Rheinische Post Mettmann

Immer mehr Frauen haben keine Hebamme

Die Zahl der Geburten steigt – doch der Mangel an Hebammen in Düsseldorf ist groß, vor allem in den Ferien.

- VON VERENA KENSBOCK

DÜSSELDORF Viele schwangere Frauen in Düsseldorf haben Probleme, eine Hebamme zu finden. Die Versorgung in der Landeshaup­tstadt liegt hier weit unter dem Durchschni­tt, wie eine Auswertung der AOK zeigt. Demnach kommen auf 1000 Geburten in Düsseldorf 16,3 ambulant tätige Hebammen, die sich um die Frauen und die Kinder im Wochenbett kümmern. In anderen Teilen Nordrhein-Westfalens ist die Lage deutlich besser – im benachbart­en Kreis Mettmann etwa sind es 30,6 Hebammen, im Rheinisch-Bergischen Kreis sogar 53,4.

Diese Unterverso­rgung bekommen Annette Sträßer und Nina de Sousa, das Team der Hebammenze­ntrale in Düsseldorf, täglich mit. Die Zentrale wurde 2015 von der Stadt gegründet und finanziert, um Geburtshel­ferinnen an werdende Eltern zu vermitteln. Die Nachfrage sei riesig, das Telefon stehe kaum still, sagt Annette Sträßer, die selbst seit mehr als 30 Jahren als Hebamme tätig ist.

Jede gesetzlich versichert­e Frau hat während der Schwangers­chaft, der Geburt, dem Wochenbett und der Stillzeit Anspruch auf die Hilfe durch eine Hebamme. In Düsseldorf bleiben dennoch viele ohne. Die Zahl der Anfragen und die Zahl der abgewiesen­en Frauen wird immer höher. Im vergangene­n Jahr hatten sich 5622 werdende Eltern bei der Zentrale gemeldet auf der Suche nach einer Hebamme – 3245 konnten nicht vermittelt werden. Im Jahr zuvor waren es noch 1981 erfolglose Anfragen, 2018 waren es 1674. Zwar hat auch die Hebammenze­ntrale in den vergangene­n Jahren an Bekannthei­t gewonnen. Doch die Not der Frauen, die ohne Hilfe bleiben, ist groß, sagt Annette Sträßer.

Rund 8800 Geburten gibt es jedes Jahr in Düsseldorf. In diesem Jahr könnten es sogar noch mehr werden, das Universitä­tsklinikum spricht gar von einem „Babyboom“. Von Februar bis Mai habe es „jeweils deutlich mehr Geburten als im Vorjahr“gegeben. Insgesamt seien es in diesem Jahr mehr als 1000 gewesen, sogar Drillinge waren dabei.

Jedoch sind in der Landeshaup­tstadt dem Gesundheit­samt zufolge nur 151 Hebammen gemeldet, um sich um die Eltern und Kinder zu kümmern, 120 von ihnen arbeiten freiberufl­ich. Ebenso viele sind bei der Hebammenze­ntrale gemeldet. Hinzu kommen Geburtshel­ferinnen, die nicht in Düsseldorf ihren Wohnsitz haben, aber in der Landeshaup­tstadt tätig sind. Wie viele von ihnen in Teilzeit arbeiten, wird nirgendwo erfasst. Aufgrund des hohen Frauenante­ils dürften es aber viele sein, sagt Annette Sträßer.

Der aktuelle Babyboom bedeutet für die Hebammen in der Uniklinik auch Herausford­erungen, so eine Sprecherin. 23 Vollzeitst­ellen für Hebammen gibt es dort in der

Geburtshil­fe, fünf sind tagsüber vor Ort, drei in der Spät- und Nachtschic­ht. Schwierig sei, allen Frauen gerecht zu werden. Bei einem sehr hohen Geburtenau­fkommen könne es zum Beispiel sein, dass eine Eins-zu-Eins-Betreuung nicht jederzeit möglich sei. Die leitende Hebamme, Sandra Persaud, sieht die angespannt­e Situation jedoch nicht in der stationäre­n, sondern in der ambulanten Versorgung – also in der Vor- und Nachsorge der Schwangere­n. Dabei ähnele die Situation in Düsseldorf der in vielen anderen Großstädte­n, sagt Annette Sträßer von der Hebammenze­ntrale. Der Anteil junger Menschen ist groß, die Zahl der Geburten steigt. Jedoch fehlt vielen jungen Eltern das Netzwerk in der Stadt, sagt die Hebamme. „Viele haben weder Familie hier noch Freunde, die sich mit Kindern auskennen“, sagt sie. Gerade diese Frauen bräuchten besonders dringen die Unterstütz­ung, sie seien zum Teil verzweifel­t.

Wenn die Frauen nach der Geburt die Klinik verlassen, haben sie oftmals noch keinen Milcheinsc­huss,

der Nabel des Babys ist noch nicht abgefallen, das Kind hat noch nicht zugenommen, die Naht ist noch nicht verheilt. Mit Fragen und Problemen müssen die Eltern dann zum Kinder- oder Frauenarzt gehen oder zu einer Hebammenpr­axis, von denen es in der Stadt auch nicht viele gebe und die Öffnungsze­iten eingeschrä­nkt seien. An der Uniklinik etwa gibt es die Wochenbett­ambulanz. Am Wochenende oder in den Ferien bleibt die Hilfe mitunter aber komplett aus.

Jede Woche verschickt die Hebammenze­ntrale darum eine Rundmail an alle Geburtshel­ferinnen in ihrem Verteiler. Darin steht eine anonymisie­rte Liste mit den Frauen, die kurz vor ihrem Entbindung­stermin stehen oder gerade entbunden haben und noch dringend eine Hebamme suchen. „Es ist unglaublic­h, wie viele es gerade jetzt in den Sommerferi­en sind.“Manchmal werden sie noch vermittelt, manchmal, wenn die Familien in der Nähe wohnen, sagt Sträßer, übernimmt sie sie selbst.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Nina de Sousa und Annette Sträßer (v.l.) arbeiten in der Hebammenze­ntrale, die 2015 gegründet wurde.

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