Maria, ihm schmeckt’s nicht
Den Marienkult im Mai kann man, muss man aber nicht mitmachen, meint Pfarrer Ludwin Seiwert. Was die Bibel über Maria sagt, war Thema seines Vortrags.
ERKRATH Was legt man ihr nicht alles zu Füßen in der Hoffnung auf Heilung, Erlösung, Liebe. In allen Lebenslagen wenden sich Menschen noch heute an Maria, sei es bei Krankheiten, Naturkatastrophen oder in anderen schwierigen Lebenslagen. Es gibt zahllose Marienbildnisse und -statuen und einige Mariengedenk- und Feiertage, vor allem für Katholiken. Die Verehrung scheint grenzenlos.
Doch in der Bibel steht nur wenig über Maria, die Christen mal Mutter Gottes, mal Gottesmutter, mal Menschenmutter nennen, je nach Vorlieben und Interessen, und als Sorgenversteherin schlechthin und Fürsprecherin verstehen, als Heilige, als weibliche Gottheit gar. Mitten im Mai, jenem Monat, in dem Maria innerhalb der katholischen Kirche traditionell besonders gefeiert wird, stellt Pfarrer Ludwin Seiwert im Hochdahler Bibelkursus die Frage nach den Hintergründen der Marienverehrung: Was steht in der Bibel, was nicht, was glauben Christen, wie wichtig ist Maria?
Nach Christus ist Maria, so viel ist sicher, in der katholischen Kirche die zentrale Figur, die von Katholiken verehrt wird, ihn teilweise sogar ins Abseits drängt. In manchen Gegenden sei Maria wichtiger als Jesus, sagt Ludwin Seiwert. Dagegen habe einst der Reformator Martin Luther protestiert und viele Marienfeste abgeschafft, etwa Maria Himmelfahrt, da „die Bibel davon gar nichts kennt“. Die Vorstellung stamme vielmehr aus der mittelalterlichen Frömmigkeit. „Die Leute sagen: Wo soll sie denn sonst sein?“, so Seiwert, dessen Mantra an diesem Abend lautet: Man kann es glauben, muss es aber nicht. Wer es nicht glaubt, ist kein schlechterer Christ.
Der kritische Theologe Seiwert hält sich ans biblische Wort, wie einst Luther, dem es zu viel war mit der Marienverehrung, weshalb er sie aus dem evangelischen Glaubensalltag drängte. Zum unterschiedlichen Umgang mit Maria sagt der Hochdahler Pfarrer Seiwert: „Mein Eindruck ist: In der protestantischen Kirche wird Maria totgeschwiegen, während in den katholischen Gemeinden die Marienfrömmigkeit befördert wird“. Manches stehe nicht in der Bibel, obwohl es in vielen Köpfen fest verankert sei. In Kreuzworträtseln werde zum Beispiel häufig nach dem Namen der
Mutter von Maria gefragt, Anna, doch dieser Name stehe nicht in der Bibel.
Man wisse letztlich gar nicht viel über Maria, nicht einmal, ob sie in Nazareth geboren wurde, geschweige denn, ob sie ohne „Erbsünde“zur Welt gekommen sei. Auch diesen Begriff kenne die Bibel nicht, er sei erst später im Zuge theologischer Überlegungen aufgekommen, sagt Ludwin Seiwert.
Und so hält es die Bibel mit Maria: Für den Apostel Paulus (trat als Zeuge für Jesus Christus und seine erlösende Macht auf) war sie nicht wichtig, er schreibt lediglich in einem Nebensatz, dass Jesus von einer Frau geboren wurde. Dem Sohn lag die Mutter auch nicht sehr am Herzen, suggeriert das dritte Kapitel des Markus-Evangeliums mit einen Streit zwischen Jesus und seiner Verwandtschaft, die meint, er sei von Sinnen, ihn aus einer Versammlung herausrufen lassen will, was er aber verweigert: „Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? Und er streckte die Hand über seine Jünger aus und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter“, heißt es bei Markus.
Evangelist Matthäus überliefert zehn Jahre später einen Streit zwischen Maria und Josef, dem sie nicht die richtige Frau zu sein scheint, doch ein Engel versöhnt die beiden wieder. Lukas, der Matthäus nicht gekannt hat, erzählt dagegen von Maria, von der Ankündigung der Geburt eines Kindes, ihren Einwänden, ihrer Resignation (wie Seiwert es interpretiert), der Schwangerschaft, den Begebenheiten der Geburt und der Prophezeiung „Deine Seele wird ein Schwert durchdringen“. Johannes übernimmt nichts davon, liefert
andere Szenen wie Marias Anwesenheit unter dem Kreuz.
Das Spektrum bei den Evangelisten reicht vom widerspenstigen Jesus, der seine Mutter nicht sehen will, bis hin zu dem Maria zugesprochenen Vers „Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“(im Lukas-Evangelium) – biblische Belegstelle für die Marienverehrung in christlichen Konfessionen, besonders bei den Katholiken. Die Überlieferungen über Maria in der Bibel machen die Vielfalt des Glaubens sichtbar, sagt Seiwert.
Man hört heraus: Er fände es gut, wenn die katholische Kirche vorsichtig wäre mit der Marienfrömmigkeit, wenn sie nicht übertrieben wird. An Marienerscheinungen müsse man nicht glauben, auch nicht an Marienwallfahrten teilnehmen, sagt Seiwert (82), dem die Bibel viel, aber nicht alles ist. Zu schade, dass er keine Fragen mehr im Plenum beantwortet („das schaffe ich nicht mehr“), sondern nur unter Telefon 02104 8172460 oder per EMail an ludwin.seiwert@erzbistumkoeln.de.