SPD fordert Aussetzen der Schuldenbremse
In der Ampel tobt ein Richtungsstreit um die Haushaltspolitik. Der Druck auf die FDP steigt.
BERLIN Im Ringen um den Bundeshaushalt für das kommende Jahr erhöht die SPD-Fraktion den Druck auf Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). „Über den Bundeshaushalt wird im Parlament entschieden. Wir als SPD-Bundestagsfraktion rufen Bundesfinanzminister Christian Lindner dringend dazu auf, zu einer seriösen Finanzplanung zurückzukehren“, sagt der finanzpolitische Sprecher Michael Schrodi unserer Redaktion. „Die jüngsten Vorschläge des Ministers zur Abschaffung des Soli und zur Körperschaftssteuer würden die ohnehin riesige Finanzierungslücke für den Haushalt 2025 um zusätzliche 30 Milliarden Euro vergrößern“, mahnt er. Da seien andere Ideen Lindners wie die Steuerbefreiung von Überstunden noch gar nicht eingerechnet.
Schrodi bezieht sich damit auf Äußerungen des FDP-Chefs in mehreren Interviews rund um Ostern. Bei Lindners Ampel-Partnern SPD und Grünen kam das nicht gut an. Denn hinter den Kulissen wird bereits seit vielen Wochen um die Details zum Bundeshaushalt gerungen. Maßgeblich ist dafür eine Vorgabe Lindners an alle Bundesministerien zu weitreichenden Einsparungen.
Die FDP prescht nun ihrerseits vor und fordert erhebliche Kürzungen für Bürgergeldempfänger. Konkret sollen Jobverweigerern die Leistungen künftig sofort um 30 Prozent gekürzt werden können. Das geht aus einem Beschlusspapier für das Partei-Präsidium hervor, das kurz vor dem FDP-Parteitag am kommenden Wochenende kursiert. Die „Bild am Sonntag“berichtete zuerst darüber.
„Wer seinen Mitwirkungspflichten im Bürgergeld nicht nachkommt und beispielsweise zumutbare Arbeit ohne gewichtigen Grund ablehnt, sollte mit einer sofortigen Leistungskürzung von 30 Prozent rechnen müssen“, heißt es in dem Entwurf, der am Montag im FDP-Präsidium beschlossen und auf dem Parteitag eingebracht werden soll. Der „verfassungsrechtliche Spielraum für verschärfte Sanktionen“müsse ausgenutzt werden, „bis hin zu einer vollständigen Streichung von Leistungen“. Der FDP-Vorstoß ist insofern eine Provokation für die SPD, als diese Abstriche bei den Sozialausgaben bisher ablehnt. Die Einigung in der Koalition auf den Haushalt für 2025 ist für Anfang Juli geplant. Dann kommt der Bundestag zum Zug und nimmt letzte Änderungen am Haushaltsplan vor. Die Parlamentarier verabschieden den Haushalt. Das Ampel-Bündnis steht wegen der unterschiedlichen Auffassungen zur Haushaltsund Wirtschaftspolitik vor einer Zerreißprobe. Für die finalen Abstimmungen setzt SPD-Finanzpolitiker Schrodi nun den Ton. „Es passt nicht zusammen, dass der Bundesfinanzminister alle Bundesministerien zum eisernen Sparen aufruft, für seine Vorschläge aber keine Vorsorge in der Finanzplanung trifft“, kritisiert er.
Er sieht sich durch aktuelle Empfehlungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) bestärkt. „Es ist deshalb nicht länger vermittelbar, dass wir an der Schuldenbremse in ihrer bisherigen Form festhalten“, sagt Schrodi. SPD und Grüne dringen auf eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse.
Doch Schrodi geht nun einen Schritt weiter und setzt Lindner auch beim Aussetzen der Schuldenbremse für 2024 unter Druck. Dies ist für die FDP bislang ein Tabu, auch wenn die Koalition verabredet hatte, mögliche Entwicklungen in der Ukraine im Blick zu behalten und gegebenenfalls noch einmal über das abermalige Aussetzen zu sprechen. „Wir brauchen ein Aussetzen der Schuldenbremse noch in diesem Jahr, auch um die zusätzlichen Belastungen für die Ukraine-Hilfen schultern zu können. Ein Ausspielen von notwendigen Ausgaben etwa gegen Sozialleistungen darf es nicht geben“, betont Schrodi.
Mittelfristig werde es eine Reform der Schuldenbremse und weitere Finanzmittel brauchen, womit die Investitionen in innere, äußere und soziale Sicherheit finanziert werden müssen, sagt Schrodi. Auch deshalb sei es unverständlich, warum Christian Lindner sich so vor einer angemessenen Besteuerung höchster Vermögen und Erbschaften fürchte, so der SPD-Politiker. „Wir appellieren an Christian Lindner und den Koalitionspartner FDP, ihre auch international isolierte Position zum Wohle des Landes aufzugeben“, so Schrodi.
„Über den Haushalt wird im Parlament entschieden“Michael Schrodi Finanzpolitischer Sprecher der SPD