„Was hat er den Leuten angetan?“
Der Kioskbesitzer wird offenbar verdächtigt, das Feuer in Flingern gelegt zu haben. Nachbarn und Angehörige zwischen Trauer und Entsetzen.
FLINGERN-NORD Hat der Kioskbetreiber seinen eigenen Laden angezündet? Dieser Verdacht schwebt über den Ermittlungen um den Brand eines Hauses in Flingern. In der Nacht zu Donnerstag hatte es erst eine heftige Explosion, dann ein verheerendes Feuer gegeben. Drei Menschen kamen ums Leben. Auf dem Boden des Kiosks, der sich im Erdgeschoss eines Wohnhauses befindet, fanden Ermittler Benzin. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln nun wegen Brandstiftung und Mordes.
Verdächtigt wird nach Informationen unserer Redaktion der Kioskbetreiber, der bei der Explosion ums Leben kam. Aus Ermittlerkreisen gibt es auch erste Erkenntnisse zu einem möglichen Motiv: Etwa eine Woche vor dem Brand soll dem 48-Jährigen die Kündigung ausgesprochen worden sein. Zum Ende des Jahres hätte er das Ladenlokal räumen müssen. Der Familienvater soll unter psychischen Problemen gelitten haben. Er war der Polizei bereits bekannt, in den Jahren 2017 und 2022 soll es zu zwei Fällen von häuslicher Gewalt gekommen sein.
Die Familie des Mannes hat offenbar nichts davon geahnt, dass der 48-Jährige etwas mit der Explosion zu tun haben könnte. Er galt am Morgen nach dem Brand als vermisst, die Familie schwebte in Ungewissheit. „Ich habe fast alle Polizeipräsidien in Düsseldorf, in Duisburg, alle Krankenhäuser, ich hab alles abgeklappert“, sagte einer der Söhne dem WDR. Nur Stunden zuvor habe sein Vater ihm zu Hause gute Nacht gesagt. Als klar ist, dass der 48-Jährige zu den Toten zählt, sammeln sich erste Nachrichten von Bekannten auf seinem Facebook-Account. Sie wünschen ihm, dass er in den Himmel kommt, und sprechen seiner Ehefrau und den Söhnen das Beileid aus.
In der Nachbarschaft gibt es geteilte Meinungen über den Kioskbesitzer. Aus dem Haus gegenüber an der Lichtstraße sagen drei Bewohner unabhängig voneinander, dass der 48-Jährige „nicht sympathisch“gewesen sei. Nachbar Plaurent L. berichtet, dass er trotz mehrfacher Einkäufe in dem Kiosk die Stimme des Besitzers nicht kenne. „Der hat Kunden nicht mal gegrüßt.“Sein erster Gedanke, nachdem er von dem Verdacht der Brandstiftung erfahren hatte: „Was hat er den Leuten angetan?“Auch Stephanie Bröcker, die ein paar Hausnummern weiter an der Grafenberger Allee wohnt, kannte den Mann von sporadischen Einkäufen. Sie berichtet, er sei im Haus unbeliebt gewesen. „Er hatte den öffentlichen Parkplatz vor seiner Tür als Kiosk-Parkplatz markiert, deswegen gab es häufiger Streit.“Ein weiterer Nachbar bestätigt diesen Ärger mit Anwohnern.
Doch es gibt auch eine andere Seite. Am Morgen nach dem Brand sprachen mehrere Nachbarn davon, wie „nett“und „geschäftstüchtig“der Kioskbesitzer sei. Sie wussten zu diesem Zeitpunkt nicht, dass der 48-Jährige nicht mehr lebt und möglicherweise selbst für den Brand verantwortlich sein könnte. Sie hätten ihn als freundlichen Familienvater kennengelernt, sagen mehrere Anwohner. Eine Nachbarin, die direkt gegenüber vom Kiosk wohnt, machte sich große Sorgen um ihn. Sie versuchte ihn telefonisch zu erreichen, doch der Anruf landete im Nichts.
An Pfingstmontag, Tag fünf nach der tödlichen Explosion, halten viele Passanten und Radfahrer vor dem ausgebrannten Haus an. An mehreren Stellen sind Blumen aufgestellt, in einigen roten und weißen Grabkerzen brennt Feuer. Vereinzelt gibt es kurze Botschaften an den 18-jährigen Ada Abay, der bei dem Feuer ums Leben kam.
Noch am Vortag hatte seine Schwester in den sozialen Medien einen Vermisstenaufruf gestartet: „Wir suchen meinen Bruder Ada Abay. Er ist bei der Explosion auf der Lichtstraße womöglich rausgeflüchtet, aber wir haben keine Info über seinen Standort“, hieß es dort. Am Freitag gab es dann traurige Gewissheit. Der 18-Jährige hat die
Nacht der Explosion nicht überlebt, er starb im Treppenhaus an einer Rauchvergiftung. Er hatte offenbar versucht, das Haus zu verlassen, um Hilfe zu holen. Die Feuerwehr rettete seine Mutter mit einer Drehleiter über den Balkon.
Um die Hinterbliebenen des 18-Jährigen zu unterstützen, läuft seit Freitag eine Spendenaktion. „Sein Tod kam völlig unerwartet und hinterlässt eine unermessliche Lücke in den Herzen seiner Familie und Freunde“, heißt es in dem Aufruf auf der Spendenplattform „Go fund me“. Die Familie stehe nun vor enormen finanziellen Herausforderungen. Die Wohnung wurde durch das Feuer zerstört und ist nicht mehr bewohnbar. Mithilfe der Spenden sollen die Bestattungskosten und die notwendigen Ausgaben für eine neue Unterkunft gedeckt werden. Bis Sonntag kamen bereits mehr als 36.000 Euro zusammen.
Zu den Toten zählt zudem ein 55-Jähriger. Er wurde leblos in seiner Wohnung gefunden, auch er starb an einer Rauchvergiftung. Die Ermittler beschäftigt weiterhin, warum der Mann Verletzungen erlitten hatte, die offenbar weder von der Explosion noch vom Feuer stammen. Noch sei nicht klar, wie diese Verletzungen zustande gekommen sind, die Staatsanwaltschaft will eine Fremdeinwirkung nicht ausschließen. Mit der Theorie, es könnte sich um eine Gewalttat und eine anschließende Vertuschung handeln, stimmten sie jedoch nicht überein.
Mitarbeit von Angelina Burch, Verena Kensbock, Maximilian Nowroth, Christian Schwerdtfeger