Rheinische Verfassung
Das Grundgesetz hat mit dem Gefühl des Rheinlandes einiges gemeinsam.
Die wohl rheinischste Verfassung deutscher Geschichte wird heute gefeiert. Das Grundgesetz, vor 75 Jahren verkündet, ist eng verknüpft mit Bonn und Konrad Adenauer. Der erste Bundeskanzler, schon bei seiner Wahl liebevoll „Der Alte“genannt, hatte als Präsident des Parlamentarischen Rates gezeigt, wie rheinische Einflussnahme geht. Er hatte in Köln als Oberbürgermeister das Klüngeln gelernt und wurde trotz seiner 73 Jahre am Ende Kanzler, obwohl andere (wie Karl Arnold aus Düsseldorf ) durchaus Ambitionen gezeigt hatten. Adenauer wusste halt, wie er mit klugen Reden und langem Palavern überzeugen konnte.
Für die Nominierung zum Kanzler soll er die besten Tropfen seines Weinkellers geopfert haben. Selbst FranzJosef
Strauß, damals junger Generalsekretär der CSU, ließ sich begeistern. Und letztlich hat Adenauer alles erreicht, was er wollte. Die Beratungen in Bonn waren geprägt von der Ausnahmesituation des Neubeginns. Da konnte der erfahrene Verhandler punkten. Dabei ließ er durchaus andere Auffassungen zu. Dazu passt eines seiner Lieblingszitate: „Wenn zwei Menschen immer die gleiche Meinung haben, taugen beide nichts.“
Adenauer, von den Nazis aus dem Amt gejagt und aus dem öffentlichen Leben verbannt, brachte das rheinische Verständnis von Freiheit und Toleranz mit ein: „Die persönliche Freiheit ist und bleibt das höchste Gut des Menschen.“Auch bei der Wahl der (vorläufigen) Bundeshauptstadt gelang ihm „rheinischer Klüngel“gegen Frankfurt.
So konnte der Alte später von seinem Wohnsitz Rhöndorf zum Regieren nach Bonn schippern.
Für die Unterzeichnung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 hatte Adenauer eigens ein güldenes Tintenfass mit zwei Engelchen aus dem Kölner Ratssilber ausgeliehen. Und tatsächlich versenkte er seinen Stift effektvoll hinein. Doch das Gefäß war leer – Adenauer nutzte einen effen Füllfederhalter. Das echte Grundgesetz hat mit dem Rheinischen („Jeder Jeck ist anders“) eines gemeinsam. Über beiden schwebt die Adenauer-Erkenntnis: „Nehme Se de Menschen, wie sie sind, andere jibt et nicht.“
Unser Autor ist stellvertretender Chefredakteur. Er wechselt sich hier mit Politikredakteurin Dorothee Krings ab.