„Maske, Abstand und Hygiene bleiben wichtig“
Die neue Leiterin des Kreisgesundheitsamtes appelliert, sich gegen Corona impfen zu lassen und die AHA-L-Regeln zu beachten.
Wie ist die Corona-Situation im Kreis Mettmann?
RUZICA SUSENBURGER Corona ist nicht verschwunden, sondern allgegenwärtig. Wir hatten bisher eine sommerliche Ruhephase. Aber trotz niedriger Inzidenzwerte dürfen wir die Regeln gegen die Pandemie nicht vernachlässigen.
In unseren Nachbarländern, aber auch in Deutschland steigen die Infektionszahlen seit kurzem wieder deutlich an. Woran liegt das?
SUSENBURGER Man muss sich für jedes Land die genauen Rahmenbedingungen anschauen. Was darf man dort, was darf man nicht. Wenn man sich beispielsweise Spanien anschaut, dann ist das eines der Haupt-Urlaubsziele. Urlaub ist für die Allermeisten mit Freiheit verbunden. Und da ist es dann nicht verwunderlich, dass die AHA-L-Regeln (Abstand halten-Hygiene beachten-Alltag mit Maske.Lüftung, d.Red.) in den Hintergrund treten.
Nehmen wir an – sie dürfen bestimmen und alle folgen. Was würden Sie anordnen, um Corona in Schach halten zu können?
SUSENBURGER Ich bin ganz konsequent. Der Abstand muss eingehalten werden, die Hygiene-Regeln sind zu beachten und ganz wichtig – die Maske muss getragen werden. Zudem kommt es auf unser Bewusstsein für die Lage an. Das bedeutet: Mit Symptomen bleibt man zu Hause und testet sich, auch wenn man einen leichten Schnupfen hat oder hustet – bleibt man zu Hause. Man muss sich sofort von anderen, vom Arbeitsplatz, von Freunden fernhalten und gesundwerden. Jede Nachlässigkeit ist Fahrlässigkeit – sich selbst – aber auch den anderen gegenüber.
Viele Menschen denken – ich bin zwei Mal geimpft, ich muss keine Maske mehr tragen oder nicht mehr so viel Abstand halten. Was sagen Sie zu solchen Äußerungen?
SUSENBURGER Sie sind geimpft, aber unter Umständen nicht alle anderen. Es kommt aber auf jeden Einzelnen an. Der eine ist mehr, der andere weniger gefährdet. Mit Rücksicht auf alle vulnerablen Gruppen müssen auch Geimpfte unbedingt bei den AHA-Regeln bleiben. Momentan haben wir die Impfquote noch nicht so weit oben, dass eine absolute Sicherheit für alle Menschen besteht.
Sie haben die Impfquote erwähnt: Wie sieht sie im Kreis Mettmann aus?
SUSENBURGER Mehr als 50 Prozent der hier Lebenden haben bereits die erste Impfung bekommen. Und knapp unter 50 Prozent haben bereits die zweite Impfung erhalten. Wir sind also insgesamt auf einem sehr guten Weg. Um weiter voranzukommen, setzen wir auf Aufklärung. Es soll beim Thema Impfen keinerlei Barrieren geben. Keine Verständnisschwierigkeiten wegen der Sprache. Und auch keine Wissenslücken. Wer Fragen hat, soll diese bitte stellen - im Impfzentrum oder per Mail an uns oder beim Hausarzt. Wenn es nach mir geht, sollen keine Fragen unbeantwortet bleiben.
Dennoch lässt die Impfbereitschaft gerade nach. Mittlerweile muss man sich gar keine Termine mehr geben lassen, sondern kann direkt in Erkrath Hochdahl vorfahren. Und dennoch sinkt die Zahl der Impflinge. Wie erklären Sie diesen Rückgang?
SUSENBURGER Seit anderthalb Jahren erleben Menschen Corona als globales Problem. Es verändert ihren Alltag grundlegend. Sie waren so eingeschränkt wie niemals zuvor. Denken Sie nur an die Schulkinder und den Unterricht auf Distanz. Ich glaube, da ist es menschlich, wenn man sich diese lange Zeit irgendwie wieder zurückholen will. Dann erlebt man den Impfstoff zurzeit nicht mehr als knappes, begehrtes Gut. Zudem sind die Inzidenzzahlen bislang sehr niedrig. Ich glaube da kommt vieles zusammen…
…mit der Delta-Variante, die viel ansteckender sein soll. Wie verändert die das Corona-Geschehen?
SUSENBURGER Mittlerweile gehen wir davon aus, dass 78 Prozent der Neuerkrankungen auf die Delta-Variante zurückgehen. Sie ist sehr ansteckend, aber sie ist mittlerweile unser Alltag – und wir werden lernen, auch damit umzugehen. Der R-Wert (Replikationszahl) liegt aktuell bei 1,2. Das bedeutet, ein an dieser Variante Erkrankter steckt mehr als eine weitere Person an. Das ist schlecht. Das müssen wir durch Impfen und Vorsicht in den Griff bekommen. Das Auftreten der Delta-Variante ging leider mit Lockerungen einher. Und mit dem persönlichen Gefühl, dass der Freiraum größer wird. Das ist eine gefährliche Mischung. Deshalb müssen wir auf die AHA-L-Regeln erneut sensibilisieren.
Ganz neu ist, dass im Impfzentrum des Kreises jetzt auch Kinder ab 12 geimpft werden dürfen. Unter Auflagen – es muss ein Kinderarzt da sein. Soll man Kinder jetzt rasch impfen – auch mit Blick auf die Schule, auf den Präsenzunterricht?
SUSENBURGER Es gibt da, glaube ich, keinen Königsweg. Das sage ich auch als Mutter zweier Kinder. Normalerweise würde Impfstoff über einen langen Zeitraum getestet. Das ist jetzt anders. Ich finde es deshalb richtig, vorsichtig und mit Bedacht vorzugehen. Denn auch Kinder sind eine vulnerable Gruppe. Auf der anderen Seite haben wir den Kindern in den zurückliegenden anderthalb Jahren eine Menge zugemutet. Das würde für ein rasches Durchimpfen sprechen. Doch ich bin dagegen, an dieser Stelle besonderen Druck zu machen. Besser wäre es, auch in dieser Gruppe noch einmal die Sinne für Abstand, Hygiene und Maske zu schärfen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn warnt vor Inzidenzwerten von 800 im Herbst, also in wenigen Wochen. Ist das zu düster?
SUSENBURGER Mit solchen Werten an die Öffentlichkeit zu gehen, ist immer ein Problem. Ich bin aber bei Herrn Spahn und freue mich lieber hinterher, wenn es nicht ganz so schlimm gekommen ist. Am Ende haben wir es alle selber in der Hand, durch unser Verhalten dazu beizutragen, dass es nicht soweit kommt.