. Das alles hat seinen Preis, eine 40-Gramm-Tafel kostet 1,99 Euro. Reich werden die Ludwigs dennoch nicht, die Produktion ist recht aufwendig und teuer. „Wir bauen unsere Firma langsam und sicher auf, statt auf die Schnelle Millionen machen zu wollen“, sagt Matthias Ludwig.
Nachdem der Umsatz bis vor einem Jahr stets gestiegen war, musste Raccoon im Laufe der Corona-Pandemie leichte Absatzeinbußen hinnehmen. Die Inhaber führen das auf ein verändertes Kaufverhalten der Menschen zurück. „Sie planen ihren Einkauf, gehen schneller durch den Supermarkt statt zu bummeln und sich dabei zu spontanen Käufen inspirieren zu lassen“, sagt Matthias Ludwig. Wenn Bürger ihre Einkäufe online bestellen, beschränken sie sich dabei auf Grundnahrungsmittel statt auf Luxus-Produkte wie vegane Schokoladen. „Zurzeit ist unser Umsatz stabil und wir erwarten wieder Steigerungen.“www.raccoonchoc.com