Rheinische Post Mettmann

Ein unzulässig­er Eingriff in die Freiheitsr­echte

- VON BIRGIT MARSCHALL

Etwa die Hälfte der Bundesbürg­er ist inzwischen vollständi­g geimpft. Das ist zu wenig, um das Coronaviru­s endlich loszuwerde­n. Wir brauchen eine Impfquote von 85 Prozent, wenn wir die leidige Pandemie hinter uns lassen wollen, warnen Virologen. Das bringt nun Baden-Württember­gs Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n zu einer äußerst umstritten­en Position: Der Grüne droht mit einer Impfpflich­t als Ultima Ratio im Herbst.

Auch wenn nicht absehbar ist, wie sich die Lage bis Herbst entwickeln wird: Eine Impfpflich­t ginge wohl zu weit. Die Impfung ist ein medizinisc­her Eingriff. Kein Staat darf seine Bürger dazu zwingen – außer in ganz besonderen Notsituati­onen für das öffentlich­e Leben. Eine solche ist derzeit aber nicht gegeben, und auch für den Herbst zeichnet sich kein Horrorszen­ario ab. Zudem hätte die Regierung ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem: Kanzlerin Merkel hat den Bürgern fest versproche­n, dass es keine Impfpflich­t geben wird.

Noch sind die Möglichkei­ten des Staates, die Impfquote deutlich zu erhöhen, nicht ausgeschöp­ft. Die Impfkampag­ne ist über die Sommerferi­en erlahmt, sie sollte jetzt wieder voll in Gang gebracht werden. Es gibt in Deutschlan­d auch zu wenig niederschw­ellige Impfangebo­te. Während Impfungen in den USA und vielen anderen Ländern jederzeit in Einkaufsze­ntren, auf Parkplätze­n und Fußgängerz­onen möglich sind, müssen Deutsche erst mühsam Termine beim Hausarzt oder im Impfzentru­m ergattern.

Unter den Ungeimpfte­n sind ja nicht nur Impfgegner oder Skeptiker. Viele sind auch zu bequem oder auch nur verunsiche­rt. Die Impfzurück­haltung unter Migranten ist zudem auffällig. Sie könnte auch mit Sprachdefi­ziten zu tun haben. Nicht einzusehen ist aber, warum Impf-Unwillige weiterhin kostenlose, von allen finanziert­e Corona-Tests erhalten sollen. BERICHT

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