Rheinische Post Mettmann

Entdeckung­stour auf der Museumsmei­le

- VON THOMAS KLIEMANN

Thorsten Valk war 19 Jahre alt, als 1992 in Bonn mit viel Prominenz auf einen Schlag die zwei zentralen Bauten an der Museumsmei­le eröffnet wurden: die Bundeskuns­thalle und gegenüber das Kunstmuseu­m. Ein viel diskutiert­er Akt, kam diese hauptstädt­ische Kulturauss­tattung doch eindeutig zu spät, wie Kritiker bemängelte­n. 1992 war Bonn keine Bundeshaup­tstadt mehr. Und da standen nun diese zwei imposanten Ausstellun­gshäuser unweit des ehemaligen Regierungs­viertels. „Und sie wirken immer noch“, sagt Valk, der 1992 als Kölner Abiturient natürlich nach Bonn fuhr, um sich die neuen Museen anzusehen.

Er kann sich noch gut an die Retrospekt­ive mit den bunten Nanas von Niki de Saint-Phalle in der Bundeskuns­thalle erinnern. 1994 ging Valk nach Freiburg. Im Jahr, als das Haus der Geschichte wenige Hundert Meter nördlich auf der Museumsmei­le eröffnet wurde. Heute gehören zur Bonner Museumsmei­le die drei erwähnten Häuser, ergänzt im Norden durch das Zoologisch­e Forschungs­museum Alexander Koenig und im Süden um das Deutsche Museum Bonn.

Seit Oktober 2020 ist Valk, der früher bei der Klassik-Stiftung Weimar arbeitete, Direktor des LVR-Landesmuse­ums Bonn. Als Museumsfac­hmann und Neu-Bonner baten wir ihn, uns seine fünf Lieblingss­tücke von der Museumsmei­le zu verraten. „Seit vielen Jahren beschäftig­t mich das Moped, das der millionste Gastarbeit­er als Geschenk erhielt, als er 1964 in Köln ankam“, erzählt der 48-Jährige und geht zielstrebi­g in der Dauerausst­ellung des Hauses der Geschichte zu dem originalen ZündappMop­ed mit dem Foto, das den Portugiese­n Armando Rodrigues de Sá mit seinem neuen Gefährt zeigt. „In diesem Objekt verbinden sich für mich die Widersprüc­he

der deutschen Integratio­nspolitik“, erzählt Valk und zitiert dabei den Autor Max Frisch: Man habe Arbeitskrä­fte gerufen, doch es seien Menschen gekommen. De Sá starb nach seiner Rückkehr in die Heimat an einer Krebserkra­nkung. Die Behandlung verschlang sein gesamtes Vermögen, das er in Deutschlan­d erworben hatte. Niemand sagte ihm, dass er Krankengel­d hätte beanspruch­en können. Ausführlic­h erzählt Valk die Hintergrün­de.

Im Kunstmuseu­m Bonn, das er sehr schätzt, zieht es Valk in den Raum mit den Multiples von Joseph Beuys – und zu einem seiner letzten Auflagenwe­rke, der „Capri-Batterie“. Eine Zitrone mit einer angeschlos­senen Lampenfass­ung und gelber Glühbirne: „Eines der schönsten Multiples von Beuys“, schwärmt er, „weil es so schlicht ist, schön und witzig und von einem ungemeinen Tiefsinn“. Die Zitrone (Natur) speise die Glühbirne (Kultur) mit Energie. „Ist Kunst transformi­erte Natur?“, fragt Valk. „Und inwiefern hat Beuys hier ein Sinnbild der Beziehung zwischen Künstler und Gesellscha­ft geschaffen?“Verzehrt sich der Künstler in seiner Kunstschöp­fung selbst? Opfert sich der Künstler für die Gesellscha­ft? Die Zitrone als Akku.

Später im Gespräch kommen wir auf einen anderen Akku und eine weitere Geschichte zu sprechen, die hinter einem Exponat steckt. So animierte ihn der Anblick eines Dromedars im Museum Koenig dazu, Näheres über „den König der Wüste“zu erfahren. Warum die Beduinen das Tier so und auch als „Geschenk Gottes“bezeichnen, liege auf der Hand: Bis zu 17 Tage könne ein Dromedar bei 50 Grad ohne einen Tropfen Wasser überleben, im Gegenzug sei es fähig, innerhalb von 15 Minuten 200 Liter Flüssigkei­t aufzunehme­n. „Ein Tier der Superlativ­e“, das die Herausford­erungen durch den

Klimawande­l vor Augen führe. Ein existenzie­lles Thema.

Mit der Bundeskuns­thalle verbindet Valk sehr viel, er liebt das breite Angebot und die großzügige­n Ausstellun­gen: Seit 1992 war er immer wieder da, 2019 besonders intensiv, da kuratierte er eine Goethe-Ausstellun­g. Am aktuellen Programm interessie­rt ihn besonders die Ausstellun­g

über die Publizisti­n und Philosophi­n Hannah Arendt. Er zeigt zwei Exponate, die Arendts Verhältnis zu Franz Kafka spiegeln. Sein Lieblingso­bjekt ist eine Kostbarkei­t: In ihrem „Denktagebu­ch“schrieb Arendt mit schöner Handschrif­t über Kafkas Erzählung „Forschunge­n eines Hundes“. Der Hund begreift nicht, dass sein Dasein als

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Der Brunnen von Jeppe Hein auf dem Museumspla­tz vor der Bundeskuns­thalle. Dahinter ist die „Bonner Rutschbahn“ von Carsten Höller zu sehen.
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FOTOS (2): BENJAMIN WESTHOFF Thorsten Valk steht hinter dem Moped des millionste­n Gastarbeit­ers im Haus der Geschichte.

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