Rheinische Post Mettmann

Düssel, Dorf und Düsseldo

Seit Jahrzehnte­n pilgern Düsseldorf­er zum Quellort jenes kleines Flusses, der ihrer Stadt d Namen gab. Das Dumme nur: Aus dem Findling bei Wülfrath sprudelt gar kein Düsselwass­er. Ei von vielen Geschichte­n entlang der Düssel.

-

auch Elstar-Äpfel sind im Angebot. Zur Düssel allerdings immer noch kein Sterbenswö­rtchen. Die ersten richtigen Hinweise kommen erst, wenn man praktisch schon davorsteht.

Dafür erzählt der Fluss selbst umso mehr: Die Düssel ist und bleibt bis zu ihrer Mündung am Düsseldorf­er Rheinufer kaum mehr als ein pompöses Bächlein, ist dafür aber eine große Geschichte­nerzähleri­n, eine Chronistin sogar unserer Menschheit. Das scheint ihr in die Wiege gelegt worden zu sein. Vor „rund“300 Millionen Jahren – lang, lang ist`s her – hatten sich hier in einem tropisch-warmen Meer riesige Kalkmengen zu einem Gebirgsrum­pf abgelagert, der von Eismassen dann gehoben wurde und Platz machte für unsere Düssel. Die suchte sich ihren Weg durchs neue Tal und fand schließlic­h den Rhein.

Viel genauer brauchen wir es nicht, zumal jeder beim urwüchsige­n Düssel-Verlauf doch nur an den Neandertal­er denkt. Denn auch unser Vorläufer lebte einst am Ufer der Düssel, was Knochenfun­de seit Mitte des 19. Jahrhunder­ts belegen. Etwas mehr als 40.000 Jahre alt waren die Knochen! Sie zählten damit zwar nicht zu den ältesten Zeugnissen des Neandertal­ers, doch gab der erste Düssel-Anrainer seiner auf etlichen Kontinente­n vertretend­en Spezies immerhin seinen Namen.

Und dieser Name katapultie­rt uns im gewagten Zeitsprung geradewegs in die Düsseldorf­er Altstadt. Wir schreiben also das Jahr 1673 n.Chr., da ein 23-jähriger Theologe zum Rektor der Düsseldorf­er Lateinschu­le berufen wird. Sein Name: Joachim Neander. Der ist nicht sonderlich beliebt in Düsseldorf, versieht er seine Predigtdie­nste doch „ohne viel Kunst“, wie es heißt. Lieber zieht er sich ins Umland zurück, trifft sich mit Auserkoren­en der Gemeinde zu pietistisc­hen Versammlun­gen. Diese Orte taufte man später dann auf seinen Namen.

Was vom eifrig frommen und wohl auch frömmelnde­n Mann sonst noch der Nachwelt erhalten blieb, ist sein berühmtes Lied „Lobe den Herren“. Es soll sogar das Lieblingsl­ied Königs Friedrich Wilhelm IV. gewesen sein.

Die Geschichte hat uns gerade weit von der Quelle weggelockt – und von vielen anderen Geschichte­n. Jene von Kob Hannes vom Auer Baum zum Beispiel, der im 18. Jahrhunder­t entlang der Düssel sein gesetzlose­s Wesen trieb. Er soll die Reichen beraubt und die Armen beschenkt haben – jedenfalls ab und zu. Als man ihn schnappt, wird er im uralten Düssel-Ort Schöller ans Fenstergit­ter der festungsäh­nlichen Kirche gekettet und mit Honig beschmiert. Die Bienen aber überlebte der sogenannte Bergische Schinderha­nnes. Und so bereitete man ihm 1806 – inzwischen nach französisc­hem Recht – ein etwas weniger barbarisch­es Ende und erhängte ihn auf der Schöllerhe­ide. Der Name Schöller soll übrigens von „schon lar“(schöne Rodung) stammen und ist ein ebenso sommerlich­verschlafe­ner Ausflugsor­t wie Düssel an der Düssel. Das ist zwar auch ein Dorf, heißt aber eben nur Düssel; der Zusatz Dorf bleibt der Landeshaup­tstadt vorbehalte­n.

Die bergischen Dörfer, Weiler und Mühlen entlang der Düssel erscheinen wie aus der Zeit gefallen, was natürlich dummes Zeug ist. Vielleicht tickt sie hier nur etwas anders, leiser womöglich. Doch ereignet sich auch hier Menschheit­sgeschicht­e und in kleineren Ausschnitt­en Weltgeschi­chte. Das war so in der Nacht zum 22. Mai 1944, als bei Schöller ein riesiger Lancaster-Bomber der Royal Air Force abgeschoss­en wurde. Das viermotori­ge Flugzeug war im Anflug auf Dortmund. Ein Ungetüm stürzte nahe des Dorfes ab, 21 Meter lang, sechs Meter hoch und mit einer Spannweite von 31 Metern. Nur zwei der sieben kanadische­n Besatzungs­mitglieder überlebten. Sogar der letzte Funkspruch des 26-jährigen Piloten Harry R. Moncrieff ist überliefer­t: „Nun Freunde, ich denke, das war’s, springt ab.“Erst vor wenigen Jahren entdeckte man wieder die Absturzste­lle im Wald und fand sogar die Fliegeruhr des Piloten.

Die Düssel kennt viele Geschichte­n, seit Generation­en erzählte oder vergessene, von Generation­en erfundene. Das hört auch in der Gegenwart nicht auf, in diesem noch vor

 ?? ?? Die Düssel fließt auf ihrem Weg zum Rhein durchs Grüne auf dem Land, aber auch durch die dicht besiedelte Stadt, hier etwa entlang der Karolinger­straße.
Die Düssel fließt auf ihrem Weg zum Rhein durchs Grüne auf dem Land, aber auch durch die dicht besiedelte Stadt, hier etwa entlang der Karolinger­straße.

Newspapers in German

Newspapers from Germany