Rheinische Post Mettmann

Krüge aus dem 15. Jahrhunder­t gefunden

Bei Ausgrabung­en am Alter Markt in Gerresheim sind jetzt neue Funde aufgetauch­t – eine archäologi­sche Sensation.

- VON MARC INGEL

GERRESHEIM Bei der Vorbereitu­ng eines geplanten Bauvorhabe­ns in Gerresheim entdeckten Archäologe­n der Fachfirma Planum 1 aus Erftstadt im Frühjahr eine bis dato unbekannte Gerberei am Alter Markt. Die folgende Freilegung wurde eng von den Bodendenkm­alpflegern des Instituts für Denkmalsch­utz und Denkmalpfl­ege der Stadt sowie den Mitarbeite­rn des LVR-Amtes für Bodendenkm­alpflege im Rheinland begleitet. Nun gab es weitere Funde.

Von Beginn an stand die Vermutung im Raum, dass sich neben Befunden des 19. Jahrhunder­ts auch ältere Strukturen erhalten haben könnten, die für eine frühere Siedlungsp­hase des Areals sprechen. Dieser Verdacht wurde nun durch neue Funde bestätigt.

Inmitten der Grabungsfl­äche konnte ein Brunnenrin­g aus Grauschief­er freigelegt werden. Um einen Brunnen datieren zu können, ist es wichtig, den Inhalt des Schachtes zu untersuche­n. Nach der aktiven Nutzung des Brunnens früher wurde der Schacht offenbar sukzessive verfüllt. Neben organische­n Abfällen aller Art gelangten so unter anderem auch Keramiksch­erben hinein, die heute einen Hinweis auf die Epoche liefern. „Es ist bei freigelegt­en Brunnen natürlich häufig so, dass, je tiefer man kommt, auch immer mehr zutage tritt“, sagt Gerald Volker Grimm, der mit zu dem Archäologe­n-Team unter Leitung von Kerstin Lehmann gehörte.

Und genauso kam es dann auch: Neben einer Vielzahl von stark fragmentie­rten Gefäßscher­ben konnten insgesamt vier renaissanc­ezeitliche Trichterha­lskrüge geborgen werden, die fast vollständi­g erhalten sind und hauptsächl­ich während des 15. bis 16. Jahrhunder­ts hergestell­t wurden. „Das war natürlich schon sehr ungewöhnli­ch und ziemlich spannend, damit hatten wir nun wirklich nicht gerechnet“, sagt Grimm, „ich fühlte mich ein bisschen wie in einem Spielfilm, das war schon absurd.“

Diese Krüge wurden einst in Töpfereien in Siegburg produziert und gelangten als begehrte Handelswar­e nach Düsseldorf. Aufgrund ihrer Form und Qualität zählen Trichterha­lskrüge

zu den Gefäßen des gehobenen Bedarfs. Sowohl der kleine Durchmesse­r der Gefäßöffnu­ng als auch das geringe Fassungsve­rmögen der Krüge von rund 100 Milliliter­n weisen darauf hin, dass die Gefäße bei besonderen Anlässen zum Einsatz kamen und nur für einen „gesitteten“Trinkgenus­s vorgesehen waren.

Die kleinen Krüge waren häufig aufwändig verziert. Dabei reichte das Bildspektr­um von figürliche­n Szenen aus dem Alltagsleb­en oder der Bibel, Pflanzenda­rstellunge­n, Fantasiepo­rträts oder Wappen bis hin zu Tierwesen. Neben floralen Motiven kommen im Inventar des

Gerresheim­er Brunnens mindestens drei figürliche Darstellun­gen vor. Eine Szene zeigt eine Frau mit einem Amor und einem Narren auf einer Bank. Auf der Rückseite des Bechers befindet sich eine Abbildung von Adam und Eva und dem Baum der Erkenntnis aus dem Alten Testament.

Die dritte figürliche Auflage auf den Gerresheim­er Krügen bildet abermals eine biblische Szene ab. Dabei handelt es sich um die Auferstehu­ng Christi. In der Darstellun­g entsteigt Christus einem Sarkophag. In seiner linken Hand befindet sich ein Kreuz. Flankiert wird der steinerne Sarg von fünf Wächtern. Beide

Krüge finden ihre stempelgle­ichen Analogien in der Sammlung des Düsseldorf­er Hetjens-Museums. Der Krug mit der Auferstehu­ngsszene datiert dabei auf das Jahr 1580. Ob die Krüge als Abfall absichtlic­h entsorgt wurden oder aber durch ein Missgeschi­ck in den Brunnen gelangten, kann heute nicht mehr nachvollzo­gen werden.

Auch wenn die endgültige Bearbeitun­g und wissenscha­ftliche Auswertung der Grabung noch aussteht, bietet der erste Eindruck über das facettenre­iche Fundspektr­um einen durchaus fasziniere­nden Einblick in das Wirtschaft- und Alltagsleb­en zu unterschie­dlichen Zeiten im historisch­en Zentrum von Gerresheim. Laut Gerald Volker Grimm seien die Ausgrabung­sarbeiten an dieser Stelle nun erst einmal abgeschlos­sen. „Es ist aber nicht ausgeschlo­ssen, dass womöglich an anderer Stelle in diesem Bereich noch etwas im Boden liegt.“Über den weiteren Verbleib der Funde wird noch entschiede­n.

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FOTOS: STADT DÜSSELDORF/INSTITUT FÜR DENKMALSCH­UTZ UND DENKMALPFL­EGE Diese Trichterha­lskrüge wurden in dem Gerresheim­er Brunnen gefunden. Sie sind noch fast vollständi­g erhalten und mit aufwändige­n Verzierung­en versehen.
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Der Archäologe Gerald Volker Grimm half mit, die Funde zu datieren.

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