Mit Leidenschaft und Sendungsbewusstsein
Eine internationale Riege kommt zu einem Symposium nach Düsseldorf, das die Bedeutung von Privatsammlungen erörtert.
DÜSSELDORF Die Referentin mit der längsten Anreise dürfte Zita Cobb sein. Mehr als 4000 Kilometer wird die auf Fogo Island vor Neufundland geborene „Sozialunternehmerin“hinter sich bringen müssen, um auf dem Düsseldorfer Symposium „Rhineland Independent“von einem gigantischen Abenteuer der Kunst zu berichten. Sie ist in den 50er-Jahren geboren als Fischerstochter mit sechs Brüdern und dank beruflichen Aufstiegs Multimillionärin geworden. Als wegen neu festgelegter Fischfangkontingente der wirtschaftliche Untergang ihrer Heimat drohte, entschloss sie sich zu einigen Heldentaten. Sie kehrte zurück, um die überschaubare Insel mit unerwarteten Strategien zukunftstüchtig zu machen. Cobbs Story ist ein Abenteuer, das nach Sozialmärchen klingt und neben angekurbeltem Fünf-Sterne-Tourismus elementar mit Kunst zu tun hat. Ein Abenteuer, das zeigt, wie ein bedrohtes, wunderschönes Fleckchen Erde und seine 2500 Einwohner mithilfe der Kunst gerettet werden konnten.
Demgegenüber stehen die Düsseldorfer Stifter und Sammler – alle selbstbestimmt und wohlhabend – vergleichsweise komfortabel da. Ihre repräsentativen Sammlungshäuser sind es, die dazu beitragen, dass die Landeshauptstadt das Label der florierenden Kunststadt trägt. Sie sind die Herzkammer der Kunst. Mit den privat getragenen Kunsthäusern – wenn man Thomas Schüttes prächtige Skulpturenhalle dazurechnet, sind es fünf – hat Düsseldorf ein Alleinstellungsmerkmal weit über die Grenzen von NRW hinaus.
Seit 2004 ist in den Feldern westlich von Düsseldorf mit der Langen Foundation ein architektonisch hochgepriesenes Ausstellungshaus in Betrieb. Vor 15 Jahren eröffnete Julia Stoschek ihre medial top ausgestattete Kollektion in der Oberkasseler Schanzenstraße mit Glamourfaktor, einem unvergleichlichen
Programm und spannenden Förderinitiativen. Wenig später, 2008, machte die Unternehmerin Monika Schnetkamp mit ihrer Arthena-Stiftung das Kai 10 im Medienhafen auf, das in schicken hellen Räumen wohltemperierte, qualitätsvolle Ausstellungen anbietet. Schließlich nahm 2016 der Immobilienentwickler und Kunstsammler Gil Bronner viel Geld in die Hand und wandelte im Düsseldorfer Norden eine Glasfabrik in sein Kunsthaus Philara um, das es mit hippen US-Avantgarde-Hotspots durchaus aufnehmen kann. Über Geld reden sie alle nicht, ihre Betriebe führen sie autonom, zu manchen Ausstellungen werben sie Fördergelder ein.
Sie alle verlassen sich bei ihrem Kunstbetrieb auf außergewöhnlich kluge Frauen. Es sind diese Sammlungsleiterinnen oder Direktorinnen, die sich im losen Bündnis schon seit Jahren strategisch besprechen. Die starken Frauen in der zweiten Reihe verliehen ihrer Initiative
den Namen „Rhineland Independent“. Um das rheinländische Profil zu betonen, außerdem die Unabhängigkeit von Inhalten. Diese Frauen, zu denen sich Karla Zerressen in einer Sonderrolle als Mitinhaberin und Geschäftsführerin der Langen Foundation gesellt, haben erstmals eine internationale Standortbestimmung in Form eines Symposiums angeregt und daraus einen ganz eigenen Rechercheauftrag abgeleitet.
Privatmuseen boomen. Das wirft viele Fragen auf. Was bedeutet Mäzenatentum im 21. Jahrhundert? Welche Potenziale stecken in diesen staatlich nicht regulierten Ausstellungshäusern, welchen Einfluss können große private Kunstsammlungen mit ihrer Ausstellungsaktivität auf den staatlichen Kunstbetrieb nehmen? Was treibt die Sammlerinnen und Sammler eigentlich an, ihr Vermögen in einem Kunstbetrieb anzulegen? Wo entsteht gesunde
Konkurrenz, wo darf man von Ergänzung sprechen? Entspringt derartig hohes Engagement für die Kunst einem Traditionsgedanken, Eitelkeit, Statusdenken – oder entsteht solche Aktivität vielleicht nur in der Absicht, Steuern zu sparen?
„Jede Sammlung ist ein Porträt“, so die Behauptung im Vortrag von Kulturjournalistin Lisa Zeitz. Der niederländische Kultursoziologe Olav Velthuis aus Amsterdam fabuliert darüber, ob mit der Rückkehr der alten Medici zu rechnen sei. Auf der anderen Seite tritt ein kritischer Mahner auf, Tobias Knoblich, Kulturdezernent aus Erfurt und Vorsitzender der Kulturpolitischen Gesellschaft, der behauptet, wir hätten genug Museen, man müsse das vorhandene Überangebot besser nutzen.
Die beiden Vortragstage sind in Themenkomplexe gegliedert, die Julia Höner (Kai 10), Mara Sporn (Langen Foundation), Katharina Klang (Philara) und Anna-Alexandra Pfau (JSC) klug gegliedert haben: Was haben Sammler im Kopf, wie sehen ihre Konzepte aus? Freitag um 15 Uhr versammelt sich die Düsseldorfer Sammlerriege zu einem Podiumsgespräch. Motive privaten Sammelns werden in einem weiteren Block beleuchtet, am nächsten Tag sollen zukunftsorientierte Synergien thematisiert werden.
Die renommierte Referentenschar, in der Mehrzahl Frauen, reist aus vielen Ländern der Welt an. Die Zusammenarbeit mit der HeinrichHeine-Universität lag auf der Hand, da dort Ulli Segers als Professorin Kunstvermittlung und Kunstmanagement lehrt. Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) hat die Fördergelder freigegeben und wird am Freitagmorgen eröffnende Worte sprechen.
Über allem und allen Beteiligten schwebt der Leitgedanke dieses Symposiums: „Between Passion and Mission“– Leidenschaft und Sendungsbewusstsein. Ohne dies geht in der Kunst nichts.