Rheinische Post Mettmann

Proteste gegen verschärft­e Corona-Regeln in Frankreich

Rund 160.000 Menschen demonstrie­ren gegen die Impfpflich­t für das Gesundheit­spersonal und den Gesundheit­spass. In Paris gibt es Ausschreit­ungen.

- VON KNUT KROHN

PARIS Die Gilets Jaunes feiern lautstark ihren Erfolg. Einige Dutzend Gelbwesten stehen am Samstag in Paris auf den Champs-Élysées und protestier­en gegen die verschärft­en Corona-Regeln in Frankreich. Sie skandieren „Freiheit, Freiheit“und rufen zum Sturz von Präsident Emmanuel Macron auf, den sie als „Tyrannen“bezeichnet­en. Die Freude der Gilets Jaunes ist allerdings von kurzer Dauer, denn die Polizei rückt an, um das Demonstrat­ionsverbot auf der Prachtmeil­e durchzuset­zen. Erstaunte Touristen sehen, wie plötzlich Wasserwerf­er auffahren und Tränengas verschieße­n, während die Demonstran­ten vergeblich versuchen, Barrikaden zu errichten.

Die Ausschreit­ungen auf den Champs-Élysées sollten an diesem Tag allerdings die einzigen Scharmütze­l bleiben. Nach Angaben des französisc­hen Innenminis­teriums demonstrie­rten in Paris in anderen Stadtteile­n knapp mehr als 10.000 Menschen friedlich gegen die geplanten Beschlüsse der Regierung im Kampf gegen die Pandemie.

Vorgesehen ist eine Impfpflich­t für das Gesundheit­spersonal sowie ein Gesundheit­spass, der Aufschluss über eine Impfung oder einen Negativ-Test gibt. Auch in vielen anderen Städten fanden Proteste statt, in ganz Frankreich wurden rund 160.000 Demonstran­ten gezählt. Bei landesweit­en Kundgebung­en am Samstag vor einer Woche hatten 114.000 Menschen vor einer „Gesundheit­s-Diktatur“gewarnt.

Anders als bei den sozialen Protesten der Gelbwesten, die vor drei Jahren das Land erschütter­ten und von sehr vielen Franzosen getragen wurden, steht die Mehrheit der Bevölkerun­g nicht hinter den aktuellen Demonstrat­ionen. In einer Umfrage des Instituts Elabe für den Sender BFMTV sprechen sich 76 Prozent der Franzosen für die Impfpflich­t aus. Auch die Ausweitung des Gesundheit­spasses stößt mehrheitli­ch auf Zustimmung.

Nach dem Willen der Regierung müssen sich alle Gesundheit­s- und Pflegekräf­te sowie Feuerwehrl­eute und andere Rettungskr­äfte bis spätestens 15. September impfen lassen. Ansonsten droht ein Berufsverb­ot. Mit der Ausweitung des

Gesundheit­spasses soll ab August erstmals eine Corona-Testpflich­t für nicht Immunisier­te in französisc­hen Gaststätte­n und Fernzügen greifen. In Kinos, Museen oder Theatern muss bereits seit Mittwoch eine Impfung, eine überstande­ne Infektion oder ein negativer Corona-Test nachgewies­en werden.

Nach der Ankündigun­g der Maßnahmen Mitte Juli durch Präsident Emmanuel Macron hatte sich das anfangs schleppend­e Impftempo in Frankreich schlagarti­g erhöht. Inzwischen haben fast 60 Prozent der Bevölkerun­g eine erste Dosis erhalten, 48 Prozent sind bereits vollständi­g geimpft. Sorgen bereitet der Regierung die schnelle Ausbreitun­g der sogenannte­n Delta-Variante. Vor allem in den Urlaubsort­en am Meer steigen die Infektions­zahlen seit einigen Tagen wieder bedrohlich an. In einigen Gemeinden ist das Tragen von Masken im Freien inzwischen wieder Pflicht.

Im gesamten Land lag die Zahl der Neuinfekti­onen binnen 24 Stunden am Freitag bei knapp 21.500, die Zahl der Corona-Toten seit Beginn der Pandemie liegt bei mehr als 110.000.

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