Sorge vor Wölfen auch im Münsterland
In der Hohen Mark zwischen Borken und Recklinghausen ist nun ein Tier fest ansässig. Im benachbarten Wolfsgebiet Schermbeck macht ein schon länger heimisches Rudel Probleme. Das Land plant, ein weiteres Areal auszuweisen.
RECKLINGHAUSEN/DÜSSELDORF Nachdem in der Hohen Mark im Bereich der Kreise Borken und Recklinghausen nun ein Wolf als fest ansässig gilt, werden in der Region skeptische Stimmen laut: „Meine persönliche Meinung ist klar: Der Wolf hat in einer so dicht besiedelten Kulturlandschaft wie dem Münsterland, dem angrenzenden Ruhrgebiet und dem Niederrhein nichts verloren“, sagte Kai Zwicker (CDU), Landrat des Kreises Borken, unserer Redaktion. Man müsse nun „Aufklärung betreiben, den Wolf vielleicht auch vergrämen und ihn im Falle eines Falles zur Not entnehmen“– jedenfalls, wenn es zum Schutz der Bevölkerung erforderlich wäre. „Entnahme“meint den Abschuss.
Der Wolfsrüde mit der offiziellen Kennung GW2347m ist binnen eines knappen Jahres wiederholt durch Kotfunde in Waldgebieten der Hohen Mark genetisch nachgewiesen worden. Er ist vermutlich zwei Jahre alt, zugewandert aus einem Rudel in Niedersachsen, und bewegt sich offenbar zwischen Haltern am See und der Gemeinde Reken. Der Bereich liegt noch innerhalb der Pufferzone, die das benachbarte Wolfsgebiet Schermbeck umgibt.
Die Landesregierung plant nun die Ausweisung eines Wolfsgebiets in der Hohen Mark und will „kurzfristig“einen Vorschlag dazu auf dem Tisch haben, wie es aus dem Umweltministerium heißt: „Dabei ist zu prüfen, ob ein zweites oder ein erweitertes Wolfsgebiet ausgewiesen werden wird.“Das Schermbecker Territorium könnte also auch einfach vergrößert werden.
Während das dort ansässige Rudel immer wieder durch Angriffe auf Nutztiere aufgefallen ist, hat der Wolf aus der Hohen Mark nach Angaben des Umweltministeriums bislang keine Schäden verursacht. Naturschützer dringen darauf, alles dafür zu tun, dass ein Miteinander von Wolf und Mensch von Anfang an funktioniert. „Entscheidend ist, dass die Leute vor Ort Unterstützung und Entschädigungen bekommen, dass sie informiert werden und dass wirksame Schutzmaßnahmen auch wirklich umgesetzt werden“, forderte Thomas Pusch vom Landesfachausschuss Wolf beim Naturschutzbund in NRW.
Das Wolfsgebiet Schermbeck wurde im Herbst 2018 ausgewiesen. Seitdem hat das Land Nordrhein-Westfalen für den Herdenschutz in dem Areal und in der umgebenden Pufferzone nach eigenen Angaben insgesamt mehr als 1,1 Millionen Euro an Fördermitteln ausgezahlt. Als Entschädigungen für gerissene Weidetiere seien bislang knapp 45.000 Euro geflossen.
Welche Kosten entstehen, wenn nun ein zweites oder größeres Wolfsgebiet festgelegt wird, ist noch völlig unklar. Aussagen dazu seien „gegenwärtig aufgrund der laufenden Planungen nicht möglich“, heißt es aus dem Umweltministerium: Es werde davon abhängen, wie groß das Areal wird, wie weit die neue Pufferzone darum herum reicht – und davon, wie viele Förderanträge es gibt.
Bislang hat sich in dieser Hinsicht in der betroffenen Gegend noch nicht viel getan: „Es gibt vereinzelte Anfragen“, sagte eine Sprecherin der zuständigen Landwirtschaftskammer. Es wäre aber, riet sie, grundsätzlich sinnvoll, wenn Tierhalter sich frühzeitig Gedanken machten. Der SPD-Landtagsabgeordnete René Schneider hat die Wolfspolitik der Landesregierung in der Vergangenheit als zu zögerlich kritisiert, auch jetzt fordert er Tempo. „Wenn wir nicht sofort damit beginnen, Weidetiere zu schützen, potenzieren sich die Probleme“, sagte er voraus: „Der nächste Herbst kommt, und wir sind keinen Schritt weiter.“
Auch der Landrat des Kreises Recklinghausen, Bodo Klimpel (CDU), betonte: „Angesichts der Vorfälle mit Nutztieren kann ich die Sorgen der Bürger sehr gut nachvollziehen.“Sicherheit müsse immer vorgehen. Er will aber auch die positiven Aspekte der Entwicklung sehen: „Aus Naturschutzsicht ist die Wiederansiedlung von Wölfen sicherlich ein Erfolg.“
Thomas Pusch vom Naturschutzbund vermutet, dass es auf lange Sicht in Nordrhein-Westfalen insgesamt weniger Wolfsrudel geben wird als anderswo. „Man sieht, dass die Ausbreitung langsamer stattfindet als in anderen Bundesländern“, erklärte er. Es gebe hier vermutlich zu viele Ballungszentren, zu viele Straßen und zu wenig Bereiche, in denen Wölfe sich niederlassen. Leitartikel