Rheinische Post Mettmann

Was Olympia im Innersten ausmacht

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Olympia macht es einem als Zuschauer nicht leicht. Nicht erst bei diesen Spielen, aber besonders bei diesen Spielen. Denn die Liste der Themen ist lang, die dazu taugen, einem die Begeisteru­ng an allem Olympische­n zu nehmen. Das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) als gigantisch­es Wirtschaft­sunternehm­en, das in der Wahrnehmun­g so oft den Profit vor die Athleten stellt. Die Frage, ob die Spiele von Tokio überhaupt hätten stattfinde­n dürfen – wegen der Corona-Pandemie und der großen Hitze, die selbst den Organismus von Leistungss­portlern an seine Grenzen treibt. Das allgegenwä­rtige Thema Doping. All das legt sich wie eine Kruste über das, was den Olympische­n Sport im Innersten ausmacht.

Doch diese Kruste bröckelte am Wochenende erstmals. Nicht etwa, weil die kritischen Themen plötzlich der Vergangenh­eit angehörten. Nein, weil der eigentlich­e Sport und seine Faszinatio­n in den Vordergrun­d drängten. Bilder wie die der österreich­ischen Radfahreri­n, die als Halbprofi sensatione­ll Gold gewann und von den Gefühlen übermannt wurde. Bilder von emotionale­n Bogenschüt­zinnen, Synchronsp­ringerinne­n oder Judoka, die mit ihrem Sport keine Millionen verdienen, ihm aber trotzdem alles jahrelang für Olympia unterordne­n. Diese Auftritte verkörpern das Faszinosum Olympia, das Millionen Sportbegei­sterte immer wieder in seinen Bann zieht. Sie selbst bei Sportarten mitfiebern lässt, deren Regeln sie erst nachschaue­n müssen. Wo Randsport für ein paar Stunden Kernsport wird, hat Olympia seinen Sinn erfüllt.

Und ja: Man darf genau das zulassen. Darf mit Athleten bangen, sich über ihre Erfolge freuen, wie eh und je fasziniert sein von Olympia. Das ist kein Widerspruc­h zum kritischen Blick auf die Missstände. Es sind vielmehr zwei Seiten einer Medaille. BERICHT

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