Entdeckungstour auf der Museumsmeile
Thorsten Valk war 19 Jahre alt, als 1992 in Bonn mit viel Prominenz auf einen Schlag die zwei zentralen Bauten an der Museumsmeile eröffnet wurden: die Bundeskunsthalle und gegenüber das Kunstmuseum. Ein viel diskutierter Akt, kam diese hauptstädtische Kulturausstattung doch eindeutig zu spät, wie Kritiker bemängelten. 1992 war Bonn keine Bundeshauptstadt mehr. Und da standen nun diese zwei imposanten Ausstellungshäuser unweit des ehemaligen Regierungsviertels. „Und sie wirken immer noch“, sagt Valk, der 1992 als Kölner Abiturient natürlich nach Bonn fuhr, um sich die neuen Museen anzusehen.
Er kann sich noch gut an die Retrospektive mit den bunten Nanas von Niki de Saint-Phalle in der Bundeskunsthalle erinnern. 1994 ging Valk nach Freiburg. Im Jahr, als das Haus der Geschichte wenige Hundert Meter nördlich auf der Museumsmeile eröffnet wurde. Heute gehören zur Bonner Museumsmeile die drei erwähnten Häuser, ergänzt im Norden durch das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig und im Süden um das Deutsche Museum Bonn.
Seit Oktober 2020 ist Valk, der früher bei der Klassik-Stiftung Weimar arbeitete, Direktor des LVR-Landesmuseums Bonn. Als Museumsfachmann und Neu-Bonner baten wir ihn, uns seine fünf Lieblingsstücke von der Museumsmeile zu verraten. „Seit vielen Jahren beschäftigt mich das Moped, das der millionste Gastarbeiter als Geschenk erhielt, als er 1964 in Köln ankam“, erzählt der 48-Jährige und geht zielstrebig in der Dauerausstellung des Hauses der Geschichte zu dem originalen ZündappMoped mit dem Foto, das den Portugiesen Armando Rodrigues de Sá mit seinem neuen Gefährt zeigt. „In diesem Objekt verbinden sich für mich die Widersprüche
der deutschen Integrationspolitik“, erzählt Valk und zitiert dabei den Autor Max Frisch: Man habe Arbeitskräfte gerufen, doch es seien Menschen gekommen. De Sá starb nach seiner Rückkehr in die Heimat an einer Krebserkrankung. Die Behandlung verschlang sein gesamtes Vermögen, das er in Deutschland erworben hatte. Niemand sagte ihm, dass er Krankengeld hätte beanspruchen können. Ausführlich erzählt Valk die Hintergründe.
Im Kunstmuseum Bonn, das er sehr schätzt, zieht es Valk in den Raum mit den Multiples von Joseph Beuys – und zu einem seiner letzten Auflagenwerke, der „Capri-Batterie“. Eine Zitrone mit einer angeschlossenen Lampenfassung und gelber Glühbirne: „Eines der schönsten Multiples von Beuys“, schwärmt er, „weil es so schlicht ist, schön und witzig und von einem ungemeinen Tiefsinn“. Die Zitrone (Natur) speise die Glühbirne (Kultur) mit Energie. „Ist Kunst transformierte Natur?“, fragt Valk. „Und inwiefern hat Beuys hier ein Sinnbild der Beziehung zwischen Künstler und Gesellschaft geschaffen?“Verzehrt sich der Künstler in seiner Kunstschöpfung selbst? Opfert sich der Künstler für die Gesellschaft? Die Zitrone als Akku.
Später im Gespräch kommen wir auf einen anderen Akku und eine weitere Geschichte zu sprechen, die hinter einem Exponat steckt. So animierte ihn der Anblick eines Dromedars im Museum Koenig dazu, Näheres über „den König der Wüste“zu erfahren. Warum die Beduinen das Tier so und auch als „Geschenk Gottes“bezeichnen, liege auf der Hand: Bis zu 17 Tage könne ein Dromedar bei 50 Grad ohne einen Tropfen Wasser überleben, im Gegenzug sei es fähig, innerhalb von 15 Minuten 200 Liter Flüssigkeit aufzunehmen. „Ein Tier der Superlative“, das die Herausforderungen durch den
Klimawandel vor Augen führe. Ein existenzielles Thema.
Mit der Bundeskunsthalle verbindet Valk sehr viel, er liebt das breite Angebot und die großzügigen Ausstellungen: Seit 1992 war er immer wieder da, 2019 besonders intensiv, da kuratierte er eine Goethe-Ausstellung. Am aktuellen Programm interessiert ihn besonders die Ausstellung
über die Publizistin und Philosophin Hannah Arendt. Er zeigt zwei Exponate, die Arendts Verhältnis zu Franz Kafka spiegeln. Sein Lieblingsobjekt ist eine Kostbarkeit: In ihrem „Denktagebuch“schrieb Arendt mit schöner Handschrift über Kafkas Erzählung „Forschungen eines Hundes“. Der Hund begreift nicht, dass sein Dasein als