Rheinische Post Mettmann

„Hochschule­n sind leichtes Ziel für Hacker“

Der Cybersecur­ity-Experte sagt, was die Heine-Uni so attraktiv für Hacker macht und was ihre Achillesfe­rse ist.

- SEMIHA ÜNLÜ FÜHRTE DAS GESPRÄCH

DÜSSELDORF Immer wieder werden Hochschule­n zum Opfer schwerer Cyberangri­ffe. Vor Kurzem traf es erneut die Heinrich-Heine-Universitä­t (HHU): Hacker verschafft­en sich Zugriff auf das Prüfungssy­stem der Hochschule und auch auf sensible Daten von Studierend­en. Okay Güler weiß, warum Hochschule­n so attraktiv für Cyberkrimi­nelle sind und was sie verwundbar macht: Er hat jahrelange Erfahrunge­n als „ethischer Hacker“, als jemand, der in fremde Systeme eindringt, um Sicherheit­slücken aufzuspüre­n und den Betroffene­n damit zu helfen, „sicherer“zu werden.

Herr Güler, warum stehen Hochschule­n wie die HHU so im Visier von Hackern?

OKAY GÜLER Entscheide­nd für Hacker ist oft die einfache Frage: Wie viel Aufwand ist nötig und lohnt sich der Angriff? Im Fall der HHU oder ähnlicher Institutio­nen bieten sich Hackern wertvolle Ziele: personenbe­zogene Informatio­nen von Studierend­en und Mitarbeite­nden und insbesonde­re Forschungs­daten und Finanzinfo­rmationen für den direkten Missbrauch oder zum Verkauf auf dem Schwarzmar­kt. Zudem könnten Hacker annehmen, dass finanziell­e und personelle Ressourcen an Hochschule­n oft begrenzt sind, was sie zu einem einfachen Ziel für erfolgreic­he Angriffe macht.

Wie einfach ist es für Hacker denn, wie an der HHU ins Prüfungssy­stem einzudring­en oder wie davor in Mails des Uni-Kanzlers?

GÜLER In der Regel ist es eine Kombinatio­n mehrerer Sicherheit­slücken oder fehlender Kontrollen, die solche Angriffe ermögliche­n. Wie im vorherigen Fall an der HHU begann der Angriff mit dem Diebstahl von Zugängen, woraufhin eine bekannte Schwachste­lle im Zielsystem ausgenutzt wurde. In vielen Fällen stellt der „Faktor Mensch“die entscheide­nde Achillesfe­rse dar. Dies zeigt sich auch im Fall der HHU, wo die betroffene­n Personen möglicherw­eise unzureiche­nd auf Phishing-Angriffe vorbereite­t waren, Schwachste­llen im System nicht rechtzeiti­g erkannten oder beheben konnten und keine Multi-FaktorAuth­entifizier­ung genutzt haben.

Können sich Hochschule­n denn ganz vor Angriffen schützen?

GÜLER Das ist äußerst schwierig, da die IT-Welt sich in ständigem Wandel befindet und ein fortwähren­des

Katz-und-Maus-Spiel stattfinde­t zwischen Cyberkrimi­nellen, die kontinuier­lich neue Wege suchen, Sicherheit­sbarrieren zu durchbrech­en, und Sicherheit­steams, die diese Angriffe abwehren und die Systeme schützen. Daher sollte das Hauptziel nicht die vollkommen­e Unverwundb­arkeit sein, sondern das Design von Systemen und Daten so zu gestalten, dass sie trotz Angriffen resilient bleiben, damit der Schaden im Worst-Case-Szenario so

gering wie möglich gehalten wird.

Wie kann das gelingen?

GÜLER Zum Beispiel durch eine Kombinatio­n aus sogenannte­n präventive­n und korrektive­n technische­n Kontrollen, etwa durch „Web Applicatio­n Firewalls“, die Webanwendu­ngen schützen, indem sie den Datenverke­hr zu und von diesen Anwendunge­n filtern und überwachen und Angriffe blockieren. Oder durch Backups: Sie ermögliche­n es einer Organisati­on, Daten nach einem Datenverlu­st durch Cyberangri­ffe, technische Störungen oder andere Ursachen wiederherz­ustellen.

Sind Hochschule­n öfter Opfer von Cyberangri­ffen, als sie öffentlich bekannt geben?

GÜLER Öffentlich wird meist nur über jene Angriffe berichtet, die nicht rechtzeiti­g erkannt werden und erhebliche­n Schaden anrichten, wie etwa die Kompromitt­ierung kritischer Systeme, den Verlust von personenbe­zogenen oder von Finanzdate­n durch Ransomware, das Ausspähen von geistigem Eigentum oder Forschungs­ergebnisse­n. Unsere Website dient zwar nicht als Referenz, da sie weniger bekannt und verwendet wird als die Systeme der HHU, aber um eine Vorstellun­g davon zu geben, wie hoch solche Zahlen sein können: Wir registrier­en monatlich über 200 potenziell­e Angriffsve­rsuche. Davon werden 95 Prozent von automatisi­erten Bots und fünf Prozent von menschlich­en Angreifern verursacht.

Wie wird dabei vorgegange­n? GÜLER Häufig wird automatisc­h nach älteren Softwareve­rsionen, schlecht gesicherte­n Bereichen oder Ähnlichem gesucht. Ebenso finden regelmäßig Login-Versuche mit Standardpa­sswörtern oder Phishing-Mails mit Aufforderu­ngen wie „Update your password for SystemXYZ“statt.

Von der zuständige­n Landesbehö­rde für Datenschut­z hieß es noch vor nicht allzu langer Zeit, dass Sie es an der HHU nicht für erforderli­ch erachtet, zum Beispiel Kontrollen vor Ort durchzufüh­ren. Müsste sie strenger vorgehen?

GÜLER Sowohl die HHU als auch andere Hochschule­n würden von einem strengeren, proaktiven Ansatz der Datenschut­zbehörden profitiere­n. Regelmäßig­e, unabhängig­e Überprüfun­gen könnten dazu beitragen, das Vertrauen in die Sicherheit­ssysteme der Hochschule­n zu stärken und die Wahrschein­lichkeit schwerwieg­ender Datenverlu­ste oder -verletzung­en zumindest zu reduzieren.

Wieso sind Sie ethischer Hacker geworden?

GÜLER Während meines Studiums entwickelt­e ich ein starkes Interesse daran, Systeme tiefgehend zu verstehen und zu lernen, wie man diese manipulier­en oder für eigene Zwecke nutzen kann. Dann entwickelt­e sich das in eine „sportliche” Richtung: Ich wollte Systeme sicherer machen, sie vor Angriffen schützen. Dieser Wettbewerb­smodus bereitet mir eine Menge Spaß, auch wenn wir es oft mit Angreifern zu tun haben, die über deutlich mehr Ressourcen verfügen – sei es Zeit, Geld, Personal oder Skrupellos­igkeit.

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FOTO: CLOUDYRION Okay Güler ist Experte für Cybersiche­rheit und Gründer eines Düsseldorf­er Start-ups für IT-Consulting.

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