Krüge aus dem 15. Jahrhundert gefunden
Bei Ausgrabungen am Alter Markt in Gerresheim sind jetzt neue Funde aufgetaucht – eine archäologische Sensation.
GERRESHEIM Bei der Vorbereitung eines geplanten Bauvorhabens in Gerresheim entdeckten Archäologen der Fachfirma Planum 1 aus Erftstadt im Frühjahr eine bis dato unbekannte Gerberei am Alter Markt. Die folgende Freilegung wurde eng von den Bodendenkmalpflegern des Instituts für Denkmalschutz und Denkmalpflege der Stadt sowie den Mitarbeitern des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland begleitet. Nun gab es weitere Funde.
Von Beginn an stand die Vermutung im Raum, dass sich neben Befunden des 19. Jahrhunderts auch ältere Strukturen erhalten haben könnten, die für eine frühere Siedlungsphase des Areals sprechen. Dieser Verdacht wurde nun durch neue Funde bestätigt.
Inmitten der Grabungsfläche konnte ein Brunnenring aus Grauschiefer freigelegt werden. Um einen Brunnen datieren zu können, ist es wichtig, den Inhalt des Schachtes zu untersuchen. Nach der aktiven Nutzung des Brunnens früher wurde der Schacht offenbar sukzessive verfüllt. Neben organischen Abfällen aller Art gelangten so unter anderem auch Keramikscherben hinein, die heute einen Hinweis auf die Epoche liefern. „Es ist bei freigelegten Brunnen natürlich häufig so, dass, je tiefer man kommt, auch immer mehr zutage tritt“, sagt Gerald Volker Grimm, der mit zu dem Archäologen-Team unter Leitung von Kerstin Lehmann gehörte.
Und genauso kam es dann auch: Neben einer Vielzahl von stark fragmentierten Gefäßscherben konnten insgesamt vier renaissancezeitliche Trichterhalskrüge geborgen werden, die fast vollständig erhalten sind und hauptsächlich während des 15. bis 16. Jahrhunderts hergestellt wurden. „Das war natürlich schon sehr ungewöhnlich und ziemlich spannend, damit hatten wir nun wirklich nicht gerechnet“, sagt Grimm, „ich fühlte mich ein bisschen wie in einem Spielfilm, das war schon absurd.“
Diese Krüge wurden einst in Töpfereien in Siegburg produziert und gelangten als begehrte Handelsware nach Düsseldorf. Aufgrund ihrer Form und Qualität zählen Trichterhalskrüge
zu den Gefäßen des gehobenen Bedarfs. Sowohl der kleine Durchmesser der Gefäßöffnung als auch das geringe Fassungsvermögen der Krüge von rund 100 Millilitern weisen darauf hin, dass die Gefäße bei besonderen Anlässen zum Einsatz kamen und nur für einen „gesitteten“Trinkgenuss vorgesehen waren.
Die kleinen Krüge waren häufig aufwändig verziert. Dabei reichte das Bildspektrum von figürlichen Szenen aus dem Alltagsleben oder der Bibel, Pflanzendarstellungen, Fantasieporträts oder Wappen bis hin zu Tierwesen. Neben floralen Motiven kommen im Inventar des
Gerresheimer Brunnens mindestens drei figürliche Darstellungen vor. Eine Szene zeigt eine Frau mit einem Amor und einem Narren auf einer Bank. Auf der Rückseite des Bechers befindet sich eine Abbildung von Adam und Eva und dem Baum der Erkenntnis aus dem Alten Testament.
Die dritte figürliche Auflage auf den Gerresheimer Krügen bildet abermals eine biblische Szene ab. Dabei handelt es sich um die Auferstehung Christi. In der Darstellung entsteigt Christus einem Sarkophag. In seiner linken Hand befindet sich ein Kreuz. Flankiert wird der steinerne Sarg von fünf Wächtern. Beide
Krüge finden ihre stempelgleichen Analogien in der Sammlung des Düsseldorfer Hetjens-Museums. Der Krug mit der Auferstehungsszene datiert dabei auf das Jahr 1580. Ob die Krüge als Abfall absichtlich entsorgt wurden oder aber durch ein Missgeschick in den Brunnen gelangten, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden.
Auch wenn die endgültige Bearbeitung und wissenschaftliche Auswertung der Grabung noch aussteht, bietet der erste Eindruck über das facettenreiche Fundspektrum einen durchaus faszinierenden Einblick in das Wirtschaft- und Alltagsleben zu unterschiedlichen Zeiten im historischen Zentrum von Gerresheim. Laut Gerald Volker Grimm seien die Ausgrabungsarbeiten an dieser Stelle nun erst einmal abgeschlossen. „Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass womöglich an anderer Stelle in diesem Bereich noch etwas im Boden liegt.“Über den weiteren Verbleib der Funde wird noch entschieden.