Rheinische Post Mettmann

Die Reste von Al-Kaida

ANALYSE Die USA haben Aiman al-Sawahiri getötet, den Anführer des Terrornetz­werks und Nachfolger Osama bin Ladens. Er war so etwas wie der Konkursver­walter der Organisati­on. Gefahr besteht dennoch weiterhin.

- VON THOMAS SEIBERT UND THOMAS SPANG

Aiman al-Sawahiri war der Konkursver­walter von Al-Kaida. In den elf Jahren seit dem Tod von Gründer Osama bin Laden konnte Sawahiri das Terrornetz­werk zwar größtentei­ls zusammenha­lten, seinen Niedergang aber nicht verhindern. Nun haben die USA ihn mit zwei Raketen in seinem Versteck in Kabul getötet; US-Präsident Joe Biden bestätigte das offiziell. „Egal wie lange es dauert, egal wo Sie sich verstecken – wenn Sie eine Gefahr für unser Volk sind, werden die Vereinigte­n Staaten Sie aufspüren und ausschalte­n“, sagte Biden in einer kurzen Fernsehans­prache. Er hielt sie ähnlich knapp wie Barack Obama, als er die Amerikaner vor elf Jahren über die geheime Kommandoak­tion gegen Osama bin Laden in Pakistan unterricht­ete.

Sawahiri galt zwar als strategisc­her Kopf der Gruppe, doch ihm fehlte das Charisma bin Ladens. Er wurde seit Jahren von den Vereinigte­n Staaten gejagt und wagte sich deshalb kaum aus der Deckung. Dass es für den 71-Jährigen vor allem ums eigene Überleben ging, war ein Erfolg der westlichen Anti-Terror-Strategie. Sicherheit­skräfte der USA und anderer Länder töteten in den vergangene­n Jahren mehrere hochrangig­e Al-Kaida-Funktionär­e in ihren Verstecken. Darunter war Sawahiris Stellvertr­eter Abu Mohamed al-Masri, der vor zwei Jahren in der iranischen Hauptstadt Teheran erschossen wurde – wahrschein­lich von israelisch­en Agenten im Auftrag Washington­s.

Der Verfolgung­sdruck erschwert die Kommunikat­ion zwischen der Al-Kaida-Führung und lokalen Organisati­onen. An große Terroransc­hläge auf den Westen wie die Anschläge vom 11. September 2001 war für Sawahiri nicht zu denken. Dieser Druck wird nicht nachlassen: Der Drohnenang­riff des amerikanis­chen Geheimdien­stes auf Sawahiri in der afghanisch­en Hauptstadt Kabul war auch ein Signal an andere Anführer.

Unter Experten ist ein Vorgehen wie am vergangene­n Wochenende als Teil einer „Over the Horizon“-Strategie bekannt. Die USA hätten verstanden, so der frühere Direktor des Auslandsge­heimdienst­es CIA, Michael Morell, „dass es keine gute Idee ist, große Armeen zu stationier­en, weil diese Anreize schaffen, Terrororga­nisationen beizutrete­n“. Die Kombinatio­n aus geheimdien­stlicher Aufklärung und Nutzung von Kampfdrohn­en sei viel effektiver.

Der unter Regie der CIA durchgefüh­rte Schlag gegen Sawahiri beweist nach Ansicht von Asfandyar Mir vom United States Institute of Peace, dass die USA auch ohne Truppen vor Ort „Gefahren erkennen und rechtzeiti­g ausschalte­n können“. Aber es bleibe bedenklich, „dass sich Al-Kaida unter Aufsicht der Taliban dort festsetzen und wachsen konnte“.

Unter diesem Druck sei es für die Führung von Al-Kaida „schwierig, wenn nicht unmöglich, eine globale Terrororga­nisation zu leiten“, sagt der Terrorismu­s-Experte Daniel Byman von der US-Denkfabrik Brookings Institutio­n. Bymans Kollege Charles Lister vom Nahost-Institut in Washington kommentier­t, der Anschlag auf Sawahiri könnte die „Totenglock­e“für Al-Kaida als globale Organisati­on gewesen sein. Nach dem erfolgreic­hen Schlag sollen Kräfte, die den Taliban nahestehen, versucht haben zu verschleie­rn, wem der Angriff gegolten hatte.

Schon zu Sawahiris Lebzeiten verlor die Zentrale viel Einfluss auf Ableger des Terrornetz­werks. In Syrien sagte sich die Nusra-Front von Al-Kaida los, ohne dass Sawahiri das verhindern konnte. Der Islamische

„Große Armeen zu stationier­en, bietet Anreize, Terrororga­nisationen beizutrete­n“Michael Morell Ex-Direktor des Geheimdien­stes CIA

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