Lieferkettengesetz nimmt letzte Hürde
Der EU-Ministerrat hat mit seiner Zustimmung den Countdown zum Inkrafttreten der neuen Regelung gestartet. Nun müssen die europaweiten Auflagen für Unternehmen in deutsches Recht umgesetzt werden. Schon droht neuer Ärger. Deutsche Flughäfen erholen sich l
BRÜSSEL Die Reaktionen folgten prompt: Sven Giegold, EU-erfahrener Wirtschaftsstaatssekretär von den Grünen, sagte sofort eine „wirksame und bürokratiearme Umsetzung“zu. Patrick Rohde vom Bund für Umwelt- und Naturschutz verlangte schnell, die Bundesregierung müsse die neue Richtlinie bei der Umsetzung „nachschärfen“. Und Martin Wansleben von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) forderte, bis zur Umsetzung in nationales Recht das deutsche Lieferkettengesetz „umgehend“auszusetzen. Diese Stimmen aus Deutschland zur endgültigen Verabschiedung des neuen EU-Lieferkettengesetzes durch den Ministerrat am Freitag zeigen nicht nur die Bandbreite der Einschätzungen, sondern signalisiert nach dem Ende der Auseinandersetzungen in Brüssel den Beginn eines neuen Streits in Berlin.
Deutschland gehörte zu den Ländern, die sich im Rat der Stimme enthielten, weil die FDP die neuen EUVorgaben hatte verhindern wollen. Doch aufhalten konnte das Votum die neue Richtlinie nicht mehr. Sie wird nun im EU-Gesetzblatt veröffentlicht, tritt 20 Tage später in Kraft und muss dann binnen zwei Jahren von den nationalen Gesetzgebern umgesetzt werden. Sie ist der Versuch, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung über die Verantwortung europäischer Unternehmen für die gesamte Kette, die ihre Produkte nehmen, weltweit auszuhebeln.
Zwei signifikante Unterschiede gibt es zwischen dem bereits seit Anfang vergangenen Jahres geltenden deutschen Lieferkettengesetz und seinem neuen europäischen Pendant. Nach den EU-Vorgaben können Unternehmer für ihr Handeln weltweit auch haftbar gemacht und in Europa verklagt werden, nach den deutschen Vorgaben nicht; auch die Zahl der betroffenen Unternehmen ist verschieden. DIHK-Hauptgeschäftsführer Wansleben kritisiert: „Eine nationale Gesetzgebung aufrechtzuerhalten, während in fast allen anderen EU-Mitgliedstaaten eine derartige Regelung noch gar nicht existiert, schafft eindeutig Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft.“
In die andere Richtung zielt die Entwicklungsorganisation Germanwatch. Zwar seien von der EURichtlinie weniger Unternehmen betroffen als von der deutschen, weil nicht nur die Mitarbeiterzahl, sondern auch die Umsatzschwelle von 450 Millionen Euro vorgegeben ist, die viele Firmen vom Gesetz ausnehmen werde. Doch verlangt Germanwatch-Expertin Cornelia Heydenreich: „Diese Einschränkung darf nicht auf Deutschland übertragen werden.“Schließlich gebe es in der EU-Richtlinie auch den Passus, wonach das national vorhandene Schutzniveau nicht aufgeweicht werden dürfe.
Deutschlands Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) nannte die Entscheidung des Ministerrats eine „gute Nachricht für alle Menschen weltweit, die unter miserablen Arbeitsbedingungen leiden“. Das Gesetz werde nicht nur Auswirkungen auf Unternehmen in der EU haben, sondern auch Firmen im globalen Süden betreffen. Daher baue Deutschland mit seinen Partnern
einen europäischen Helpdesk auf, der Firmen beraten werde. So soll über eine Plattform der vernetzte Austausch untereinander und mit den Betroffenen vor Ort ermöglicht und Expertise gebündelt werden. Die Regierung werde laufende Förderprogramme auf die EU-Regulierung ausrichten und Mustervertragsklauseln bereithalten.
Unterschiedlich fiel die Wertung auch in Brüssel aus. Für die Vorsitzende des EU-Binnenmarktausschusses und Grünen-Politikerin Anna Cavazzini ist die Entscheidung vom Freitag ein „Meilenstein für den Schutz der Menschenrechte weltweit“. Für die deutsche Wirtschaft bedeute das Gesetz auf EU-Ebene auch „endlich faire Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt“, so Cavazzini. Dagegen rechnet der Chef der CDU/CSU-Europaabgeordneten, Daniel Caspary, damit, dass durch die unterschiedliche Umsetzung in den einzelnen EUStaaten nun ein „Flickenteppich“entstehe, der zu Rechtsunsicherheit und Wettbewerbsnachteilen führe.
BERLIN/FRANKFURT (dpa) An den deutschen Airports sind im April die Passagierzahlen langsamer gestiegen als in den Monaten zuvor. 17,4 Millionen Ein- und Aussteiger bedeuteten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwar ein Wachstum um 8,9 Prozent, doch im ersten Quartal hatte das Plus mehr als 13 Prozent betragen, wie der Flughafenverband ADV am Freitag mitteilte. Auch blieben die Zahlen weiter deutlich hinter dem Vor-CoronaJahr 2019 zurück. Mit einer Erholungsrate von 82,1 Prozent lag Deutschland im europäischen Vergleich hinten. Vor allem Inlandsflüge wurden nach der Corona-Krise nicht wieder aufgenommen, sodass in diesem Segment in den ersten vier Monaten nicht einmal mehr halb so viele Passagiere unterwegs waren wie zuvor.