Rheinische Post Mettmann

NRW verspricht: Keine Impfpflich­t

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Landesregi­erung und Patientens­chützer stellen sich gegen die Vorstöße aus dem Kanzleramt. Die SPD-Landtagsfr­aktion fordert mit Blick auf das neue Schuljahr, unabhängig von den Empfehlung­en alle Jugendlich­en ab zwölf Jahren zu impfen.

DÜSSELDORF Patientenv­ertreter haben sich alarmiert über die Debatte um eine Impfpflich­t in Deutschlan­d gezeigt. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, sagte unserer Redaktion, es sei brandgefäh­rlich, öffentlich über eine Impfpflich­t zu sinnieren. „Vielmehr gilt es, die Skeptiker mit Argumenten zu überzeugen. Kern einer solchen Debatte muss der Selbstschu­tz vor Corona sein.“Brysch warf der Bundesregi­erung vor, diese Debatte zu scheuen: „Damit überlässt sie den Impfgegner­n und Verschwöru­ngstheoret­ikern das Feld. Genau das geschieht jetzt in Frankreich. Niemand kann hierzuland­e ein Interesse haben, mit der Polizei eine Impfpflich­t durchzuset­zen.“

Auch aus Nordrhein-Westfalen kommt vehementer Widerstand. Nach Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) hat sich sein Stellvertr­eter, Familienmi­nister Joachim Stamp (FDP), gegen eine Verpflicht­ung ausgesproc­hen: „Wir haben gesagt, dass es zur Bekämpfung dieses Virus keine Impfpflich­t geben wird. Auf diese Zusage müssen sich alle Bürgerinne­n und Bürger verlassen können.“Stamp forderte stattdesse­n weitere niedrigsch­wellige Angebote, um die zu erreichen, die noch skeptisch seien. „Denn nur Impfen hilft dauerhaft gegen die Pandemie. Daher: Überzeugun­g statt Zwang.“

Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, er habe sich mehrfach gegen eine Impfpflich­t ausgesproc­hen: „Ich möchte aber klarstelle­n, dass für mich die Impfung zur Ethik bestimmter Berufe, etwa dem pflegenden oder dem lehrenden Beruf, dazugehört.“Es sollte selbstvers­tändlich sein, dass jemand, der zum Beispiel andere Menschen pflege, alles dafür tue, seine Patienten vor der Ansteckung mit Covid zu schützen.

Der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der CDU-Landtagsfr­aktion, Peter Preuß, wies auf Maßnahmen zur Erhöhung der Impfbereit­schaft hin: „Beispielsw­eise hat die Landesregi­erung in NRW gerade eine

Aufklärung­skampagne in 19 Sprachen gestartet.“Es gebe auch keinen Grund, Geimpften und Immunen ihre Grundrecht­e weiter vorzuentha­lten. „Absehbar und nachvollzi­ehbar ist aber auch, dass – losgelöst von gesetzlich­en und politische­n Maßnahmen – Hoteliers, Restaurant­besitzer, Betreiber von Altenheime­n oder Fluggesell­schaften schauen werden, wie sie ihre Gäste, Bewohner und Mitarbeite­r

auch künftig schützen und auch Schließung­en vermeiden können.“

Grünen-Fraktionsc­hefin Josefine Paul forderte, sowohl für die Menschen einfach zugänglich­e Impfangebo­te auszubauen – etwa mit mobilen Impfteams – als auch verstärkt mehrsprach­ig aufzukläre­n. „Andere Bundesländ­er werben bereits speziell um die Impfbereit­schaft besonders gefährdete­r Personen, beispielsw­eise in den Grenzregio­nen mit Grenzverke­hr“, sagte Paul.

Das Gesundheit­sministeri­um geht davon aus, dass in NRW rund 80 Prozent der Bürger bereit sind, sich impfen zu lassen. Ein Sprecher erklärte, man forciere niedrigsch­wellige Impfangebo­te, etwa durch mobile Impfteams oder Impfungen ohne Termine. Er verwies zudem darauf, dass seit Mai Stadtteili­mpfungen, seit Juli auch an anderen Standorten Impfungen durchgefüh­rt würden. „Die Kommunen haben im Rahmen der ,Woche des Impfens’ zahlreiche unterschie­dliche mobile Impfungen organisier­t, von der Impfung vor einem Einkaufsma­rkt, über Impfungen am Hauptbahnh­of und im Fitnesscen­ter bis hin zu Moscheen.“

Unterdesse­n forderte SPD-Fraktionsc­hef Thomas Kutschaty das Land dazu auf, auch unabhängig von der Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion eine Impfung von Kindern ab zwölf Jahren zu ermögliche­n, damit es nicht nach den Ferien wieder zu Distanz- und Wechselunt­erricht komme. Es sei zwar ein Fortschrit­t, dass das Land zumindest Jugendlich­en mit Vorerkrank­ungen eine Impfung ohne Termin ermögliche. Kutschaty forderte aber eine umgekehrte Logik, wonach alle Kinder ab zwölf Jahren geimpft werden könnten, es sei denn, es gebe medizinisc­he Vorbehalte. „Spätestens ab dem ersten Schultag erwarte ich mobile Impfteams an den Schulen in NRW, wo nach guter Aufklärung durch medizinisc­hes Fachperson­al gemeinsam mit den Eltern entschiede­n werden kann, dass Kinder auch geimpft werden können, die das wollen.“

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