NRW verspricht: Keine Impfpflicht
Landesregierung und Patientenschützer stellen sich gegen die Vorstöße aus dem Kanzleramt. Die SPD-Landtagsfraktion fordert mit Blick auf das neue Schuljahr, unabhängig von den Empfehlungen alle Jugendlichen ab zwölf Jahren zu impfen.
DÜSSELDORF Patientenvertreter haben sich alarmiert über die Debatte um eine Impfpflicht in Deutschland gezeigt. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, sagte unserer Redaktion, es sei brandgefährlich, öffentlich über eine Impfpflicht zu sinnieren. „Vielmehr gilt es, die Skeptiker mit Argumenten zu überzeugen. Kern einer solchen Debatte muss der Selbstschutz vor Corona sein.“Brysch warf der Bundesregierung vor, diese Debatte zu scheuen: „Damit überlässt sie den Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern das Feld. Genau das geschieht jetzt in Frankreich. Niemand kann hierzulande ein Interesse haben, mit der Polizei eine Impfpflicht durchzusetzen.“
Auch aus Nordrhein-Westfalen kommt vehementer Widerstand. Nach Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat sich sein Stellvertreter, Familienminister Joachim Stamp (FDP), gegen eine Verpflichtung ausgesprochen: „Wir haben gesagt, dass es zur Bekämpfung dieses Virus keine Impfpflicht geben wird. Auf diese Zusage müssen sich alle Bürgerinnen und Bürger verlassen können.“Stamp forderte stattdessen weitere niedrigschwellige Angebote, um die zu erreichen, die noch skeptisch seien. „Denn nur Impfen hilft dauerhaft gegen die Pandemie. Daher: Überzeugung statt Zwang.“
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, er habe sich mehrfach gegen eine Impfpflicht ausgesprochen: „Ich möchte aber klarstellen, dass für mich die Impfung zur Ethik bestimmter Berufe, etwa dem pflegenden oder dem lehrenden Beruf, dazugehört.“Es sollte selbstverständlich sein, dass jemand, der zum Beispiel andere Menschen pflege, alles dafür tue, seine Patienten vor der Ansteckung mit Covid zu schützen.
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Peter Preuß, wies auf Maßnahmen zur Erhöhung der Impfbereitschaft hin: „Beispielsweise hat die Landesregierung in NRW gerade eine
Aufklärungskampagne in 19 Sprachen gestartet.“Es gebe auch keinen Grund, Geimpften und Immunen ihre Grundrechte weiter vorzuenthalten. „Absehbar und nachvollziehbar ist aber auch, dass – losgelöst von gesetzlichen und politischen Maßnahmen – Hoteliers, Restaurantbesitzer, Betreiber von Altenheimen oder Fluggesellschaften schauen werden, wie sie ihre Gäste, Bewohner und Mitarbeiter
auch künftig schützen und auch Schließungen vermeiden können.“
Grünen-Fraktionschefin Josefine Paul forderte, sowohl für die Menschen einfach zugängliche Impfangebote auszubauen – etwa mit mobilen Impfteams – als auch verstärkt mehrsprachig aufzuklären. „Andere Bundesländer werben bereits speziell um die Impfbereitschaft besonders gefährdeter Personen, beispielsweise in den Grenzregionen mit Grenzverkehr“, sagte Paul.
Das Gesundheitsministerium geht davon aus, dass in NRW rund 80 Prozent der Bürger bereit sind, sich impfen zu lassen. Ein Sprecher erklärte, man forciere niedrigschwellige Impfangebote, etwa durch mobile Impfteams oder Impfungen ohne Termine. Er verwies zudem darauf, dass seit Mai Stadtteilimpfungen, seit Juli auch an anderen Standorten Impfungen durchgeführt würden. „Die Kommunen haben im Rahmen der ,Woche des Impfens’ zahlreiche unterschiedliche mobile Impfungen organisiert, von der Impfung vor einem Einkaufsmarkt, über Impfungen am Hauptbahnhof und im Fitnesscenter bis hin zu Moscheen.“
Unterdessen forderte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty das Land dazu auf, auch unabhängig von der Empfehlung der Ständigen Impfkommission eine Impfung von Kindern ab zwölf Jahren zu ermöglichen, damit es nicht nach den Ferien wieder zu Distanz- und Wechselunterricht komme. Es sei zwar ein Fortschritt, dass das Land zumindest Jugendlichen mit Vorerkrankungen eine Impfung ohne Termin ermögliche. Kutschaty forderte aber eine umgekehrte Logik, wonach alle Kinder ab zwölf Jahren geimpft werden könnten, es sei denn, es gebe medizinische Vorbehalte. „Spätestens ab dem ersten Schultag erwarte ich mobile Impfteams an den Schulen in NRW, wo nach guter Aufklärung durch medizinisches Fachpersonal gemeinsam mit den Eltern entschieden werden kann, dass Kinder auch geimpft werden können, die das wollen.“