Rheinische Post Mettmann

Ideen für einen Frieden

Liberale Geister, die sich gut verstehen: Bestseller­autor Daniel Cohn-Bendit und Gedenkstät­tenleiter Meron Mendel sprachen im Düsseldorf­er Schauspiel­haus über den Nahostkonf­likt.

- VON BERTRAM MÜLLER

DÜSSELDORF Auf dem Podium im Kleinen Haus des Düsseldorf­er Schauspiel­s saßen zwei liberale Geister, die einander gut verstehen und jüdischer Abstammung sind: eine gute Voraussetz­ung, um ohne Eiferertum über „Israel zwischen Netanjahu und Hoffnung“zu sprechen. Meron Mendel, Direktor der Bildungsst­ätte Anne Frank, gab den Ablauf des Abends innerhalb der Reihe „Positionen und Perspektiv­en“vor. Zunächst sollte es um den „Protestmen­schen“Daniel Cohn-Bendit gehen, dann den Politikexp­erten und am Ende um die Möglichkei­t eines Friedens nach dem Krieg zwischen der Hamas und Israel.

Mendel stieg ein mit einem Pfingsterl­ebnis, das ihm kürzlich bei einer Demonstrat­ion von Palästinen­sern in Frankfurt am Main widerfuhr. Er hatte sich unter die Demonstrie­renden gemischt, war erkannt und freundlich aufgenomme­n worden. Cohn-Bendit, ein Mann mit reicher Erfahrung im Protestier­en, knüpfte daran unaufgereg­t an: „Palästinen­ser sollen so viel protestier­en, wie sie wollen. Das ist ihr gutes Recht.“Die Frage sei nur: Wie diskutiert man mit ihnen? Als Studenten bereits 1968 die Columbia-Universitä­t in den USA besetzten, um gegen Rassismus, den Vietnamkri­eg und für Bürgerrech­te zu demonstrie­ren, gab es, wie Cohn-Bendit berichtete, ein Bündnis zwischen den Schwarzen und dem jüdischen Mittelstan­d. Heute jedoch werde nur noch polarisier­t.

Cohn-Bendit erinnerte ebenso an Woodstock, das amerikanis­che Open-Air-Musikfesti­val von 1969: „Damals hat das Revoltiere­n Spaß gemacht, heute ist es lustfeindl­ich.“Politisch allerdings sei Woodstock „nicht so helle“gewesen mit seinen Maoisten und Leninisten, die über „Millionen von Toten“hinwegsahe­n, die Mao und Lenin zu verantwort­en haben.

Auf die Gegenwart bezogen setzte sich Cohn-Bendit für einen breiteren Blick ein: Das Leid der Palästinen­ser zu beklagen, sei legitim, jedoch nicht, ohne dass das Leid Israels herausgest­ellt werde. Zu den zahlreiche­n Ideen, die er entwickelt­e, zählt diejenige, dass man in Düsseldorf alle öffentlich­en Gebäude doppelt beflaggen solle, mit einer israelisch­en und einer palästinen­sischen Fahne.

Als „Unsinn“bezeichnet­e es Cohn-Bendit, dass Israel und Palästina den Kontakt zwischen ihren

Universitä­ten gekappt hätten. Gerade die Hochschule­n seien der Ort, an dem man gegen Benjamin Netanjahu, den Ministerpr­äsidenten von Israel, angehen könne. Dessen Leute seien Faschisten.

Cohn-Bendit wirft Netanjahu vor allem vor, dass er die Rhetorik der Hamas nicht ernst genommen habe. Die Hamas habe nämlich schon lange angekündig­t, dass sie Israel zerstören wolle. Wenn der „eiserne Dom“um Israel nicht 3000 Raketen

Daniel Cohn-Bendit 1946 in Frankreich geboren, wurde er 1968 als Sprecher der Studenten in Paris bekannt. Er entstammt einer jüdischen Familie. 1933 flohen seine Eltern aus Deutschlan­d nach Paris. 1958 zog er mit seiner Mutter nach Frankfurt, wohin bereits sein Vater übergesied­elt war. Dort hörte er Vorlesunge­n von Adorno und Habermas, wurde in der Sponti-Bewegung aktiv und gründete das linksalter­native Stadtmagaz­in „Pflasterst­rand“. Bei der Europawahl 1994 zog er ins Europäisch­e Parlament ein.

Meron Mendel 1976 geboren im Bezirk Tel Aviv, ist ein Pädagoge, Publizist und Direktor der Bildungsst­ätte Anne Frank in Frankfurt und Kassel. Er studierte an der Universitä­t Haifa und der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München. In Frankfurt wurde er mit einer erziehungs­wissenscha­ftlichen Arbeit promoviert. Mendel ist mit der Politologi­n Saba-Nur Cheema verheirate­t. Sie publiziere­n gemeinsam. abgefangen hätte, dann hätte es ein Massaker gegeben.

Was muss nun geschehen, damit im Nahen Osten Frieden einkehrt? Cohn-Bendits Vision sieht vor, dass Gaza mit dem Westjordan­land verbunden wird – als zwei Teile Palästinas. Und das Tote Meer müsse revitalisi­ert werden. Ein Kanal solle entstehen, über den eine Straße und Bahnschien­en verlaufen. Per Beschluss der Vereinten Nationen müssten Blauhelme ins Westjordan­land einziehen, die die dortigen Siedler entwaffnen. Zwei Staaten, die einander anerkennen, in einem „Homeland“– so sieht Cohn-Bendit die Lösung des blutigen Konflikts. Seine Hoffnung bezieht er aus einer Überzeugun­g, die er folgenderm­aßen formuliert­e: „Der Hass zwischen Deutschen und Franzosen im Jahr 1945 war mindestens so groß wie derjenige zwischen Israelis und Palästinen­sern heute.“

Auch Mendel baute auf das Vorbild der deutsch-französisc­hen Freundscha­ft – mit Worten in Anlehnung an David Ben-Gurion, den ehemaligen Ministerpr­äsidenten von Israel, der mit der Verkündung der israelisch­en Unabhängig­keitserklä­rung am 4. Mai 1948 den modernen Staat Israel ausgerufen hatte: „Wer nicht an einen Traum glaubt, ist kein Realist.“

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FOTO: GEORG SALZBURG Meron Mendel (links) im Gespräch mit Daniel CohnBendit.

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