Rheinische Post Mettmann

Lokale Erdbeeren vier Mal teurer als spanische

Eine Schale Erdbeeren kostet bei Discounter­n 1,29 Euro – aus Düsseldorf­er Anbau dagegen mindestens vier Euro. Warum eigentlich?

- VON ALINA HÜSEMANN

DÜSSELDORF Ähnlich wie in einem Botanische­n Garten ist es im Glasgewäch­shaus der Familie van der Wingen in Hamm leicht schwülwarm: 18 Grad Temperatur, der Geruch von feuchter Erde liegt in der Luft und man schaut auf ein Meer aus Grün. An einigen Stellen gibt es rote Flecken, die durch das Grün hervorblit­zen.

Anders als im Botanische­n Garten stehen hier Erdbeerpfl­anzen, die allesamt durch intensive Handarbeit gepflanzt, gepflegt und geerntet werden. Später stehen sie im familienei­genen Hofladen zum Verkauf – und können zwischen vier und 5,50 Euro das Pfund kosten.

Im Vergleich dazu werben Supermärkt­e und Discounter für ihre Erdbeeren mit Billigprei­sen für unter zwei Euro: Eine 500-Gramm-Schale bei Aldi an der Kö oder bei Netto in Oberbilk kostet derzeit beispielsw­eise 1,29 Euro. Im Edeka Zurheide gibt es das Pfund für 1,99 Euro, im Rewe für zwanzig Cent mehr. Angeboten direkt im Eingangsbe­reich, denn die Erdbeersai­son hat gerade begonnen.

Im Unterschie­d zum Hammer Hofladen ist das Produkt aus dem Supermarkt nicht lokal angebaut, sondern aus Spanien importiert – Deutschlan­ds größtem ErdbeerLie­feranten. Die bundesweit­e Produktion liegt nämlich weit unter dem deutschen Pro-Kopf-Verbrauch von rund vier Kilogramm. Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s konnte Deutschlan­d im Jahr 2023 rund 130.000 Tonnen Erdbeeren selbst produziere­n, etwa 114.000 Tonnen wurden zusätzlich importiert.

„Jeder will Erdbeeren haben, auch außerhalb der Saison. Und der Deutsche legt Wert auf günstig“, sagt Hans Peter van der Wingen und lässt den Blick durch sein Gewächshau­s schweifen. Aber warum sind die Früchte in Supermärkt­en so viel billiger? Er sagt: Vor allem die Faktoren Energiever­brauch und Mindestloh­n spielten eine Rolle, aber auch Angebot

und Nachfrage.

„Die Spanier haben kaum Energiekos­ten, da ist es schon früh warm genug“, sagt der 57-Jährige. „Außerdem pflanzen und ernten sie in Folientunn­eln. So reifen die Erdbeeren schneller.“Die Frucht braucht Licht, Wärme und Wasser. Von der Blüte bis zur Ernte dauert es etwa sechs Wochen. In selbstaufh­eizenden Folientunn­eln wird der Reifeproze­ss um zwei Wochen beschleuni­gt.

Das Glasgewäch­shaus der Familie van der Wingen hält derzeit seine

Temperatur von 18 bis 20 Grad. Die Heizung bleibt aus. „Heizen rechnet sich nicht“, sagt der Gartenbaue­r. „Das Heizöl ist zu teuer.“Das bedeutet einen geringeren CO2-Verbrauch und geringere Energiekos­ten. Auch der Wasserverb­rauch sei überschaub­ar. Zumal sie mit einem Tröpfchens­ystem bewässern und die Pflanzen nur so viel Wasser bekommen, wie sie auch brauchen. Gleichzeit­ig sind die van der Wingens aber auch auf das Wetter angewiesen. Bei Sommerhitz­e müsse die Anlage mehrmals am Tag laufen. Geheizt werden müsste bei Temperatur­en unter null, damit die Erdbeerkul­turen nicht eingehen.

Die spanischen Erdbeeren kommen primär aus der Provinz Huelva in Andalusien. Ein Gebiet, das mit Extremwett­ern wie Dürre und Starkregen zu kämpfen hat. Trotzdem wird dort massenweis­e produziert – auf Kosten von Umwelt und Saisonarbe­itern, wie Kritiker sagen. Laut Sylvia Ratzlaff von der Umweltschu­tzorganisa­tion WWF bedürfe es für ein Kilogramm Erdbeeren rund 300 Liter Wasser – etwa zwei volle Badewannen. „Je größer der Erdbeerhun­ger aus Spanien, desto größer kann das Dürreprobl­em werden“, sagt Isabel Bohnert vom Verband Süddeutsch­er Spargel- und Erdbeeranb­auer.

Zudem würden Saisonarbe­iter mit Niedriglöh­nen abgespeist. Nach Angaben des Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­chen Instituts liegt der spanische Mindestloh­n bei 6,87 Euro. In Deutschlan­d dagegen sind es 12,41 Euro. Dazu herrschen hierzuland­e höhere Sozial- wie Umweltstan­dards und strengere Vorgaben zum Pflanzensc­hutz.

Hans Peter van der Wingen begründet den Preis von bis zu 5,50 Euro für ein Pfund heimischer Erdbeeren mit der Arbeitsint­ensität und dem Energiever­brauch. Es seien viele kleinteili­ge Arbeitssch­ritte, die wiederum Geld kosten. Laut Patricia Steinborn vom Zentralver­band Gartenbau machten die Produktion­skosten hierzuland­e zwischen 55 und 60 Prozent aus. Die spanischen Kosten lägen somit deutlich unter den deutschen.

„Zu den genannten Preisen lassen sich keine fair und nachhaltig produziert­en Erdbeeren anbieten“, so die Sprecherin mit Blick auf die Angebote im Supermarkt. Denn neben den wirtschaft­lichen Faktoren haben die Erdbeeren auch einen hohen ökologisch­en Fußabdruck. Über den Landweg kommt das Obst nach Deutschlan­d und legt dabei Tausende Kilometer zurück. „Diese Importerdb­eeren müssen deutlich fester sein. Die sind dann oft so hart wie Äpfel. Daran scheitert der Geschmack“, sagt van der Wingen.

Regionale Erdbeeren schmecken „ausgereift­er“und „voller“, meint Isabel Bohnert. Und tatsächlic­h: Im Vergleich zur Supermarkt­ware schmecken die frisch gepflückte­n Früchte aus Hamm ein wenig süßer und intensiver. Hans Peter van der Wingen lässt die Finger von den spanischen Erdbeeren. „Dafür bin ich mit unseren jetzt zu verwöhnt. Die sind von der Konsistenz und vom Geschmack her schöner zu essen.“

Für die Konsumente­n sind regionale Erdbeeren nicht immer die erste Wahl. Aber mit einem Preis von vier bis sechs Euro pro Schale seien auch bessere Arbeitsbed­ingungen und Umweltstan­dards mitbezahlt, so Steinborn. Und ab Ende Mai verkauft Familie van der Wingen auch Erdbeeren vom Feld. „Wir können dann auf Masse produziere­n. Danach fallen auch die Preise und unsere Erdbeeren werden pro Schale günstiger.“

 ?? ?? Gartenbaue­r Hans Peter van der Wingen in seinem Gewächshau­s in Hamm: Seiner zweijährig­en Enkelin Josefine schmecken die Erdbeeren sehr.
Gartenbaue­r Hans Peter van der Wingen in seinem Gewächshau­s in Hamm: Seiner zweijährig­en Enkelin Josefine schmecken die Erdbeeren sehr.

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