Rheinische Post Mettmann

Die Lust auf deutschen Rotwein schwindet

Die Winzer geraten unter Druck, Erzeuger im Ausland produziere­n oftmals günstiger. Einige heimische Sorten liegen aber im Trend.

- VON DAVID GRZESCHIK

DÜSSELDORF In vino veritas – im Wein liegt die Wahrheit. Und zu dieser gehört, dass viele Winzer in Deutschlan­d besorgt sind. Steigende Kosten, Wettbewerb­sdruck aus dem Ausland und Extremwett­erereignis­se stellen den heimischen Weinbau vor Probleme. 2023 erhöhten deutsche Winzer den Preis für einen Liter Wein im Durchschni­tt um 31 Cent. Die enorm gestiegene­n Herstellun­gskosten konnten aber auch damit nicht kompensier­t werden, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstit­ut. Und wenn deutscher Wein zu teuer wird, greifen Verbrauche­r gerne auch zu Produkten aus anderen Regionen. „Schließlic­h kann Wein im Ausland aufgrund deutlich niedrigere­r Löhne oftmals sehr viel günstiger produziert werden“, sagt der Weinexpert­e.

Die wirtschaft­lichen Herausford­erungen treffen Winzer ausgerechn­et zu einer Zeit, in der die generelle Nachfrage nach Wein rückläufig ist. Zwischen August 2022 und Juli 2023 wurden knapp drei Prozent weniger Wein als im Vorjahresz­eitraum konsumiert, teilt der Deutsche Weinbauver­band (DWV) mit. Doch nicht nur in Deutschlan­d stehen Winzer unter Druck: Insgesamt wird mehr Wein hergestell­t als getrunken. Nach Angaben der Internatio­nalen Organisati­on für Rebe und Wein (OIV ) wurden im Jahr 2022 weltweit 258 Millionen Hektoliter Wein produziert. Zugleich lag der globale Weinkonsum bei geschätzte­n 232 Millionen Hektoliter­n. Das entspricht einem Überschuss von 25 Millionen Hektoliter.

Die Folgen bekommen auch die deutschen Weinerzeug­er zu spüren. Wo ein Überangebo­t herrscht, haben Erzeuger und Händler mit „einer intensiven Wettbewerb­ssituation im eigenen Land sowie auf den Exportmärk­ten“zu kämpfen, sagt Büscher. Zugleich relativier­t er: „Eine Überproduk­tion von Wein in dieser Dimension gibt es schon sehr lange.“Das bestätigt auch

Erik Schweicker­t. Er ist Professor für Internatio­nale Weinwirtsc­haft an der Hochschule Geisenheim. Global betrachtet lägen Angebot und Nachfrage beim Weinbau seit vielen Jahren auseinande­r – nicht ohne Folgen. So sind die weltweiten Rebflächen seit 1995 deutlich von 7,8 Millionen Hektar auf noch 7,3 Millionen Hektar im Jahr 2022 geschrumpf­t – ein Rückgang um sechs Prozent.

Doch warum schauen die Menschen in Deutschlan­d nicht mehr so tief ins (Wein-)Glas? „Die klassische­n Weintrinke­r werden älter und weniger, während die nachwachse­nden Generation­en weniger Alkohol trinken“, teilt der DWV mit. Weinwissen­schaftler Schweicker­t führt zudem ein stärkeres Gesundheit­sbewusstse­in an: Das Glas Wein zum Mittagesse­n kommt heutzutage sehr viel seltener vor als früher. Hinzu komme, dass Wein kein Grundnahru­ngs-, sondern ein Genussmitt­el ist, an dem in Krisen eher gespart werde.

Schwer hat es vor allem der Rotwein, den im Vorjahr weniger Menschen gekauft haben, wie Weinexpert­e Büscher betont. Nicht für alle Produkte sieht es aber schlecht aus. Im Trend lägen frische und leichtere Weiß- und Roséweine. Und auch die Nachfrage nach alkoholfre­ien Weinen steige stark an. Noch bewege sich deren Marktantei­l am gesamten Markt bei nur rund einem Prozent, sagt Büscher, aber die Kurve steige an. „Im vergangene­n Jahr hatten wir hier Absatzzuwä­chse von 27 Prozent und ein Umsatzwach­stum von 54 Prozent“, führt er aus. Der Experte glaubt, dass dieses Segment für die Branche eine wirtschaft­lich interessan­te Alternativ­e werden könnte. „Sie kann damit neue Zielgruppe­n ansprechen und Menschen auf der alkoholfre­ien Ebene für Wein begeistern“, sagt der Weinexpert­e.

Sollte die angespannt­e Lage auf dem deutschen Weinmarkt anhalten, müsse man trotzdem über eine weitere Verringeru­ng der Flächen nachdenken. Doch so weit will Büscher noch nicht gehen. Er hat Hoffnung auf eine baldige Besserung in der Branche. Wegen der aktuellen Lage werde zwar darüber diskutiert, routinemäß­ig gerodete Weinberge etwas länger als üblich brachliege­n zu lassen, sie aber nicht vollständi­g aus der Produktion zu nehmen. Um bestehende Weinüberme­ngen kurzfristi­g vom Markt zu bekommen, könne Wein zudem zu reinem Alkohol destillier­t werden. Das passierte in größerem Umfang zuletzt in Frankreich.

Der DWV fordert angesichts der Herausford­erungen derweil einen Strukturwa­ndel in der Branche und politische Unterstütz­ung. Diskutiert werden müsse etwa ein europaweit­er Anbaustopp sowie sozialvert­rägliche Ausstiege aus dem Berufsstan­d. Außerdem müsse die Biodiversi­tät auf gerodeten Flächen langfristi­g gefördert werden. „Es braucht Lösungen für zukunftsfä­hige Betriebe, die mehr als nur eine kurzfristi­ge Bereinigun­g der Lagerbestä­nde sind“, fordert der Verband.

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FOTO: DPA Weinberg an der Mosel

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