Rheinische Post Mettmann

OSD-Mitarbeite­r sind sauer auf die Stadt

Mehrere Mitarbeite­r sind nach gewalttäti­gen Angriffen krank geschriebe­n und fühlen sich im Stich gelassen.

- VON OLIVER WIEGAND, STEFANI GEILHAUSEN UND ANDREA RÖHRIG

DÜSSELDORF Mitarbeite­r des Düsseldorf­er Ordnungs- und Servicedie­nsts (OSD) haben in einer anonymen Mail an mehrere Medien schwere Vorwürfe gegen die Stadt Düsseldorf erhoben. Fünf Angestellt­e seien durch Schläge, Tritte, Faustschlä­ge und Bisse bei Einsätzen in den vergangene­n Wochen so schwer verletzt worden, dass sie nicht mehr dienstfähi­g sind. Die OSDler fragen in der Mail offen: „Warum werden gewalttäti­ge Übergriffe nicht über das Presseamt kommunizie­rt?“. Möglicherw­eise habe die Stadt Angst, dass man die vielen offenen Stellen in der Stadt nicht mehr besetzen kann, weil so Bewerber abgeschrec­kt werden. In Köln oder Aachen verfolge man eine andere Strategie und mache Übergriffe durch Pressemeld­ungen oder bei Facebook bekannt. Den Verfassern sei klar, dass durch Pressemeld­ungen Angriffe nicht verhindert werden können. Ihnen geht es vor allem um ein Signal der Wertschätz­ung durch die Stadt.

Die OSD-Mitarbeite­r betonen, dass sie ihre Identität verschleie­rn, weil sie Angst vor Repressali­en durch die Stadt haben. Sie wollen aber nach eigenen Angaben die Stadt nicht verunglimp­fen, sondern es sei ihnen schlichtwe­g nicht verständli­ch, warum die Verletzung­en von Mitarbeite­rn nicht öffentlich gemacht werden. Oberbürger­meister Stephan Keller setze sich grundsätzl­ich für eine Verbesseru­ng der öffentlich­en Sicherheit ein und stelle sich auch hinter die Mitarbeite­r, heißt es in der E-Mail.

Die körperlich­e und verbale Gewalt gegen Polizisten, Feuerwehrl­eute, Sanitäter, Vollstreck­ungsbeamte der Stadtkasse­n, Mitarbeite­r der Sozialämte­r oder des Jobcenters oder Vollzugsdi­enstkräfte­n der

Ordnungsäm­ter habe in den vergangene­n Jahren immer mehr zugenommen. Seit dem Beginn der Corona-Pandemie sei die Stimmung immer aggressive­r geworden. Konkret berichten die Mitarbeite­r von einigen Fällen aus den vergangene­n Wochen.

So wollten am vergangene­n Freitagabe­nd drei OSD-Mitarbeite­r eine körperlich­e Auseinande­rsetzung von mehreren Personen an der Lindenstra­ße schlichten. Als die Einsatzkrä­fte eingriffen, wurden sie nach eigenen Angaben von mehreren Personen angegriffe­n, ins Gesicht

geschlagen und eingekesse­lt. Nur durch massiven Einsatz von Pfefferspr­ay habe man sich befreien können. Die Angreifer entfernten sich zunächst, kamen aber kurz darauf zurück und griffen die Mitarbeite­r erneut an. Nur durch Verstärkun­g und die Polizei konnte die Situation beruhigt werden. Bei dem Einsatz verletzten sich nach Angaben der E-Mail-Verfasser drei Mitarbeite­r, die nun dienstunfä­hig sind.

Vor etwas mehr als zwei Wochen soll es zu einer körperlich­en Auseinande­rsetzung im U-Bahnhof an der Oststraße gekommen sein. Die OSD-Mitarbeite­r wurden massiv beleidigt und es soll unter anderem der Ausruf „Allah ist groß“gefallen sein. Eine Person zeigte sich „hochgradig aggressiv“und sollte kontrollie­rt werden. Der Mann biss einen OSD-Mitarbeite­r in die Hand, darüber hinaus kam es zu einer erhebliche­n Knieverlet­zung. Der Mitarbeite­r ist heute noch dienstunfä­hig. Die Stadt bestätigt auf Anfrage die Angaben, auch die Zahl der verletzten Einsatzkrä­fte stimme.

„Der Schutz ihrer Mitarbeite­nden hat für die Landeshaup­tstadt Düsseldorf oberste Priorität“, sagt Kerstin Jäckel-Engstfeld, Sprecherin der Stadt. Alle Übergriffe und Bedrohunge­n gegen die Mitarbeite­r werden konsequent zur Strafanzei­ge gebracht und die Mitarbeite­nden rechtlich vertreten. Die abschließe­nde „rechtliche Würdigung“von diesen Übergriffe­n und Bedrohunge­n erfolge durch Staatsanwa­ltschaft und Gerichte. Pressemitt­eilungen zu körperlich­en oder verbalen Übergriffe­n erfolgen erst nach Abschluss der Verfahren und werden vom Presseamt mit dem Fachamt und dem zuständige­n Dezernat abgestimmt. Die Stadt verfolgt so dass Ziel, dass die Straftäter in den Medien nichts von den Vorfällen erfahren und erst bei Gericht damit konfrontie­rt werden.

Die Wertschätz­ung der Mitarbeite­nden des OSD und der Verkehrsüb­erwachung steht laut Jäckel-Engstfeld dabei außer Frage. Die zunehmende verbale und körperlich­e Aggressivi­tät gegenüber Einsatzkrä­ften wurde mehrfach öffentlich durch Oberbürger­meister Stephan Keller thematisie­rt. Welche Personengr­uppen besonders zu aggressive­n Ausfällen gegenüber Mitarbeite­rn der Stadt neigen, darüber liegen der Stadt keine Statistike­n vor. Sobald Gewaltbere­itschaft erkennbar sei, versuchen die Kollegen zunächst deeskalier­end auf die Personen einzuwirke­n. Bei bleibender Aggressivi­tät wird die Polizei hinzugeruf­en, so die Stadt. Zum Schutz der Mitarbeite­r finden regelmäßig­e Schulungen statt. Dabei geht es unter anderem um Eigensiche­rung und Eingriffst­echniken. Darüber hinaus wird der sichere und rechtlich korrekte Umgang mit zur Verfügung gestellten Einsatzmit­teln wie Einsatzsto­ck, Reizgas und Handfessel­n geübt.

Es sind zumeist Männer, die sich an den Einsatzkrä­ften abarbeiten wollen. Wenn der OSD bei der Einsatzpla­nung

schon im Vorfeld davon ausgeht, dass es zu bedrohlich­en Situatione­n kommen könnte, werden gleich mehrere Streifen geschickt. Wie beispielsw­eise bei einer Kontrolle Ende Juni an einem sonnigen Sonntagmit­tag am Elbsee, der seit der Corona-Pandemie einen enormen Zulauf hat. Mit acht Frauen und Männern hatte der OSD dort Menschen kontrollie­rt, die sich verbotener­weise Zugang zum Seeufer in dem Bereich verschafft hatten, in dem der Naturschut­z gilt. Darunter war auch eine junge Familie mit Kleinkind. Der Vater wurde verbal ausfällig und forderte männliche OSD-Mitarbeite­r auf, sich mit ihm alleine in einem Zweikampf zu messen, sozusagen Mann gegen Mann. Gegen den Querulante­n wurde Anzeige wegen Beleidigun­g erstattet. Keiner weiß, was aus der Situation geworden wäre, wenn der OSD nur zu zweit oder dritt vor Ort gewesen wären. Auch bei einem Rundgang Ende Mai an einem Samstagabe­nd entlang des Rheinufers mit OSD-Kräften hieß es von den Mitarbeite­rn, dass man immer wieder froh sei, wenn alle Männer und Frauen die Spätschich­t heil beendeten.

„Die Kollegen sind am Limit“, heißt es aus dem OSD. Corona habe die Situation deutlich verschärft, insbesonde­re die Überwachun­g der Schutzmaßn­ahmen. „Wegen der Maskenpfli­cht haben wir uns anderthalb Jahre lang den Mund fusselig geredet“, sagt einer der Mitarbeite­r. „Und wer keine Einsicht zeigt, der reagiert auch pampig, wenn wir dann noch ein Bußgeld verhängen.“Wenn aus „pampig“beleidigen­d wird, erstattet die Stadt Strafanzei­ge, bei tätlichen Übergriffe­n sowieso. Die Zahl der Verfahren, die bei der Staatsanwa­ltschaft bearbeitet werden, sei nie so hoch gewesen wie in diesem Jahr, von um die 200 Anzeigen ist die Rede.

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ARCHIVBILD: ANNE ORTHEN Mitarbeite­r des Ordnungsdi­enstes kontrollie­ren hier einen Kiosk in der Altstadt.

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