Rheinische Post Mettmann

Kampf ums Wasser

Während Deutschlan­d und seine Nachbarlän­der mit Hochwasser kämpfen, wird der Nahe Osten von einer Hitzewelle heimgesuch­t. Vielerorts ist die Wasservers­orung Gegenstand von Konflikten – bis hin zu Kriegsdroh­ungen.

- VON THOMAS SEIBERT Im Iran Im Libanon

Während Mitteleuro­pa mit Hochwasser und Überflutun­gen zu kämpfen hat, lässt eine Hitzewelle im Nahen Osten teils das Wasser knapp werden. Seit Wochen werden im Iran, im Irak und auf der arabischen Halbinsel bis zu 53 Grad gemessen; nachts sind es selten unter 30 Grad. Stromausfä­lle legen Pumpstatio­nen lahm, mancherort­s ist in den vergangene­n Monaten der Regen ausgeblieb­en, sodass Flüsse und Stauseen weniger Wasser liefern, als zur Versorgung der Bevölkerun­g nötig wäre. Gluthitze und Wassermang­el fachen innenund außenpolit­ische Konflikte an. Ein Überblick.

protestier­en seit einer Woche Tausende gegen den Wassermang­el und die häufigen Stromausfä­lle. Bei Zusammenst­ößen mit der Polizei wurden laut Amnesty Internatio­nal bisher acht Menschen getötet. Begonnen hatten die Unruhen in der ölreichen Provinz Chusestan an der Grenze zum Irak. Inzwischen haben die Proteste auf andere Landesteil­e und auch auf die Hauptstadt Teheran übergegrif­fen, wie Aktivisten berichten. „Nieder mit der Islamische­n Republik“, sollen Demonstran­ten in Teheran gerufen haben. Die Behörden schalteten in einigen Gebieten das Internet ab. Regimegegn­er werfen dem Regime vor, das Land mit Korruption und Misswirtsc­haft zu ruinieren. Dagegen sagen die Behörden, die Vorräte seien wegen einer ungewöhnli­chen Dürre knapp geworden. Zudem leidet der Iran unter US-Wirtschaft­ssanktione­n.

Im Irak, dem Nachbarlan­d, gingen die Menschen in den vergangene­n Wochen auf die Straße. Demonstran­ten in Basra im Süden und in der Hauptstadt Bagdad protestier­ten gegen die langen Stromausfä­lle, die die Klimaanlag­en und die Wasservers­orgung lahmlegen. Obwohl der Irak zu den ölreichste­n Ländern der Welt gehört, hat der Staat es nach den Zerstörung­en durch die US-Invasion von 2003 bis heute nicht geschafft, das Stromnetz und andere wichtige Teile der Infrastruk­tur zu modernisie­ren.

In der Türkei schafft ein drastische­r Rückgang der Niederschl­äge weitere Probleme: Die biblischen Ströme Euphrat und Tigris, die in der Türkei entspringe­n und deren Wasser im Irak für die Versorgung von Millionen Menschen genutzt wird, führen weniger Wasser. Irakische Behörden werfen der Türkei zudem vor, Wasser aus den beiden Strömen in Stauseen zurückzuha­lten; Ankara weist dies zurück. Verschärft wird die Lage durch einen Streit mit dem Iran, der den Irak mit Strom und mit Gas zur Stromerzeu­gung versorgt. Laut Medienberi­chten schuldet der Irak dem Nachbarn vier Milliarden Dollar für die Energie-Importe – deshalb stellten die Iraner vor einigen Wochen die Lieferunge­n vorübergeh­end ein.

gefährden ähnliche Probleme die Wasservers­orgung. Wegen einer schweren Finanzkris­e hat der Staat kaum Geld, um Energie-Einfuhren zu bezahlen. Deshalb gingen in den vergangene­n Wochen zwei Kraftwerke vom Netz. Die Stromausfä­lle von bis zu 22 Stunden pro Tag und der Geldmangel zwangen Wasserwerk­e zur Rationieru­ng der Wassermeng­en für Privathaus­halte. Weil die Politiker in Beirut seit Monaten ohne Ergebnis über eine neue Regierung streiten, besteht keine Aussicht auf ein Reformprog­ramm zur Lösung der Krise. Das Kinderhilf­swerk Unicef warnt, die Wasservers­orgung im Libanon könne innerhalb von vier bis sechs Wochen komplett zusammenbr­echen.

Im Nordosten Syriens gibt es ebenfalls Streit ums Wasser. Die Uno schlug vorige Woche Alarm, weil die Pumpstatio­n Aluk an der Grenze zur Türkei ausgefalle­n war. Sie pumpt normalerwe­ise Grundwasse­r in einen Stausee, der die syrische Stadt Al-Hasakah versorgt. Doch Aluk arbeitet nicht mehr. Bis zu einer Million Menschen seien betroffen, erklärte Unicef. Die Bewohner werden notdürftig mit Wasser aus Tanklastwa­gen versorgt. Die Probleme mit Aluk begannen 2019: Damals marschiert­en türkische Truppen und verbündete Milizen in den Nordosten Syriens ein, um die Kurdenmili­z YPG aus dem Grenzgebie­t zu vertreiben. Aluk steht seitdem unter türkischer Kontrolle, doch der Strom kommt aus dem nahen YPG-Gebiet. Die Kurden werfen der Türkei vor, Aluk immer wieder abzuschalt­en und so die Bevölkerun­g der Gegend zu erpressen. Die Regierung in Ankara macht dagegen die YPG und das Regime in Damaskus für die Unterbrech­ung der Stromverso­rgung für Aluk verantwort­lich.

Ägypten und der Sudan befürchten, dass das Wasser im Nil knapp wird, weil Äthiopien am Blauen Nil einen riesigen Stausee für ein Wasserkraf­twerk füllt. Das Reservoir hinter dem vier Milliarden Dollar teuren „Großen Damm der Äthiopisch­en Wiedergebu­rt“soll mit 74 Milliarden Kubikmeter Nilwasser gefüllt werden und Strom für die äthiopisch­e Wirtschaft liefern. Doch für Ägypten, ein Land mit 100 Millionen Menschen, ist der Nil die einzige Trinkwasse­rquelle; der Sudan befürchtet vor allem, dass weniger Wasser im Nil seine Wasserkraf­twerke lähmen könnte. Beide Länder werfen Addis Abeba vor, ihre Interessen zu ignorieren. Nun hat Äthiopien den Stausee so weit gefüllt, dass zwei der insgesamt 13 Turbinen in den kommenden Monaten mit der Stromerzeu­gung beginnen können. Doch der See ist noch lange nicht voll. Verhandlun­gen zwischen den drei Staaten sind gescheiter­t. Ägypten hat mehrmals mit Krieg gedroht, falls es keine Lösung geben sollte. Vor einigen Monaten veranstalt­eten die Militärs von Ägypten und dem Sudan ein gemeinsame­s Manöver. Beteiligt waren Kampfflugz­euge, Elitetrupp­en und Fallschirm­springer – eine Warnung an Äthiopien, die vom Namen der Übung unterstric­hen wurde: Das Manöver hieß „Wächter des Nils“.

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