Und dann zu zweit alleine sein
Der Pianist Alexandre Tharaud lud nacheinander 17 Freunde ein, mit ihm vierhändig zu spielen. Sein Kollege Daniil Trifonov ging ein anderes Risiko ein: Er bat seinen Lehrer zum Klavierduo. Können solche Experimente auf CD gelingen?
Flügeln zu üben. Der Welt bekannt wurde er nicht nur durch seine großartigen Konzerte und CDs, sondern auch durch seine Mitwirkung in Michael Hanekes wunderbarem Film „Liebe“. Dort spielte er an der Seite von Emmanuelle Riva, Isabelle Huppert und Jean-Louis Trintignant den pianistischen Schützling der Hauptfigur, der früheren Klavierlehrerin Anne, die später von einem Schlaganfall heimgesucht wird.
Tharauds Merkmal ist also seine Lust am Neuen, an Experimenten; dauernd besorgt er sich Visa, um Grenzen zu übertreten. Andererseits versteht er sich als Teamplayer. Beide Charakterzüge konnte er dank seiner Plattenfirma Erato maximal ausreizen: Er hat eine CD mit 17 Stücken für Klavier zu vier Händen aufgenommen – und in jedem Satz sitzt eine neue Partnerin, ein neuer Partner an seiner Seite. Dazu brauchte Tharaud einen langen Atem, die Aufnahmesitzungen zogen sich über vier Jahre hin.
Aber das Projekt hat sich gelohnt, weil man allen Sätzen anmerkt, wie sehr jedes neue Duo auf den Punkt konzentriert war. Mancher Musiker musste, anders als Tharaud, noch einmal gehörig üben, denn es waren nicht nur bekannte Pianistinnen und Pianisten unter den Wahlnachbarn (wie Beatrice Rana, David Fray, Alexander Melnikow, Vikingur Ólafsson oder Eric Le Sage), sondern auch prominente Quereinsteiger wie die Sängerin Juliette, der Countertenor Philippe Jaroussky oder der Cellist Gautier Capuçon.
Das Ergebnis ist fulminant, eine Parade von Schaustücken und bunten Blumen, würzig und lieblich, schwungvoll und verträumt, teils Originalkompositionen, teils Arrangements. Das geht komplett durch den Garten, ist aber nicht nur gesund, sondern nahrhaft – und stets mit einem stilvollen pianistischen Dressing versehen: Bach und Satie, Mozart und Schumann, Bizet und Glass, Schubert und Debussy, Brahms und Ravel. Nippes ist nicht darunter. Die Platte ist vom Prinzip einfach gestrickt, aber zauberhaft. Ihr Titel: „Four Hands“.
Trifonov, Babayan, Tharaud und all die anderen – sie alle hatten Sehnsucht nach einem Nachbarn, einer Gefährtin, nach Austausch, Kommunikation und Poesie im Duett. Sie trafen sich vor erwartungsfrohem Publikum, vor strengen Aufnahmeteams, vor gnadenlosen Mikrofonen. Doch ihr Glück im Moment bestand darin, vor aller Welt zu zweit allein zu sein.