Fast uneinholbar
Liz Truss scheint die nächste britische Premierministerin zu werden.
LONDON In dieser Woche flattern die ersten Wahlzettel in die Briefkästen von Mitgliedern der regierenden britischen Konservativen Partei. Sie müssen zwischen dem ehemaligen Finanzminister Rishi Sunak und der Außenministerin Liz Truss in einer Stichwahl entscheiden, wer ihr nächster Vorsitzender oder ihre nächste Vorsitzende wird. Am 5. September wird das Ergebnis bekannt gegeben; gleich am nächsten Tag zieht der Gewinner als Regierungschef in die Downing Street ein und löst Premierminister Boris Johnson ab. Zurzeit führt Truss das Rennen klar an.
Immer mehr einflussreiche konservative Politiker erklären daher jetzt ihre Unterstützung für die Außenministerin. Jüngster Zugewinn für das Truss-Lager war die Empfehlung von Penny Mordaunt, die lange selbst eine aussichtsreiche Kandidatin für den Chefposten war, bevor sie im letzten
Wahlgang der Fraktion von Truss überholt worden war. „Sie bietet Hoffnung“, pries Mordaunt ihre Kollegin am Dienstag, „sie ist optimistisch über die Zukunft unseres Landes. Und wir werden das brauchen angesichts der Herausforderungen zuhause und im Ausland.“Mordaunts Unterstützung reiht sich ein in ähnlich klingende Empfehlungen von Fraktionskollegen wie Tom Tugendhat, Nadhim Zahawi, Ben Wallace oder Kemi Badenoch: Alle sind überzeugt, dass Truss den Nachfolgekampf gewinnen wird, und wissen, dass ihre Unterstützung ihre eigenen Chancen auf einen Kabinetts-Job sicherlich nicht verringern werden.
Doch noch ist das Rennen nicht gelaufen. Beide Kandidaten müssen sich in den nächsten Wochen sogenannten „Hustings“stellen. Bei diesen Mini-Regionalkonferenzen präsentieren sich die Bewerber der Basis und stellen ihre politischen Agenden vor. Die beiden ersten Hustings im nordenglischen Leeds und im südwestlichen Exeter gingen gut für Liz Truss aus, die sich weniger hölzern als zuvor zeigte. Laut Meinungsumfragen soll die Außenministerin bei den Parteimitgliedern mit einer ZweiDrittel-Mehrheit führen. Allerdings demonstrierte eine für das Truss-Lager in Auftrag gegebene und von der „Times“am Dienstag veröffentlichte Umfrage, dass ihr Vorsprung tatsächlich nur etwa fünf Prozent ausmachen soll, was das Sunak-Lager hoffen lässt. Seine Leute sind überzeugt, dass ihr Kandidat in persönlichen Ansprachen Parteimitglieder von sich überzeugen kann und schicken ihn jetzt verstärkt auf Tour durch Südengland, wo die mitgliederstärksten Ortsvereine der Konservativen beheimatet sind.
Das zentrale Streitthema zwischen Truss und Sunak ist die Steuerpolitik. Truss gelobte sofortige Steuersenkungen, sollte sie in die Downing Street ziehen. Eine kürzlich eingeführte Sozialabgabe soll gestrichen und eine geplante Anhebung der Körperschaftssteuer ausgesetzt werden.
Truss tritt für einen schlanken Staat und weniger Bürokratie ein und will an Johnsons Plan festhalten, den Beamtenapparat radikal zu verkleinern – im Gespräch ist die Streichung von 91.000 Stellen. Ihr Hauptargument, mit dem sie erfolgreich bei der Basis punkten kann: Die Krise der Lebenshaltungskosten dadurch zu bekämpfen, den Bürgern durch eine Minderung der Steuerlast zu helfen.