Die Reste von Al-Kaida
ANALYSE Die USA haben Aiman al-Sawahiri getötet, den Anführer des Terrornetzwerks und Nachfolger Osama bin Ladens. Er war so etwas wie der Konkursverwalter der Organisation. Gefahr besteht dennoch weiterhin.
Aiman al-Sawahiri war der Konkursverwalter von Al-Kaida. In den elf Jahren seit dem Tod von Gründer Osama bin Laden konnte Sawahiri das Terrornetzwerk zwar größtenteils zusammenhalten, seinen Niedergang aber nicht verhindern. Nun haben die USA ihn mit zwei Raketen in seinem Versteck in Kabul getötet; US-Präsident Joe Biden bestätigte das offiziell. „Egal wie lange es dauert, egal wo Sie sich verstecken – wenn Sie eine Gefahr für unser Volk sind, werden die Vereinigten Staaten Sie aufspüren und ausschalten“, sagte Biden in einer kurzen Fernsehansprache. Er hielt sie ähnlich knapp wie Barack Obama, als er die Amerikaner vor elf Jahren über die geheime Kommandoaktion gegen Osama bin Laden in Pakistan unterrichtete.
Sawahiri galt zwar als strategischer Kopf der Gruppe, doch ihm fehlte das Charisma bin Ladens. Er wurde seit Jahren von den Vereinigten Staaten gejagt und wagte sich deshalb kaum aus der Deckung. Dass es für den 71-Jährigen vor allem ums eigene Überleben ging, war ein Erfolg der westlichen Anti-Terror-Strategie. Sicherheitskräfte der USA und anderer Länder töteten in den vergangenen Jahren mehrere hochrangige Al-Kaida-Funktionäre in ihren Verstecken. Darunter war Sawahiris Stellvertreter Abu Mohamed al-Masri, der vor zwei Jahren in der iranischen Hauptstadt Teheran erschossen wurde – wahrscheinlich von israelischen Agenten im Auftrag Washingtons.
Der Verfolgungsdruck erschwert die Kommunikation zwischen der Al-Kaida-Führung und lokalen Organisationen. An große Terroranschläge auf den Westen wie die Anschläge vom 11. September 2001 war für Sawahiri nicht zu denken. Dieser Druck wird nicht nachlassen: Der Drohnenangriff des amerikanischen Geheimdienstes auf Sawahiri in der afghanischen Hauptstadt Kabul war auch ein Signal an andere Anführer.
Unter Experten ist ein Vorgehen wie am vergangenen Wochenende als Teil einer „Over the Horizon“-Strategie bekannt. Die USA hätten verstanden, so der frühere Direktor des Auslandsgeheimdienstes CIA, Michael Morell, „dass es keine gute Idee ist, große Armeen zu stationieren, weil diese Anreize schaffen, Terrororganisationen beizutreten“. Die Kombination aus geheimdienstlicher Aufklärung und Nutzung von Kampfdrohnen sei viel effektiver.
Der unter Regie der CIA durchgeführte Schlag gegen Sawahiri beweist nach Ansicht von Asfandyar Mir vom United States Institute of Peace, dass die USA auch ohne Truppen vor Ort „Gefahren erkennen und rechtzeitig ausschalten können“. Aber es bleibe bedenklich, „dass sich Al-Kaida unter Aufsicht der Taliban dort festsetzen und wachsen konnte“.
Unter diesem Druck sei es für die Führung von Al-Kaida „schwierig, wenn nicht unmöglich, eine globale Terrororganisation zu leiten“, sagt der Terrorismus-Experte Daniel Byman von der US-Denkfabrik Brookings Institution. Bymans Kollege Charles Lister vom Nahost-Institut in Washington kommentiert, der Anschlag auf Sawahiri könnte die „Totenglocke“für Al-Kaida als globale Organisation gewesen sein. Nach dem erfolgreichen Schlag sollen Kräfte, die den Taliban nahestehen, versucht haben zu verschleiern, wem der Angriff gegolten hatte.
Schon zu Sawahiris Lebzeiten verlor die Zentrale viel Einfluss auf Ableger des Terrornetzwerks. In Syrien sagte sich die Nusra-Front von Al-Kaida los, ohne dass Sawahiri das verhindern konnte. Der Islamische
„Große Armeen zu stationieren, bietet Anreize, Terrororganisationen beizutreten“Michael Morell Ex-Direktor des Geheimdienstes CIA