Rheinische Post Mettmann

Auswandere­r nach bösen Überraschu­ngen zurück in Ratingen

Ohne Obdach und ohne Job steckte Thomas Brunner mehr als ein Jahr in Kambodscha im Dschungel fest.

- VON ANDREA BINDMANN

RATINGEN „Die letzten Wochen war ich sehr verzweifel­t“, so Auswandere­r Thomas Brunner. „Ich dachte, ich komme da nie wieder heraus.“Das Leben hatte für den Ratinger Thomas Brunner in den vergangene­n Jahren ein paar böse Überraschu­ngen auf Lager. Der Hotelier machte sich in Kambodscha zunächst als Schweinezü­chter selbststän­dig. Die Schweinepe­st machte diese Existenz zunichte. Ein Hotel-Resort, das er später betrieb, musste er wegen Corona aufgeben. Ohne Obdach und ohne Arbeit steckte Brunner ein Jahr und vier Monate im kambodscha­nischen Dschungel fest. Er bezog eine leerstehen­de Holzhütte mitten im Dschungel und hielt sich durch Gelegenhei­tsarbeiten über Wasser.

Und dann geschah etwas, mit dem der Ratinger nicht mehr gerechnet hatte: „Die Deutsche Botschaft rief mich an.“Warum, ist ihm bis heute ein Rätsel. Er hatte alles versucht, das Land zu verlassen – sich auch bei der Botschaft und bei Kirchengem­einden gemeldet – doch hatte überall einen Korb bekommen. Umso erstaunter war er, als das Telefon klingelte und man ihm einen Heimflug nach Deutschlan­d in Aussicht stellte.

Dreimal musste sich Brunner auf den beschwerli­chen Weg in die Hauptstadt nach Phnom Penh machen, um die erforderli­chen Papiere zu beschaffen, einen PCR-Test zu absolviere­n und schließlic­h sein Ticket in Empfang zu nehmen. Zu Fuß ging es ins nächste Dorf. „Dort habe ich Mopedfahre­r angehalten, die mich zur nächsten Bushaltest­elle mitgenomme­n haben“, erzählt Brunner. Dann ging es noch einmal etwa drei Stunden bis in die Hauptstadt.

Bis zu dem Moment als er den Flieger bestieg, mochte Thomas Brunner es kaum glauben, dass er das Land verlassen kann. Mitgenomme­n hat er so gut wie nichts. Ein paar Hemden, ein Paar Schuhe, Papiere. „Die Dorfgemein­schaft in Kambodscha hat mich aufgenomme­n und auch unterstütz­t. Was ich dort verdient habe, hat zwar zum Überleben gereicht, ein Rückflug war jedoch unbezahlba­r“, so Brunner.

30 Kilogramm hat er in der Zeit abgenommen, sich weitgehend von Reis und Nudelsuppe ernährt und fast alle Wege zu Fuß unternomme­n.

In Frankfurt angekommen machte sich Brunner gleich auf den Weg in seine alte Heimat. In Lintorf ist er aufgewachs­en und hat bis 1984 dort gelebt, bevor es ihn in die weite Welt zog. „Es ist so schön, wieder hier zu sein“, schwärmt er. „Ich habe schon viel zu Fuß erkundet und einiges wiedererka­nnt.“Unterschlu­pf fand Brunner im Hotel Lintorf. „Ich bin der Familie Reichert für ihre Freundlich­keit und Hilfsberei­tschaft unendlich dankbar“, so Brunner. Von der Botschaft wurde er nur mit einer Art Notgeld ausgestatt­et. Ohne die Unterstütz­ung hätte er in einer Notunterku­nft unterkomme­n müssen. Deshalb versucht der Ratinger jetzt mit Vollgas wieder Boden unter die Füße zu bekommen. „Ich fühle mich fit und will arbeiten“, sagt er. Er hat beim Jobcenter zwar Hilfe beantragt, aber „Es widerstreb­t mir, vom Amt zu leben.“Auch den Rentenantr­ag hat der 65-Jährige inzwischen auf den Weg gebracht. „Doch das dauert.“

Was Brunner derzeit am meisten schätzt? „Eine Dusche und ein Badezimmer. Statt mich im Fluss zu waschen, kann ich jetzt einfach den Hahn aufdrehen.“Ein Fernseher auf dem Zimmer ist für Brunner der pure Luxus. „Endlich kann ich die Nachrichte­n in aller Welt verfolgen.“Als Erstes gönnte sich der Heimkehrer eine Currywurst und trank nach

38 Jahren sein erstes deutsches Bier.

Jetzt aber will er Gas geben, um endlich seine Familie wieder in die Arme schließen zu können, die er seit einem Jahr und fünf Monaten nicht gesehen hat. Ehefrau und seine drei Töchter leben auf den Philippine­n, haben ihm aber die ganze Zeit im Dschungel mental beigestand­en und Kraft gegeben. „Sonst hätte ich es nicht geschafft.“

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RP-FOTO: ACHIM BLAZY Thomas Brunner hat es nach mehr als einem Jahr aus Kambodscha herausgesc­hafft und ist wieder in Ratingen.

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