„Unser Dorf hat Zukunft“
In Blessem hat der Wiederaufbau begonnen. Dabei arbeiten die Menschen als Gemeinschaft zusammen.
BLESSEM Schlammverschmiert stehen die alten Bundeswehrstiefel auf einer ramponierten Waschmaschine im Vorgarten eines Mehrfamilienhauses in Blessem. Sie haben ausgedient; die Gummisohlen haben sich gelöst. Stephan Lason hat sie dort abgestellt; kaputt gegangen sind sie bei den schweren Aufräumarbeiten im Dreck und Schmutzwasser. „Die Einsatzstiefel waren zehn Jahre alt. Zwei Einsätze im Kosovo, zweimal Afghanistan und einmal Kongo haben sie überstanden. Blessem hat sie jetzt aber hingerafft“, sagt Lason.
Leben ist zurückgekehrt in den kleinen Ortsteil von Erftstadt, den es so schlimm getroffen hat durch die Flut. Fast alle der 1600 Einwohner sind am Samstagnachmittag auf der Straße; hinzu kommen noch einmal mindestens so viele freiwillige Helfer, Bundeswehrsoldaten, Rettungskräfte und Polizisten. Bagger, Lastwagen und schwere Fahrzeuge räumen unentwegt den Schutt von den Einfahrten, den die Anwohner aus Kellern und Erdgeschossen geräumt haben. Waschmaschinen, Kinderspielzeug, Fahrräder und immer wieder Waschmaschinen – meterhoch türmen sich die Gegenstände, die das Wasser zerstört hat. Am Ortseingang ist eine provisorische Müllkippe eingerichtet worden; dort wird alles hingebracht.
In Blessem hatte der Starkregen in der vergangenen Woche einen tiefen Schlund in die Erde gespült. Bis auf 100 Meter darf sich weiterhin niemand der Abbruchkante nähern. Ums Leben gekommen ist aber niemand. Am Freitag durften die Bewohner zurück in ihr Dorf – bis auf diejenigen, deren Häuser in der Sicherheitszone stehen.
„Unser Dorf hat Zukunft“, steht am Ortseingang auf einem Schild – unweit der Müllkippe. Zweimal ist die Ortschaft schon für besonderes
Noch liegt viel
Müll in den Straßen von
Blessem.
Engagement bei Wettbewerben mit Preisen ausgezeichnet worden – 2014 und 2015. Man hat das Gefühl, dass es dabei nicht bleiben wird, wenn man die vielen Nachbarn sieht, wie sie sich gegenseitig helfen und gemeinsam ihr Dorf wiederaufbauen.
Alle paar Meter stehen Verpflegungsstationen mit Biergarnituren. Örtliche Caterer haben Stände aufgebaut, es gibt Suppen und Bratwurst vom Holzkohlegrill. Als es am Nachmittag zu regnen beginnt, sieht man bei einigen kurzzeitig die wiedergewonnene Zuversicht aus den Gesichtern schwinden. „Geht das jetzt schon weder los?“, fragt sich eine ältere Frau, die auf einem Stuhl vor ihrem Haus sitzt. Doch der befürchtete Starkregen bleibt aus; ebenso die Gewitter. Schnell kommt die Sonne zurück. Und mit ihr die Zuversicht in die Gesichter der Menschen.
Christian Ploenes verwaltet mehrere Häuser der örtlichen Kirchengemeinde. Am Samstag räumt er in Blessem mit weiteren freiwilligen Helfern einen Keller eines Mehrfamilienhauses aus und säubert ihn. Die Mieterin ist schwer erkrankt, ebenso ihr Mann; sie können nicht selbst mit anpacken. „Der Müllhaufen vor dem Haus war drei Meter hoch“, sagt Ploenes. Ein Teil des Mülls liegt schon auf der Kippe vor der Ortschaft. Nun soll als nächstes die Elektrizität des Hauses instandgesetzt werden. „Zum Glück ist die Mieterin ausreichend gegen Elementarschäden versichert“, sagt er. Er kennt auch einige, die es nicht sind. „Ein Mieter hat mir erzählt, dass er vor zwei Jahren seine Elementarversicherung nach 40 Jahren gekündigt habe, weil er sie nie gebraucht hätte.“Auch Stephan Lason packt in dem Haus mit an. Er hat sich neue Stiefel besorgt. Die alten, die so viel erlebt haben, gehen mit der nächsten Fuhre gemeinsam mit der Waschmaschine auf die Müllkippe. „Sie sind wenigstens für eine gute Sache drauf gegangen“, sagt er.