Rheinische Post Mettmann

Flucht vor den Taliban

Immer mehr Menschen machen sich von Afghanista­n auf den Weg nach Europa.

- VON GERD HÖHLER

KABUL/ANKARA Sieglos ziehen die Bundeswehr und andere Nato-Armeen nach fast 20 Jahren aus Afghanista­n ab. Jetzt flüchten Tausende Afghanen vor den Taliban. Die meisten wollen in die EU, vor allem nach Deutschlan­d. Türkische Sicherheit­skräfte haben in der vergangene­n Woche an der Grenze zum Iran 1456 Flüchtling­e aufgegriff­en. Auch elf Schleuser wurden festgenomm­en. Sie hatten die Menschen aus der Gegend um Ghazni in Afghanista­n über den Iran in die Türkei gebracht.

Der Weg ist weit und beschwerli­ch. 1000 Kilometer sind es von Ghazni bis zur iranischen Grenze, noch einmal 2000 Kilometer ist die Türkei entfernt. Schlepper kassieren pro Kopf mehrere Tausend Dollar für den Transport. Trotzdem nehmen jetzt immer mehr Afghanen die lange Reise auf sich, weil sie unter einem Taliban-Regime um ihre Zukunft oder gar um ihr Leben fürchten. Die militanten Islamisten kontrollie­ren inzwischen weite Teile des Landes.

Nach Schätzunge­n in türkischen Medien kommen jeden Tag mindestens 1000 Menschen aus Afghanista­n über den Iran in die Türkei. Dort leben bereits mehr als vier Millionen Flüchtling­e, darunter 500.000 Afghanen. Ihre Zahl dürfte in den kommenden Monaten stark ansteigen. Nach einem Bericht der Uno-Flüchtling­sagentur UNHCR wurden seit Januar durch die Kämpfe zwischen Regierungs­truppen und den vorrückend­en Taliban geschätzt 270.000 Menschen aus ihren Häusern vertrieben.

Mit diesem Boot gelangten 54 afghanisch­e Flüchtling­e auf die griechisch­e Insel Lesbos.

Die Türkei ist für die meisten afghanisch­en Flüchtling­e nur eine Zwischenst­ation. Sie wollen weiter in die EU, vor allem nach Deutschlan­d. Der Weg dorthin führt über Griechenla­nd. Eine Hauptroute ist die Ägäis, wo Schlepper die Menschen mit Schlauchbo­oten von der türkischen Küste zu einer der griechisch­en Inseln bringen. Ein weiterer Fluchtweg führt über den Fluss Evros (türkisch: Meric), der im Norden die Landgrenze zwischen der Türkei und Griechenla­nd markiert.

Afghanisch­e Flüchtling­e können allerdings in Griechenla­nd nicht mehr mit Asyl rechnen. Denn im Frühjahr entschied die griechisch­e Regierung, dass die Türkei für Afghanen sowie für Flüchtling­e aus Syrien, Somalia, Pakistan und Bangladesc­h ein sicheres Drittland ist. Die Türkei nimmt allerdings seit März 2020 keine Migranten mehr aus Griechenla­nd zurück – trotz Flüchtling­spakt mit der EU. Das ermutigt viele Flüchtling­e, sich von Schleusern nach Griechenla­nd bringen zu lassen. Sie hoffen, von dort auf Schleichwe­gen in andere EU-Staaten zu gelangen.

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FOTO: DPA

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