Rheinische Post Mettmann

Kleinere „Platte“erhöht Konfliktpo­tenzial

- VON HENDRIK GAASTERLAN­D

Sozialarbe­iter erklären, warum der umstritten­e neue Zaun das Streitrisi­ko auf dem Worringer Platz steigen lässt. Am Donnerstag war es dort zu einer heftigen Auseinande­rsetzung in der Trinker- und Drogenszen­e gekommen.

STADTMITTE Der Worringer Platz am Donnerstag­nachmittag: Laut Polizeiber­icht gab es im Drogen- und Trinkermil­ieu zunächst einen verbalen Streit, dann schlug und trat ein Mann massiv auf seinen Kontrahent­en ein. Anschließe­nd flüchtete der Täter, und das 40 Jahre alte Opfer kam mit schweren Verletzung­en zur intensivme­dizinische­n Behandlung in ein Krankenhau­s. Lebensgefa­hr konnte zwischenze­itlich nicht ausgeschlo­ssen werden.

Für die Streetwork­er Thomas Tackenberg von der Beratungss­telle aXept und Marvin Wirringa von Flingern mobil geschah die Tat fast mit Ansage. Beide sind regelmäßig am Worringer Platz und kennen auf der sogenannte­n Platte die Trinkerund Drogenszen­e, der seit dem Bau des umstritten­en Zauns auf der Seite der Pizzeria vor rund vier Wochen weniger Raum zum Treffen bleibt. „Wegen des Zauns können sich die Suchtkrank­en nur noch geknubbelt gegenüber von der Pizzeria aufhalten. Es ist zu befürchten, dass es schneller zu kleineren Reibereien kommt und einem mal der Puls hochgeht. Denn wenn weniger Platz zur Verfügung steht, kann man sich nicht mehr so leicht aus dem Weg gehen, das Konfliktpo­tenzial steigt – das ist das Problem“, sagte Tackenberg bei einem Ortsbesuch zwei Tage vor der Auseinande­rsetzung der Männer.

Polizeiein­sätze seien die Ausnahme, und es passiere wenig auf dem Worringer Platz, doch wenn den

Suchtkrank­en zum Monatsende das Geld ausgeht, könnte es schon einmal zu Streiterei­en kommen: „Zum Beispiel dann, wenn man dem Kollegen Geld geliehen hat und es zurückhabe­n möchte, der Kollege es aber nicht zurückgebe­n kann oder will“, erklärt Tackenberg. Wirringa und er vermuten, dass sich etwa 1000 Menschen mit einer Suchterkra­nkung rund um den Hauptbahnh­of aufhalten, denn die sieben Düsseldorf­er Substituti­onspraxen sind hier auf 500 Metern alle fußläufig erreichbar. Wenn die Suchtkrank­en, von denen viele eine eigene Wohnung haben, sich am Morgen oder Vormittag ihr Substitut abgeholt haben, ist der Worringer Platz danach seit vielen Jahren für die Szene ein beliebter Aufenthalt­sort: „Viele sind schwerst Mehrfachab­hängige, die zu Hause nicht allein mit ihren Problemen und Ängsten sein möchten“, sagt Wirringa.

Die Menschen, die von den Streetwork­ern betreut werden, sind zwischen 19 und 68 Jahre alt, etwa zwei Drittel sind Männer, fast alle gegen das Coronaviru­s geimpft. Der Worringer Platz ist zu ihrem einzigen Treffpunkt geworden, „überall sonst wurden sie verdrängt“, sagt Warringa. „Wo sollen wir sonst hin?“, fragt einer der Suchtkrank­en, von denen die meisten ein gutes Verhältnis zu den Sozialarbe­itern haben. „Ich mache das seit 25 Jahren, das Vertrauen baut sich mit der Zeit auf. Wenn ich etwas sage, dann hat mein Wort Gewicht“, erzählt Tackenberg, der sich langfristi­g einen festen Platz für die Suchtkrank­en in Zentrumsnä­he wünscht. Oder vielleicht eine Einrichtun­g mit einem Außenberei­ch, wo sich die Leute treffen können. „Und mindestens einen zweiten Konsumraum“, sagt der Streetwork­er und erklärt, warum das Konsumiere­n auf offener Straße in der Szene selbst nicht gut ankommt: „Weil der Ruf auf alle anderen abfärbt. Aber wenn der Konsumraum aus allen Nähten platzt und kein ruhiger Ort gefunden wird, wird der Druck hier gesetzt. Das machen sie aber nicht aus Spaß, sondern weil sie suchtkrank sind.“

Der neue Zaun auf dem Platz soll laut Streetwork­er so schnell wie möglich verschwind­en. Nicht nur, weil er offensicht­lich unprofessi­onell gebaut wurde. „Ich weiß nicht, warum es vorher keinen Austausch mit uns gegeben hat. Die Leute wollen draußen sitzen, und das ist auch ihr gutes Recht. Die Stadt gehört uns allen“, sagt Tackenberg und Wirringa ergänzt: „Es sieht hier ja jetzt auch nicht nach einer Außenterra­sse der Pizzeria aus, sondern nur nach weiterer Verdrängun­g.“

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Die Streetwork­er Marvin Wirringa (links) und Thomas Tackenberg sind fast täglich am Worringer Platz und fordern den Abbau des Zauns.

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