Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Maut-Pleite für Bundesregierung
Überraschend stoppt der Europäische Gerichtshof die Pkw-Maut. Für die große Koalition ist das Urteil eine herbe Niederlage – vor allem für die CSU.
BERLIN/BRÜSSEL Die Einführung der Pkw-Maut in Deutschland ist vorerst geplatzt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte das CSU-Prestigeprojekt für rechtswidrig, weil es ausländische Autofahrer benachteiligt hätte. Das Maut-Modell sei damit vom Tisch, räumte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ein. Der Bund muss nun klären, wie er drohende Haushaltslöcher schließt.
Die große Koalition hatte nicht nur mit jährlichen Einnahmen von 500 Millionen Euro durch die Maut gerechnet. Sie muss voraussichtlich auch milliardenschwere Schadenersatzforderungen fürchten. Denn Scheuer hatte vor dem Urteil einen Vertrag mit zwei Unternehmen geschlossen, die Erhebung und Kontrolle der Maut übernehmen sollten. Zudem wurden für die Umsetzung bereits Stellen geschaffen – unter anderem beim Kraftfahrtbundesamt.
Das Urteil kam für die Regierung überraschend, weil die EU-Kommission und der Generalanwalt der EU die Pkw-Maut vor dem Urteil bereits durchgewunken hatten. Die obersten EU-Richter hielten sich daran jedoch nicht. Sie gaben einer Klage Österreichs statt, die auch von den Niederlanden unterstützt worden war. Die Ausgestaltung der Maut sei diskriminierend, weil die Kosten allein von ausländischen Fahrern hätten getragen werden müssen, urteilten die Richter.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ mögliche Konsequenzen vorerst offen. Scheuer deutete an, dass die Bundesregierung ein völlig neues Konzept für eine streckenabhängige Maut entwerfen könnte. Diese wird seit Jahren von Experten gefordert. Entstehen könnte das Konzept im Zuge eines Klimaschutz-Gesamtpakets, das im September geschnürt werden soll.
Scheuer soll nach einem Antrag der Grünen-Bundestagsfraktion bereits an diesem Mittwoch im Verkehrsausschuss des Bundestags zu den Folgen des Urteils Stellung beziehen. Er solle „dem Ausschuss einen Bericht zu den Folgen des Urteils und den weiteren Planungen der Bundesregierung für die Infrastrukturabgabe vorstellen“, heißt es in dem Antrag. „Insbesondere erwarten wir Informationen zu den zu erwartenden Entschädigungszahlungen an die Unternehmen Kapsch und Eventim.“
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) begrüßte das Urteil. „Unser Ziel war es immer, im gemeinsamen Lebensund Arbeitsraum von Niederlande, Belgien, Luxemburg und Nordrhein-Westfalen keine zusätzlichen Hindernisse für Pendlerinnen und Pendler zu schaffen“, sagte er. „Es ist gut, dass der Europäische Gerichtshof diese Ziele bestätigt hat und unsere Region im Herzen Europas mautfrei bleibt.“
Unionsfraktionsvize Ulrich Lange kritisierte das Urteil dagegen scharf. „Inhaltlich ist das Urteil eine schlechte Nachricht für unsere Straßeninfrastruktur“, sagte Lange. „Denn nun wird sich automatisch die dringend notwendige Umstellung der Finanzierung unserer Verkehrsinfrastruktur von Steuern auf Nutzerbeiträge weiter zeitlich verzögern, obwohl das alle Experten und die Europäische Kommission fordern“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Union. „Es ist gut, dass der EuGH diesen Maut-Unsinn abwürgt“, sagte dagegen Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Die Maut hätte Ausländer diskriminiert und „wäre nebenbei noch ein fettes Minusgeschäft gewesen“.