Kleinere „Platte“erhöht Konfliktpotenzial
Sozialarbeiter erklären, warum der umstrittene neue Zaun das Streitrisiko auf dem Worringer Platz steigen lässt. Am Donnerstag war es dort zu einer heftigen Auseinandersetzung in der Trinker- und Drogenszene gekommen.
STADTMITTE Der Worringer Platz am Donnerstagnachmittag: Laut Polizeibericht gab es im Drogen- und Trinkermilieu zunächst einen verbalen Streit, dann schlug und trat ein Mann massiv auf seinen Kontrahenten ein. Anschließend flüchtete der Täter, und das 40 Jahre alte Opfer kam mit schweren Verletzungen zur intensivmedizinischen Behandlung in ein Krankenhaus. Lebensgefahr konnte zwischenzeitlich nicht ausgeschlossen werden.
Für die Streetworker Thomas Tackenberg von der Beratungsstelle aXept und Marvin Wirringa von Flingern mobil geschah die Tat fast mit Ansage. Beide sind regelmäßig am Worringer Platz und kennen auf der sogenannten Platte die Trinkerund Drogenszene, der seit dem Bau des umstrittenen Zauns auf der Seite der Pizzeria vor rund vier Wochen weniger Raum zum Treffen bleibt. „Wegen des Zauns können sich die Suchtkranken nur noch geknubbelt gegenüber von der Pizzeria aufhalten. Es ist zu befürchten, dass es schneller zu kleineren Reibereien kommt und einem mal der Puls hochgeht. Denn wenn weniger Platz zur Verfügung steht, kann man sich nicht mehr so leicht aus dem Weg gehen, das Konfliktpotenzial steigt – das ist das Problem“, sagte Tackenberg bei einem Ortsbesuch zwei Tage vor der Auseinandersetzung der Männer.
Polizeieinsätze seien die Ausnahme, und es passiere wenig auf dem Worringer Platz, doch wenn den
Suchtkranken zum Monatsende das Geld ausgeht, könnte es schon einmal zu Streitereien kommen: „Zum Beispiel dann, wenn man dem Kollegen Geld geliehen hat und es zurückhaben möchte, der Kollege es aber nicht zurückgeben kann oder will“, erklärt Tackenberg. Wirringa und er vermuten, dass sich etwa 1000 Menschen mit einer Suchterkrankung rund um den Hauptbahnhof aufhalten, denn die sieben Düsseldorfer Substitutionspraxen sind hier auf 500 Metern alle fußläufig erreichbar. Wenn die Suchtkranken, von denen viele eine eigene Wohnung haben, sich am Morgen oder Vormittag ihr Substitut abgeholt haben, ist der Worringer Platz danach seit vielen Jahren für die Szene ein beliebter Aufenthaltsort: „Viele sind schwerst Mehrfachabhängige, die zu Hause nicht allein mit ihren Problemen und Ängsten sein möchten“, sagt Wirringa.
Die Menschen, die von den Streetworkern betreut werden, sind zwischen 19 und 68 Jahre alt, etwa zwei Drittel sind Männer, fast alle gegen das Coronavirus geimpft. Der Worringer Platz ist zu ihrem einzigen Treffpunkt geworden, „überall sonst wurden sie verdrängt“, sagt Warringa. „Wo sollen wir sonst hin?“, fragt einer der Suchtkranken, von denen die meisten ein gutes Verhältnis zu den Sozialarbeitern haben. „Ich mache das seit 25 Jahren, das Vertrauen baut sich mit der Zeit auf. Wenn ich etwas sage, dann hat mein Wort Gewicht“, erzählt Tackenberg, der sich langfristig einen festen Platz für die Suchtkranken in Zentrumsnähe wünscht. Oder vielleicht eine Einrichtung mit einem Außenbereich, wo sich die Leute treffen können. „Und mindestens einen zweiten Konsumraum“, sagt der Streetworker und erklärt, warum das Konsumieren auf offener Straße in der Szene selbst nicht gut ankommt: „Weil der Ruf auf alle anderen abfärbt. Aber wenn der Konsumraum aus allen Nähten platzt und kein ruhiger Ort gefunden wird, wird der Druck hier gesetzt. Das machen sie aber nicht aus Spaß, sondern weil sie suchtkrank sind.“
Der neue Zaun auf dem Platz soll laut Streetworker so schnell wie möglich verschwinden. Nicht nur, weil er offensichtlich unprofessionell gebaut wurde. „Ich weiß nicht, warum es vorher keinen Austausch mit uns gegeben hat. Die Leute wollen draußen sitzen, und das ist auch ihr gutes Recht. Die Stadt gehört uns allen“, sagt Tackenberg und Wirringa ergänzt: „Es sieht hier ja jetzt auch nicht nach einer Außenterrasse der Pizzeria aus, sondern nur nach weiterer Verdrängung.“