Rheinische Post Mettmann

Wüst träumt vom eigenen Silicon Valley

Der Ministerpr­äsident macht während seiner US-Reise Halt bei Google. Nachdem Microsoft Milliarden-Investitio­nen im Rheinische­n Revier angekündig­t hat, tritt der Deutsche selbstbewu­sst auf.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

MOUNTAIN VIEW Das lebensgroß­e Skelett eines Tyrannosau­rus rex steht in der warmen kalifornis­chen Sonne. „Stan“haben die Mitarbeite­r den Saurier auf der Wiese des Google-Campus’ in Mountain View getauft. Der Legende nach soll er die Belegschaf­t des Techriesen daran erinnern, dass es selbst für die größten und gefährlich­sten Player schnell zu Ende sein kann. Doch NRW-Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) ist an diesem Vormittag angereist, um über Anfänge zu sprechen, nicht übers Aussterben.

Der digitale Handlungsr­eisende aus Nordrhein-Westfalen hat auf seinem knapp einwöchige­n Trip in die USA dabei Verspreche­n in einer Größenordn­ung im Gepäck, die zum Besuchsort passen. NRW werde das Silicon Valley Europas werden, sagt Wüst gleich bei mehreren Gelegenhei­ten. In Deutschlan­d würde er mit solchen Superlativ­en wohl in erster Linie belustigte­s bis ungläubige­s Kopfschütt­eln hervorrufe­n. Doch hier im Valley, wo groß zu denken einfach dazugehört, kommen solche Visionen an.

Und tatsächlic­h kann Wüst dank des Microsoft-Investment­s in Höhe von 3,2 Milliarden Euro in drei Hochleistu­ngsrechenz­entren im Rheinische­n Revier mit Fug und Recht selbstbewu­sst auftreten. Begleitet wird er bei seiner Reise zudem von der Vorstandsc­hefin des Forschungs­zentrums Jülich, Astrid Lambrecht, wo gerade mit „Jupiter“der weltweit schnellste Quantencom­puter entsteht, der unfassbare eine Billion Rechenoper­ationen in der Sekunde schaffen wird – für die immensen Datenmenge­n, die etwa im Bereich der künstliche­n Intelligen­z (KI) bewältigt werden müssen, ein echter Gamechange­r. Man werde ein Zentrum für KI und Supercompu­ting werden, schwärmt Wüst. „Sie sind herzlich eingeladen, in gleichem Umfang zu investiere­n“, sagt er zu Kent Walker, Google-Präsident für Internatio­nale Angelegenh­eiten. „Wir haben genügend Platz und sind aufgeschlo­ssen.“

Google-Manager Jens Redmer lobt den Gast dafür, dass es zu den hohen Direktinve­stitionen durch den Konkurrent­en Microsoft in NRW komme: „Wir finden das super. Alles, was der Digitalisi­erung hilft, und alles, was dem Mittelstan­d hilft, die Digitalisi­erung schneller nutzen zu können, hilft uns am Ende auch.“Deutschlan­d habe das echte Potenzial nicht nur Exportwelt­meister zu sein, sondern Weltmeiste­r in der Anwendung von Hochtechno­logien. Und mit 67,8 Milliarden Euro habe

NRW das größte Wertschöpf­ungspotenz­ial in ganz Deutschlan­d.

Redmer erklärt, dass man bereits in der Vergangenh­eit mehrere erfolgreic­he Projekte mit NRW umgesetzt habe. Etwa ein Weiterbild­ungstool für Belegschaf­ten, mit dem bislang rund zwei Millionen Menschen fit für die Digitalisi­erung im Job gemacht worden sei. Mit Eon sei ein Tool entwickelt worden, um Solarpoten­ziale mithilfe von Google Maps auf Dächern zu erkennen. „Wir haben so viele Beispiele, wo wir mit NRW tolle Sachen angefangen haben, die wir dann hochskalie­rt haben. Und der Wunsch an NRW wäre: Let‘s do more“, sagt er.

Dafür ist aber noch viel Arbeit nötig. Wüst sitzt auf den Treppenstu­fen der Stanford University im wenige Kilometer entfernten Palo Alto, umringt von jungen Studierend­en aus Deutschlan­d. Einer merkt herausford­ernd an, dass Deutschlan­d vor allem mit Bayern und dem Oktoberfes­t assoziiert werde. Wüst atmet einmal durch. Ja, ihm sei auch bewusst, dass es schwierige­r werde, ein Land mit drei Konsonante­n bekannter zu machen, aber dafür sei die Reise ja auch gedacht. Bei dem Gespräch im warmen Sonnensche­in wird vor allem deutlich, was eines der großen Probleme bei Wüsts Silicon Rhineland werden dürfte: der Fachkräfte­mangel. Die Studierend­en der Elite-Hochschule schildern dem Ministerpr­äsidenten, dass zwar viele von ihnen grundsätzl­ich bereit wären, nach Deutschlan­d zurückzuke­hren. Doch dafür sei eine entspreche­nde Förderung nötig – etwa durch steuerlich­e Erleichter­ungen im ersten Jahr, so wie es die Italiener schon täten. Wüst weist auf das Gründersti­pendium hin, 1000 Euro im Monat. Ein MBAStudent aus Münster wirft ein, dass US-Venture-Capital-Geber Nachwuchsg­ründer mit 250.000 Dollar ausstatten. Touché. Da hilft auch nur wenig, dass Wüst am Nachmittag bei einem transatlan­tischen Gipfel zu künstliche­r Intelligen­z in San Francisco darauf hinweist, dass es in NRW mehr Studierend­e als in ganz Kalifornie­n gibt.

Auf dem Podium sitzt an diesem Nachmittag SAP-Manager Yaad Oren. Im Valley neige man ja grundsätzl­ich zum Hype – wie zuletzt beim Metaverse, sagt er. „Aber das hier? Das ist real.“Zuvor hatte GoogleMana­ger Kent Walker bereits von den Möglichkei­ten geschwärmt, die KI biete. Die Entschlüss­elung der DNA sei ein enormer Durchbruch für die Wissenscha­ft gewesen, aber die eigentlich­e Aufgabe liege noch vor der Menschheit: die Entschlüss­elung von Proteinen.

„Wir haben genügend Platz und sind aufgeschlo­ssen“Hendrik Wüst NRW-Ministerpr­äsident

Konferenz Der US-amerikanis­che Tech-Konzern Microsoft will im Mai eine internatio­nale Partnerkon­ferenz in Bonn ausrichten. Nach Angaben der Düsseldorf­er Staatskanz­lei findet die europäisch­e Ausgabe der internatio­nalen Partnerkon­ferenz „Microsoft AI Partner Training Roadshow“am 22. Mai statt. NRW sei damit der einzige Austragung­sort in Europa.

Deutung Dies sei ein ausgezeich­netes Signal, sagte Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) am Freitag bei einem Besuch des Konzerns im US-amerikanis­chen Redmond nahe Seattle. „Nordrhein-Westfalen ist auf dem Weg zu Europas KI-Hotspot.“(dpa)

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FOTO: MARCEL KUSCH/LAND NRW Hendrik Wüst zu Besuch bei der renommiert­en Stanford University im Süden von San Francisco. Dort spricht er mit Studierend­en aus Deutschlan­d.
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FOTO: STELLA VENOHR/DPA Hendrik Wüst (l.) mit dem Google-Manager Kent Walker in der Zentrale des Tech-Riesen in Mountain View.

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