Eine Bühnenfotografin ohne jede Eitelkeit
Vor 100 Jahren wurde Lore Bermbach geboren. Seit 1961 fotografierte sie für alle Intendanten am Düsseldorfer Schauspielhaus.
DÜSSELDORF 100 Jahre alt wäre die fast schon legendäre Theater- und Portraitfotografin Lore Bermbach am 27. Juli geworden. Sie war ab 1962 alleinige Chronistin des Düsseldorfer Schauspielhauses, begleitete die Inszenierungen der Intendanten Karl-Heinz Stroux, Ulrich Brecht, Günther Beelitz, Volker Canaris und Anna Badora. Ihre enge Verbindung zum Theater reicht sogar noch weiter zurück.
Bereits in der Ära Gustaf Gründgens war die gebürtige Mönchengladbacherin Mitarbeiterin der Fotografin Liselotte Strelow. In deren Atelier hatte sie ihre Lehre beendet, nachdem der Studiengang Fotografie am Berliner Lette-Haus kriegsbedingt abgebrochen werden musste. 1948 absolvierte sie ihre Meisterprüfung.
2001 zog sich Lore Bermbach zurück und überließ das Feld des Düsseldorfer Theaters ihrer ehemaligen Auszubildenden und späteren Mitarbeiterin Sonja Rothweiler. „Sie war mir Vorbild und Freundin“, sagt sie: „Nie spielte sie sich in den Vordergrund. Ihren klaren Blick auf die Dinge habe ich immer bewundert.“So geschätzt Lore Bermbach in Künstlerkreisen auch war: Bei jedem Intendantenwechsel musste ihre Weiterbeschäftigung am Schauspielhaus neu verhandelt werden. Ankommende Chefs pflegen traditionell ihre eigenen Fotografen einzustellen, so ist es bis heute. „Es war jedes Mal ein Kampf“, bestätigt Sonja Rothweiler, „aber immer konnte sie sich behaupten. Besonders Volker Canaris setzte sich für Lore Bermbach ein, der hatte ja sehr viel Ahnung von Fotografie.“Auch für Sonja Rothweiler sind die Aufträge am Schauspielhaus inzwischen Geschichte, dem Bereich Kultur aber blieb sie treu. Sie arbeitet weiterhin als freie Fotografin für Theater und Museen.
Lore Bermbach starb am 22. November 2015 mit 94 Jahren bei der Familie ihres Sohnes Till in Bonn. Dessen Frau, die Kunsthistorikerin Susannah Cremer-Bermbach, erinnert sich an viele anregende Gespräche, die sie mit ihrer Schwiegermutter
geführt hat. „Sie verstand ihre Fotografie als Handwerk, war immer skeptisch, sie dem Begriff Kunst zuzuordnen“, erzählt sie: „Andererseits bewunderte sie Fotokünstler wie Andreas Gursky oder Hiroshi Sugimoto. Die Grenzen waren fließend.“
Nie sei es Lore Bermbach darum gegangen, die Entstehung einer Inszenierung bloß zu dokumentieren. „Sie wollte immer den richtigen Moment erwischen und mit ihren Fotos das Konzentrat der Aussage eines Stücks erfassen“, erzählt Cremer-Bermbach: „Deshalb bereitete sie sich auch so akribisch vor.“Sowohl im Theater als auch bei ihren feinfühligen Portraits, vielfach von Künstlern, sei ihr die Schwarzweiß-Fotografie entgegengekommen: „Sie hob alles hervor, was ihr wichtig war – Kontraste, Lichteinfall, Komposition, Grafik.
Farbe lenkte in ihren Augen nur vom Wesentlichen ab.“Dennoch habe Lore Bermbach ihr eigenes künstlerisches Empfinden grundsätzlich der Sache untergeordnet, sagt ihre Schwiegertochter: „Sie wusste sehr wohl um den jeweiligen Zeitgeist, der am Theater gefragt war. Wie stellen wir uns auf attraktive Weise dar? Wie locken wir das Publikum an? Diese wechselnden Vorgaben hat sie stets beherzigt.“
Bermbachs Lebensgefährte war Gerhard Kerss, Architekt und Herausgeber mehrerer Bücher. „Er nahm mich manchmal mit auf seine Exkursionen“, berichtet Sonja Rothweiler, „auch von ihm habe ich viel gelernt.“Der Sohn der beiden, Till Bermbach, hat ebenfalls Architektur studiert. Er arbeitet in Bonn
beim Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung und kümmert sich um die Bauten der Bundesrepublik im europäischen Ausland. Kürzlich hat die Familie beschlossen, weitere in ihrem Besitz befindliche Fotografien von Lore Bermbach dem Archiv des Düsseldorfer Theatermuseums zu überlassen, das bisher schon den größten Teil des Nachlasses verwaltet und betreut. So wird ihr Werk weiterleben und die Fotografin unvergessen machen.
In einer Würdigung ihres Schaffens hieß es nach Lore Bermbachs Tod: „Ihre Unaufdringlichkeit und Distanz erlaubten ihr, auf Proben auch unter den Schauspielern auf der Bühne zu fotografieren. Ihre Portraits suchten den Künstler, den Menschen jenseits seiner Eitelkeit.“