Auswanderer nach bösen Überraschungen zurück in Ratingen
Ohne Obdach und ohne Job steckte Thomas Brunner mehr als ein Jahr in Kambodscha im Dschungel fest.
RATINGEN „Die letzten Wochen war ich sehr verzweifelt“, so Auswanderer Thomas Brunner. „Ich dachte, ich komme da nie wieder heraus.“Das Leben hatte für den Ratinger Thomas Brunner in den vergangenen Jahren ein paar böse Überraschungen auf Lager. Der Hotelier machte sich in Kambodscha zunächst als Schweinezüchter selbstständig. Die Schweinepest machte diese Existenz zunichte. Ein Hotel-Resort, das er später betrieb, musste er wegen Corona aufgeben. Ohne Obdach und ohne Arbeit steckte Brunner ein Jahr und vier Monate im kambodschanischen Dschungel fest. Er bezog eine leerstehende Holzhütte mitten im Dschungel und hielt sich durch Gelegenheitsarbeiten über Wasser.
Und dann geschah etwas, mit dem der Ratinger nicht mehr gerechnet hatte: „Die Deutsche Botschaft rief mich an.“Warum, ist ihm bis heute ein Rätsel. Er hatte alles versucht, das Land zu verlassen – sich auch bei der Botschaft und bei Kirchengemeinden gemeldet – doch hatte überall einen Korb bekommen. Umso erstaunter war er, als das Telefon klingelte und man ihm einen Heimflug nach Deutschland in Aussicht stellte.
Dreimal musste sich Brunner auf den beschwerlichen Weg in die Hauptstadt nach Phnom Penh machen, um die erforderlichen Papiere zu beschaffen, einen PCR-Test zu absolvieren und schließlich sein Ticket in Empfang zu nehmen. Zu Fuß ging es ins nächste Dorf. „Dort habe ich Mopedfahrer angehalten, die mich zur nächsten Bushaltestelle mitgenommen haben“, erzählt Brunner. Dann ging es noch einmal etwa drei Stunden bis in die Hauptstadt.
Bis zu dem Moment als er den Flieger bestieg, mochte Thomas Brunner es kaum glauben, dass er das Land verlassen kann. Mitgenommen hat er so gut wie nichts. Ein paar Hemden, ein Paar Schuhe, Papiere. „Die Dorfgemeinschaft in Kambodscha hat mich aufgenommen und auch unterstützt. Was ich dort verdient habe, hat zwar zum Überleben gereicht, ein Rückflug war jedoch unbezahlbar“, so Brunner.
30 Kilogramm hat er in der Zeit abgenommen, sich weitgehend von Reis und Nudelsuppe ernährt und fast alle Wege zu Fuß unternommen.
In Frankfurt angekommen machte sich Brunner gleich auf den Weg in seine alte Heimat. In Lintorf ist er aufgewachsen und hat bis 1984 dort gelebt, bevor es ihn in die weite Welt zog. „Es ist so schön, wieder hier zu sein“, schwärmt er. „Ich habe schon viel zu Fuß erkundet und einiges wiedererkannt.“Unterschlupf fand Brunner im Hotel Lintorf. „Ich bin der Familie Reichert für ihre Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft unendlich dankbar“, so Brunner. Von der Botschaft wurde er nur mit einer Art Notgeld ausgestattet. Ohne die Unterstützung hätte er in einer Notunterkunft unterkommen müssen. Deshalb versucht der Ratinger jetzt mit Vollgas wieder Boden unter die Füße zu bekommen. „Ich fühle mich fit und will arbeiten“, sagt er. Er hat beim Jobcenter zwar Hilfe beantragt, aber „Es widerstrebt mir, vom Amt zu leben.“Auch den Rentenantrag hat der 65-Jährige inzwischen auf den Weg gebracht. „Doch das dauert.“
Was Brunner derzeit am meisten schätzt? „Eine Dusche und ein Badezimmer. Statt mich im Fluss zu waschen, kann ich jetzt einfach den Hahn aufdrehen.“Ein Fernseher auf dem Zimmer ist für Brunner der pure Luxus. „Endlich kann ich die Nachrichten in aller Welt verfolgen.“Als Erstes gönnte sich der Heimkehrer eine Currywurst und trank nach
38 Jahren sein erstes deutsches Bier.
Jetzt aber will er Gas geben, um endlich seine Familie wieder in die Arme schließen zu können, die er seit einem Jahr und fünf Monaten nicht gesehen hat. Ehefrau und seine drei Töchter leben auf den Philippinen, haben ihm aber die ganze Zeit im Dschungel mental beigestanden und Kraft gegeben. „Sonst hätte ich es nicht geschafft.“