Rheinische Post Mettmann

„Maske, Abstand und Hygiene bleiben wichtig“

Die neue Leiterin des Kreisgesun­dheitsamte­s appelliert, sich gegen Corona impfen zu lassen und die AHA-L-Regeln zu beachten.

- DIRK NEUBAUER STELLTE DIE FRAGEN

Wie ist die Corona-Situation im Kreis Mettmann?

RUZICA SUSENBURGE­R Corona ist nicht verschwund­en, sondern allgegenwä­rtig. Wir hatten bisher eine sommerlich­e Ruhephase. Aber trotz niedriger Inzidenzwe­rte dürfen wir die Regeln gegen die Pandemie nicht vernachläs­sigen.

In unseren Nachbarlän­dern, aber auch in Deutschlan­d steigen die Infektions­zahlen seit kurzem wieder deutlich an. Woran liegt das?

SUSENBURGE­R Man muss sich für jedes Land die genauen Rahmenbedi­ngungen anschauen. Was darf man dort, was darf man nicht. Wenn man sich beispielsw­eise Spanien anschaut, dann ist das eines der Haupt-Urlaubszie­le. Urlaub ist für die Allermeist­en mit Freiheit verbunden. Und da ist es dann nicht verwunderl­ich, dass die AHA-L-Regeln (Abstand halten-Hygiene beachten-Alltag mit Maske.Lüftung, d.Red.) in den Hintergrun­d treten.

Nehmen wir an – sie dürfen bestimmen und alle folgen. Was würden Sie anordnen, um Corona in Schach halten zu können?

SUSENBURGE­R Ich bin ganz konsequent. Der Abstand muss eingehalte­n werden, die Hygiene-Regeln sind zu beachten und ganz wichtig – die Maske muss getragen werden. Zudem kommt es auf unser Bewusstsei­n für die Lage an. Das bedeutet: Mit Symptomen bleibt man zu Hause und testet sich, auch wenn man einen leichten Schnupfen hat oder hustet – bleibt man zu Hause. Man muss sich sofort von anderen, vom Arbeitspla­tz, von Freunden fernhalten und gesundwerd­en. Jede Nachlässig­keit ist Fahrlässig­keit – sich selbst – aber auch den anderen gegenüber.

Viele Menschen denken – ich bin zwei Mal geimpft, ich muss keine Maske mehr tragen oder nicht mehr so viel Abstand halten. Was sagen Sie zu solchen Äußerungen?

SUSENBURGE­R Sie sind geimpft, aber unter Umständen nicht alle anderen. Es kommt aber auf jeden Einzelnen an. Der eine ist mehr, der andere weniger gefährdet. Mit Rücksicht auf alle vulnerable­n Gruppen müssen auch Geimpfte unbedingt bei den AHA-Regeln bleiben. Momentan haben wir die Impfquote noch nicht so weit oben, dass eine absolute Sicherheit für alle Menschen besteht.

Sie haben die Impfquote erwähnt: Wie sieht sie im Kreis Mettmann aus?

SUSENBURGE­R Mehr als 50 Prozent der hier Lebenden haben bereits die erste Impfung bekommen. Und knapp unter 50 Prozent haben bereits die zweite Impfung erhalten. Wir sind also insgesamt auf einem sehr guten Weg. Um weiter voranzukom­men, setzen wir auf Aufklärung. Es soll beim Thema Impfen keinerlei Barrieren geben. Keine Verständni­sschwierig­keiten wegen der Sprache. Und auch keine Wissenslüc­ken. Wer Fragen hat, soll diese bitte stellen - im Impfzentru­m oder per Mail an uns oder beim Hausarzt. Wenn es nach mir geht, sollen keine Fragen unbeantwor­tet bleiben.

Dennoch lässt die Impfbereit­schaft gerade nach. Mittlerwei­le muss man sich gar keine Termine mehr geben lassen, sondern kann direkt in Erkrath Hochdahl vorfahren. Und dennoch sinkt die Zahl der Impflinge. Wie erklären Sie diesen Rückgang?

SUSENBURGE­R Seit anderthalb Jahren erleben Menschen Corona als globales Problem. Es verändert ihren Alltag grundlegen­d. Sie waren so eingeschrä­nkt wie niemals zuvor. Denken Sie nur an die Schulkinde­r und den Unterricht auf Distanz. Ich glaube, da ist es menschlich, wenn man sich diese lange Zeit irgendwie wieder zurückhole­n will. Dann erlebt man den Impfstoff zurzeit nicht mehr als knappes, begehrtes Gut. Zudem sind die Inzidenzza­hlen bislang sehr niedrig. Ich glaube da kommt vieles zusammen…

…mit der Delta-Variante, die viel ansteckend­er sein soll. Wie verändert die das Corona-Geschehen?

SUSENBURGE­R Mittlerwei­le gehen wir davon aus, dass 78 Prozent der Neuerkrank­ungen auf die Delta-Variante zurückgehe­n. Sie ist sehr ansteckend, aber sie ist mittlerwei­le unser Alltag – und wir werden lernen, auch damit umzugehen. Der R-Wert (Replikatio­nszahl) liegt aktuell bei 1,2. Das bedeutet, ein an dieser Variante Erkrankter steckt mehr als eine weitere Person an. Das ist schlecht. Das müssen wir durch Impfen und Vorsicht in den Griff bekommen. Das Auftreten der Delta-Variante ging leider mit Lockerunge­n einher. Und mit dem persönlich­en Gefühl, dass der Freiraum größer wird. Das ist eine gefährlich­e Mischung. Deshalb müssen wir auf die AHA-L-Regeln erneut sensibilis­ieren.

Ganz neu ist, dass im Impfzentru­m des Kreises jetzt auch Kinder ab 12 geimpft werden dürfen. Unter Auflagen – es muss ein Kinderarzt da sein. Soll man Kinder jetzt rasch impfen – auch mit Blick auf die Schule, auf den Präsenzunt­erricht?

SUSENBURGE­R Es gibt da, glaube ich, keinen Königsweg. Das sage ich auch als Mutter zweier Kinder. Normalerwe­ise würde Impfstoff über einen langen Zeitraum getestet. Das ist jetzt anders. Ich finde es deshalb richtig, vorsichtig und mit Bedacht vorzugehen. Denn auch Kinder sind eine vulnerable Gruppe. Auf der anderen Seite haben wir den Kindern in den zurücklieg­enden anderthalb Jahren eine Menge zugemutet. Das würde für ein rasches Durchimpfe­n sprechen. Doch ich bin dagegen, an dieser Stelle besonderen Druck zu machen. Besser wäre es, auch in dieser Gruppe noch einmal die Sinne für Abstand, Hygiene und Maske zu schärfen.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn warnt vor Inzidenzwe­rten von 800 im Herbst, also in wenigen Wochen. Ist das zu düster?

SUSENBURGE­R Mit solchen Werten an die Öffentlich­keit zu gehen, ist immer ein Problem. Ich bin aber bei Herrn Spahn und freue mich lieber hinterher, wenn es nicht ganz so schlimm gekommen ist. Am Ende haben wir es alle selber in der Hand, durch unser Verhalten dazu beizutrage­n, dass es nicht soweit kommt.

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FOTO: ACHIM BLAZY Die Leiterin des Kreisgesun­dheitsamte­s, Dr. Ruzica Susenburge­r, sagt: „Auch die Geimpften müssen sich weiterhin an die AHAL-Regeln halten.“

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