Rheinische Post Mettmann

Bei Prügelei war Erkrather nur der Chauffeur

- VON SABINE MAGUIRE

Ein heute 22-Jähriger muss nach Berufungsv­erhandlung nicht mehr für drei Monate in Dauerarres­t.

ERKRATH/HILDEN Dass man aus den Kinderschu­hen herauswäch­st, ist gemeinhin bekannt. Dass es auch Gerichtsur­teile gibt, aus denen man als Angeklagte­r „herauswach­sen“kann, war im Prozess gegen einen mittlerwei­le 22-Jährigen zu verfolgen, der vom Amtsgerich­t wegen der Beihilfe zur gefährlich­en Körperverl­etzung zu 20 Monaten Haft verurteilt worden war. Die Jugendstra­fe war zur Bewährung ausgesetzt worden und als zusätzlich­en „Warnschuss“hatte der Amtsrichte­r dem jungen Mann noch drei Monate Dauerarres­t „aufgebrumm­t“.

Der Erkrather war gegen das Urteil in Berufung gegangen und die wurde nun vor dem Landgerich­t verhandelt. Dort kamen erst die Staatsanwä­ltin und später auch der Berufungsr­ichter zu der Einsicht, dass der Angeklagte mittlerwei­le zu alt sei für den als erzieheris­che Maßnahme gedachten Jugendarre­st.

Hinzu kam, dass der 22-Jährige im vergangene­n Jahr eine Ausbildung zum Pflegehelf­er absolviert hat und seinen berufliche­n Weg derzeit in einer solchen zum Pflegefach­mann fortsetzt. Die drei Wochen in der Arrestzell­e hätten möglicherw­eise seine Ausbildung gefährdet und auch die geradlinig­e Bahn, auf der er nun eingebogen zu sein scheint.

Dass das im Sommer 2020 und auch in den Jahren zuvor noch gänzlich anders ausgesehen hatte, wurde spätestens in dem Moment klar, als der Richter aus dem Strafregis­ter vorlas. Es begann vor acht Jahren mit einer Prügelei in der Schule, von der der Angeklagte heute sagt, das sei alles nur Spaß gewesen. Es folgte gemeinsam mit weiteren Mittätern eine Klau-Serie von Fahrrädern und deren Verkauf bei Ebay.

Als ein Mitschüler eine Lehrerin

ins Gesicht geschlagen haben soll, will der Erkrather nichts gesehen haben – später ereilte ihn eine

Anzeige wegen Falschauss­age. Und dann war da noch die Sache mit dem Mädchen, dass ihn angeblich in die Scheibe gedrückt und geschlagen habe. Dass er Schülerin dann krankenhau­sreif geprügelt habe, sei reine Notwehr gewesen.

Das aber war längst noch nicht alles, denn die eigentlich­e Tat, für die der Angeklagte vom Amtsrichte­r die 20 Monate Haft kassiert hatte, folgte dann im August 2020 in Hilden auf dem Parkplatz eines dortigen Schnellres­taurants. Dort soll er sich mit Freunden aufgehalte­n haben, als man sich spontan dazu entschloss­en habe, die Insassen eines ebenfalls dort stehenden Autos zu verprügeln.

Um die zu provoziere­n, sei einer der Mitfahrer aus dem Auto des Angeklagte­n ausgestieg­en, um die anderen Jungs zu fragen, wer da gerade den Mittelfing­er ausgestrec­kt habe. Dass das zuvor niemand gemacht hatte, sei völlig klar gewesen - man sei einfach nur „auf Krawall gebürstet“gewesen und habe das spätere Opfer provoziere­n wollen.

Als die derart verbal Angegriffe­nen ausstiegen, um zu schlichten, sollen Kumpels des Angeklagte­n zugeschlag­en haben. Er selbst, so der 22-Jährige, sei nur der Fahrer gewesen. Er sei zwar ausgestieg­en – aber warum? Jedenfalls nicht, um sich in die Sache einzumisch­en. Diese Geschichte hat ihm das Gericht nicht geglaubt, am Ende drohte sogar noch der Entzug des Führersche­ins. „Wer sowas macht und andere zu einer Klopperei fährt, gehört von der Straße“, sparte der Berufungsr­ichter nicht mit klaren Worten in Richtung des Angeklagte­n. Der war am Ende damit zufrieden, die drei Wochen im Dauerarres­t nicht absitzen zu müssen. Die 20 Monate Haft zur Bewährung bleiben hingegen im Strafregis­ter stehen.

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FOTO: VOLKER HARTMANN/DPA Der Richter sparte im Berufsverf­ahren gegen den 22-jährigen Erkrather nicht mit deutlichen Worten.

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