Benedikts Kritik ist unverantwortlich
Der Papst macht wieder einmal Kirchenpolitik. Nicht aber der amtierende, der emeritierte. Benedikt XVI. wirft in einem schriftlich geführten Interview den katholischen Amtsträgern hierzulande vor, dass sie eben genau das seien: Vertreter bloß einer Amtskirche und somit Sprecher eines Apparats, aber keine wahren Verkünder des Glaubens. Die Folge davon sei der anhaltende Auszug der Menschen aus der Welt des Glaubens. Das ist – salopp gesprochen – starker Kirchentobak. Denn nicht der sexuelle Missbrauch vieler katholischer Priester lässt also nach Benedikts Worten die Menschen auf Distanz zu ihrer Kirche gehen. Vielmehr soll es der Mangel an persönlichen Glaubenszeugnissen sein.
Bereits vor zwei Jahren hatte sich Benedikt auf die Ursachenforschung für den Missbrauchsskandal begeben. Damals war es die studentische 68er-Bewegung, die Maßstäbe in Fragen der Sexualität habe wegbrechen lassen und letztlich den Niedergang katholischer Moraltheologie begünstigte. Nun ist die deutsche Amtskirche in seine Kritik geraten, die Benedikt mit ihren vielfältigen wie auch einflussreichen Laienverbänden immer schon ein Dorn im Auge gewesen ist. Und der Zeitpunkt ist mit Bedacht gewählt: Mitten in der Endphase des Synodalen Wegs werden Benedikts Worte auch zu einem scharfen Kommentar gegen deutsche Reformbemühungen. Dass er zudem schriftlich Auskunft gab, lässt keinen Zweifel daran, dass seine Worte genau gewählt wurden.
Man muss fragen dürfen, auf welchen Erfahrungen Benedikts Amtsträger-Kritik eigentlich fußt, der nach eigenem Bekunden in seinem langen Priesterleben nur ein knappes Jahr als Seelsorger tätig war – damals, als 24-jähriger Kaplan. Die andere Frage, ob solche Einmischungen des emeritierten Papstes unverantwortlich sind, lässt sich leichter beantworten – mit Ja. BERICHT