„Da geht es nur ums schnelle Geld“
Lieferdienste versprechen Essen auf die Couch in nur zehn Minuten – wie aber geht es den Kurieren? Ein Flink-Fahrer berichtet.
DÜSSELDORF Man kann sich von Robert D. eigentlich alles per App liefern lassen: Chips für den Filmabend, Brötchen fürs Frühstück, Fleisch zum Grillen. Innerhalb von zehn Minuten, so das Versprechen, soll man den Einkauf zu Hause haben. Robert D. arbeitet bei Flink in Düsseldorf – doch die Bedingungen bei dem Lieferdienst sind offenbar prekär. Er berichtet von mangelhafter Ausrüstung, unfairen Kündigungen in der Probezeit und Kollegen, die ihre Miete nicht zahlen können.
Robert D. heißt eigentlich anders, er möchte anonym bleiben. Seit Januar ist er bei dem Lieferdienst beschäftigt, für ihn ein Mittel zum Zweck, um über die Runden zu kommen, bis er etwas Anderes hat. Er sei dort noch einer der „Privilegierteren“, sagt D. Die meisten seiner Kollegen sprächen, anders als er, kaum Deutsch, sind auf der Suche nach einem Job und könnten sich nur schwer gegen die Schikanen wehren, die D. im Gespräch immer wieder beschreibt.
Wie viele seiner Kollegen hat D. einen 30-Stunden-Vertrag, andere sind in Vollzeit angestellt. Derzeit komme jedoch kaum einer der Beschäftigten auf die Arbeitszeiten, die in ihren Verträgen stehen. Sie bekämen zu wenige Stunden eingeteilt, aber nur die tatsächlich gearbeiteten Zeiten bezahlt. Das belegen Verläufe aus internen Chats des Standorts in Flingern. Vor allem nach der Schließung einer Filiale in Oberbilk waren Mitarbeiter offenbar komplett ohne Stunden. In einigen Fällen, sagt Robert D., könnten Kollegen ihre Miete nicht mehr zahlen.
Das Problem: Flink habe in Düsseldorf zu Beginn des Jahres zu viel Personal eingestellt. „Die Leute standen Schlange und jeder hat einen Vertrag bekommen“, berichtet Robert D. Seit 2021 ist Flink im Stadtgebiet vertreten. Das Unternehmen hat vier Standorte, neben Flingern gibt es noch Verteilstellen in Friedrichstadt, Oberkassel und Kalkum. Die Station in Oberbilk wurde kürzlich wieder geschlossen.
Flink bestätigt den Personalüberhang, begründet ihn aber lediglich mit der Standortschließung. Das Unternehmen befinde sich noch im Aufbau seines Standortnetzes, heißt es. Dabei komme es immer wieder zu „Fehleinschätzungen“. „Dementsprechend kann es passieren, dass wir Standorte schließen und, wie auch in Düsseldorf, dann neue Standorte in für uns besserer Lage wieder öffnen“, so ein Sprecher. In Fall der Filiale in Oberbilk habe das nicht nahtlos funktioniert, darum habe es zu viel Personal für die anderen Standorte gegeben. Man hatte darum keine andere Wahl, als den Personalstamm innerhalb der Probezeit anzupassen, heißt es. Sprich: Mitarbeiter zu kündigen. Entschieden werde dabei nach dem „Leistungsprinzip“. Unentschuldigtes Nichterscheinen zur vereinbarten Arbeitszeit sei etwa ein Grund, sich von Mitarbeitern zu trennen.
Dass das aber nicht immer fair vonstattengeht, legen die Berichte von Robert D. nahe. So komme es immer wieder vor, dass die Wünsche für Arbeitstage und Schichten nicht berücksichtigt werden. Das belegen ebenfalls Nachrichten aus dem internen Chat. Wer trotz der unerwünschten Schichten dreimal nicht zur Arbeit erscheine, bekomme die Kündigung.
Wie viele Menschen für Flink in Düsseldorf arbeiten, verrät das Unternehmen nicht. Auch Robert D. kann nicht überblicken, wie viel Personal es in der Filiale in Flingern gibt, es sei ein ständiges Kommen und Gehen. Zugleich würden die Schichten knapp besetzt: Zehn Fahrer arbeiten D. zufolge pro Schicht an dem Standort in Flingern. Drei Personen stellen die Einkäufe zusammen, zwei übernehmen im Warenhaus die Logistik. Sie verdienen 13 Euro die Stunde, sagt D., manche Kunden geben noch Trinkgeld.
Gelockt wurden viele Mitarbeiter auch mit Boni, sagt Robert D. So sollten die Kuriere, wenn sie die Bestellungen besonders schnell ausliefern, ein Extrageld bekommen. Dieses Bonusprogramm wurde jedoch schon nach zwei Monaten eingestellt, wie eine interne E-Mail belegt. Mit fairer Bezahlung habe das nichts zu tun, sagt Robert D. „Da geht es nur ums schnelle Geld.“
Die Ausstattung der Kuriere sei mangelhaft, sagt Robert D. zudem, die Fahrräder seien oftmals kaputt, Bremsen funktionierten nicht, Helme passten nicht richtig. „Die Sicherheit unserer Fahrer und Mitarbeiter ist für Flink eine absolute Priorität“, heißt es dazu von Flink. Die Ausrüstung und die Fahrräder würden regelmäßig von Servicepartnern gewartet und gecheckt, alle Mitarbeiter erhielten Schulungen zur Arbeitssicherheit. Komme es trotzdem zu Problemen, stehe ein Team vor Ort zur Verfügung, um die Fehler zu beheben.
Für Robert D. liegen viele Probleme im Umgang der Führungskräfte mit den Beschäftigten begründet. „Die Mentalität ist am Boden“, sagt er. Darum gingen viele Mitarbeiter etwa nicht pfleglich mit den Rädern um. Dass die Arbeitsbedingungen bei Lieferdiensten mangelhaft sind, ist nicht neu. Das Fairwork Deutschland 2021 Rating hat die Arbeitsstandards in der Plattformökonomie untersucht. Demnach steht Flink noch vergleichsweise gut da mit sechs von zehn möglichen Punkten. Zum Vergleich: Der Anbieter Gorillas hat nur zwei Punkte. Eingeflossen sind etwa faire Bezahlung und Arbeitsbedingungen wie soziale Absicherung, Verträge und Mitbestimmung.
In Düsseldorf sieht es so aus, als habe der Lieferdienst zumindest vorerst mit dem Einstellen von Personal aufgehört. Auf der Jobseite von Flink sind keine Stellen mehr in der Landeshauptstadt ausgeschrieben.