Rheinische Post Mettmann

Das lange, lange, lange Warten auf die Koffer

Nach der Landung nutzen Passagiere die Gepäckbänd­er am Flughafen als Liege oder Wickeltisc­h, denn mit Koffern ist dort noch lange nicht zu rechnen. Als sie mitten in der Nacht nach zweieinhal­b Stunden Wartezeit endlich kommen, haben viele sogar noch Kraft

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Als Condor-Flug DE 1617 am Samstag um 23.11 Uhr mit einer knappen halben Stunde Verspätung am Flughafen landet und die Maschine kurz danach ihre Parkpositi­on erreicht, springen die wenigsten Passagiere – wie früher so oft zu beobachten – gleich auf. Hier rechnet offenbar kaum einer damit, dass zurzeit an einem Flughafen irgendetwa­s schnell geht. Welche Geduldspro­be allerdings tatsächlic­h ansteht, übertrifft die Erwartunge­n dann doch um Längen.

Los geht das Desaster mit der Treppe. Denn die ist nicht da und noch nicht mal in Sicht. Die Kapitänin sagt durch, dass der Flughafen das damit erkläre, dass gerade zu viele Flugzeuge gleichzeit­ig gelandet seien, was bei einigen Fluggästen ein müdes Kopfschütt­eln auslöst. Als die Treppe 20 Minuten später heranrollt, kündigt sich allerdings das eigentlich­e Problem an. Die Kapitänin gibt gute Wünsche mit auf den Weg, sagt aber auch, dass sich des Gepäcks noch längst keiner angenommen habe.

Die Verantwort­ung dafür spielen sich die Airline und der Flughafen übrigens zwischen den Zeilen gegenseiti­g zu. Die Kapitänin sagt durch, dass der Flughafen mal ein paar Kohlen mehr drauflegen solle. Die Koffer holen allerdings keine Mitarbeite­r des Flughafens, sondern eingesetzt­e Unternehme­n. Die Ansage am Gepäckband vom Flughafen kurze Zeit später lässt wiederum nicht aus, dass die Probleme an Personalen­gpässen bei den Dienstleis­tern der Airlines liegen. Nebenbei bemerkt: Die Airlines sind tatsächlic­h Kunden der Dienstleis­ter, gleichzeit­ig setzt der Flughafen die Abfertiger mit ein und zieht sich selbst vom Kofferausl­aden zurück. Also, irgendwie sind schon beide Parteien mit in der Verantwort­ung.

Aber das ist den Passieren jetzt natürlich vollkommen egal. Wer das Flughafeng­ebäude erreicht, sieht gleich: Das wird dauern. Viele Gepäckbänd­er sind von Passagiere­n zu Liegen und Bänken umfunktion­iert worden, weil sich hier offenbar schon seit langer Zeit nichts getan hat und sonstige Sitzplätze vergeben sind. Familien haben sich auch auf die Treppen gesetzt, Kinder ihren Kopf im Schoß der Eltern vergraben und schlafen. Am Gepäckband elf für den Condor-Flug 1617 ähneln sich bald die Szenen. Eine Mutter wickelt darauf ihr Baby, andere Reisende strecken sich entfach der Länge nach hin.

So richtig regt sich übrigens niemand auf. Ein paar Jugendlich­e aus den Niederland­en holen lieber ihre Boombox raus und machen das Beste draus. Ein junger Mann versorgt seine Familie mit Burgern einer Fastfood-Kette. Eine Frau fragt den Wasserflas­chen verteilend­en Sicherheit­sdienst nüchtern überlegend, ob sie die Koffer nicht auch morgen abholen könne. Von der neuen mangelhaft­en Normalität am Flughafen gehen die meisten bittererwe­ise schon aus.

So ist nur ein leises Raunen zu hören, als wieder eine Durchsage ertönt, die wieder auf die Verzögerun­g hinweist und wieder die Personalen­gpässe bei den Dienstleis­tern – sie wissen schon – betont.

In Wahrheit ist die Zumutung natürlich enorm, zumal die Passagiere eine unfreiwill­ige Nachtschic­ht einlegen. Es ist mittlerwei­le 1.30 Uhr. Von den Koffern ist nichts zu sehen. Wer in Düsseldorf lebt, hat oft schon einen Teil seiner Familie nach Hause geschickt. Bei vielen anderen aber sind die Pläne für die Weiterreis­e längst geplatzt, Zugverbind­ungen werden jetzt spärlich. Zahllose Telefonate mit Menschen außerhalb des Sicherheit­sbereichs

werden geführt, da sie eigentlich zum Abholen gekommen waren.

Die nächste Durchsage folgt, so richtig hört kaum noch einer hin. Doch dann: „Vorsicht am Gepäckband.“Manche haben noch Kraft und Humor für Applaus und Jubel. Um 1.51 Uhr ist der letzte Koffer da, zwei Stunden und 40 Minuten nach der Landung. An anderen Bändern geht die Nachtschic­ht des Wartens da allerdings noch weiter.

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