Datenschutz verhindert Ortung von Notrufen
Wenn die 110 gewählt wird, geht es oft um Sekunden. Doch rechtliche Probleme stehen einer schnellen Lokalisierung der Anrufer im Weg.
STUTTGART (dpa) Mehr als vier Wochen nach der Ankündigung eines bundesweiten Pilotbetriebs können Notrufe unter der Nummer 110 nach wie vor bundesweit nicht rasch zurückverfolgt werden. Das bestätigte eine Sprecherin des baden-württembergischen Innenministeriums der Deutschen Presse-Agentur auf Nachfrage. Man arbeite mit Hochdruck an der Umsetzung. Aber neben den rechtlichen Problemen kommen nun technische Schwierigkeiten hinzu: Aufgrund der riesigen Datenmengen sei die Umsetzung nur schrittweise möglich, sagte die Sprecherin.
Der Hintergrund: Wer mit einem Handy irgendwo in Deutschland mit der 112 Feuerwehr und Rettungswagen ruft, kann dank eines technischen Verfahrens schnell und präzise geortet werden. Beim Polizeinotruf 110 ist das bislang nicht möglich – aufgrund rechtlicher Hürden in Baden-Württemberg. Denn dort laufen alle Ortungsdaten aus ganz Deutschland auf einem Server zusammen. Dort dürfen sie aber nicht abgerufen und weitergegeben werden, weil der Datenschutzbeauftragte im Südwesten rechtliche Bedenken hat. Das heißt: Wer die 110 wählt und dabei nicht in der Lage ist, seinen Standort durchzugeben, den können die Beamten deshalb nicht so schnell finden, wie es eigentlich möglich wäre. Aus Sicht der Datenschützer braucht es für die automatische Übermittlung eine Rechtsgrundlage dazu, was mit den Daten gemacht werden darf.
Nach Medienberichten hatten sich das Innenministerium und der Datenschutzbeauftragte des Landes aber vor mehr als einem Monat darauf verständigt, das Problem zu lösen und die Weitergabe der Standortdaten in einem „vorläufigen bundesweiten Pilotbetrieb“zu erlauben – sofern diese „nur zur Hilfe und nicht zur Strafverfolgung“genutzt würden. Parallel dazu wollte man daran arbeiten, für die Erhebung, Speicherung und Weitergabe der Daten eine Rechtsgrundlage zu schaffen. Doch Wochen später liegt weder eine Rechtsgrundlage vor noch ist ein Pilotbetrieb gestartet.
„Menschen in Deutschland, die in Gefahr sind und die 110 wählen, könnte zum Verhängnis werden, dass die zentrale Leitstelle in Baden-Württemberg liegt: Dass es keine sichere Rechtsgrundlage zur Speicherung von Notrufdaten gibt, ist nicht hinnehmbar“, kritisierte SPD-Innenpolitiker Sascha Binder. „Datenschutz darf nicht in dieser Tragweite zur Gefährdung der Bevölkerung führen.“
Immerhin: Geht es um eine konkrete Gefahr für Leib und Leben, könnten die Beamten laut Innenministerium bereits jetzt Verletzte und Vermisste über die sogenannte Funkzellenabfrage orten. Das sei aber aufwendiger und dauere länger.