Der schwierige Umgang mit dem „N-Wort“
Annalena Baerbock ist keine Rassistin – auch nicht verdeckt. Dass ihr jetzt in einem TV-Interview aus Versehen das „N-Wort“herausrutschte, macht sie nicht zur Komplizin, auch wenn sie damit gegen die selbst gesetzten Standards der Grünen verstieß. Sie misst auch nicht mit zweierlei Maß, weil sie einst ihren Parteifreund Boris Palmer dafür scharf kritisierte. Denn der benutzte das „N-Wort“in einem rassistischen Zusammenhang. Inzwischen hat sich die Kanzlerkandidatin der Grünen über Twitter entschuldigt. Denn die Grünen und auch viele Aktivistinnen und Aktivisten, die sich für die Rechte schwarzer Menschen einsetzen, sind der Meinung, dass auch die reine Wiedergabe des „N-Worts“die Diskriminierung reproduziere und deshalb von vielen als Beleidigung empfunden werde.
Das ist folgerichtig. Allerdings kann man daraus nicht einen allgemeinen Standard für eine freie Gesellschaft entwickeln. Die berechtigte Sorge vor einer zu häufigen Wiederholung des Wortes darf nicht dazu führen, dass die gesamte Debatte rassistische, sexistische oder antisemitische Ausdrücke immer umschreiben muss. Es ist die konkrete Benennung solcher Begriffe, die mehr Klarheit bringt und in der Folge sogar helfen kann, Diskriminierungen abzubauen.
Die bewusste Ausklammerung anstößiger Formulierungen führt zu einer Tabuisierung der Diskussion und – im Extremfall – gar zu einem unfreien Meinungsklima. Das ist nicht die Intention derer, die sich für die Rechte schwarzer Menschen einsetzen. Aber alle müssen sich im Klaren sein, dass die freie Debatte ein so hohes Gut ist, dass sie nur im Ausnahmefall beschränkt werden darf. Rassistische Äußerungen sind so ein Ausnahmefall, ein sorgfältiger und sensibler Umgang mit dem „N-Wort“zu Klärung bestimmter Sachverhalte dagegen nicht.
BERICHT