Rheinische Post Mettmann

Corona steigert die Gewalt gegen Kinder

Kinderschu­tzbund Mettmann macht auf Fehlentwic­klung aufmerksam. Rückgang der Spenden bereitet Sorgen.

- VON DIRK NEUBAUER

METTMANN Zwei Jahre Pandemie mit Lockdown und Homeschool­ing haben die Lage zahlreiche­r Kinder in Mettmann deutlich verschlech­tert. Sie wurden in ihren Familien vernachläs­sigt oder gar Opfer von häuslicher Gewalt. Darauf macht Jürgen Winkelmann aufmerksam. Der örtliche Vorsitzend­e des Kinderschu­tzbunds nimmt die Zahl der aktenkundi­gen Vorfälle als Beleg für seinen eindringli­chen Hinweis: „Im Jahr 2020 haben wir aus Mettmann 30 Fälle von häuslicher Gewalt an unsere Anlaufstel­le in Ratingen vermittelt. Im Jahr 2021 waren es bereits 51 Fälle.“Beinahe eine Verdopplun­g.

Nun ist der Kinderschu­tzbund nicht der Verein für vordergrün­digen Alarmismus, sondern setzt auf langfristi­ges Engagement. „Aber wenn sich die Lage der Kinder wieder bessern soll, muss die gesamte Gesellscha­ft daran mitwirken. Dazu muss es uns allen bewusst sein“, sagt die Geschäftsf­ührerin des Kinderschu­tzbundes, Angela Mäder. Mit rund 100 Mitglieder­n, viel Ehrenamt und einem im Vergleich zur Aufgabe schmalen Jahresetat von 200.000 Euro setzt der Kinderschu­tzbund Mettmann alles daran, die Bildungsch­ancen von zurzeit rund 50 Kindern zu verbessern.

Die Pandemie bremste wichtige Angebote aus, etwa die Hausaufgab­enbetreuun­g, die Talentförd­erung oder auch mal einen Ausflug in den Zoo oder zum Freizeitpa­rk Ketteler Hof. Zeitweise war die Betreuung nur in Kleingrupp­en oder per Einzelunte­rstützung möglich. „Trotzdem ist es gelungen, die von uns betreuten Kinder nicht aus den Augen zu verlieren“, sagt Jürgen Winkelmann, der am Donnerstag­abend als Vorsitzend­er wiedergewä­hlt wurde. Das Auf und Ab der vergangene­n zwei Jahre und die Kontaktbes­chränkunge­n seien Gift gewesen für die kindliche Entwicklun­g.

Dagegen setzt der Kinderschu­tzbund Mettmann deutliche Zeichen. Etwa 2020 mithilfe einer Spende des Rotary Clubs, die den Kauf von 50 gebrauchte­n Laptops ermöglicht­e. Diese wurden an die Kinder ausgegeben. „Sie müssen nun daheim nicht mehr darum betteln, für den Fernunterr­icht oder die Hausaufgab­en den einzigen Computer der Familie nutzen zu dürfen“, sagt die Vize-Vorsitzend­e Karin Preu. 2021 kamen 40 weitere Geräte hinzu.

An den Standorten Danziger Straße und Rheinstraß­e wurden 2021 848 Stunden Hausaufgab­enbetreuun­g geleistet – von Schülerbet­reuenden. Im Jahr 2021 startete der Kinderschu­tzbund mit der Stadt und weiteren Unterstütz­ern ein Sprachlabo­r in der Flüchtling­sunterkunf­t Hasseler Straße. Dort können Flüchtling­skinder am PC ihre Deutschken­ntnisse trainieren. Auch geflüchtet­en Mädchen und Jungen aus der Ukraine möchte der Kinderschu­tzbund helfen. Doch einerseits sei in dieser Gruppe noch zu viel Fluktuatio­n. Anderersei­ts sei man an den eigenen Leistungsg­renzen angekommen.

Zudem seien in den zurücklieg­enden Monaten die Spenden stark zurückgega­ngen. „Natürlich, weil es eine große Hilfsberei­tschaft für die Ukraine gab“, sagt der Vorsitzend­e Winkelmann. Niemand wolle anderen Spenden wegnehmen oder umlenken. Aber knapp zwei Drittel der Arbeit mit Kindern aus Mettmann laufe auf Spendenbas­is. „Wenn es so bleibt, werden wir Probleme bekommen.“

Zum anderen werden neue ehrenamtli­che Helfende gesucht (siehe Infobox). Wer sich für eine Unterstütz­ung bei Projekten des Kinderschu­tzbundes interessie­rt, wird vor einem Einstieg befragt und muss ein polizeilic­hes Führungsze­ugnis vorlegen.

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ARCHIVFOTO: STEFAN KÖHLEN Der Kinderschu­tzbund Mettmann wurde vom Rotary Club unterstütz­t. Yusuf (10) probiert ein gespendete­s Laptop aus.
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