Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Auch rechts der Mitte ist politisch legitim

- VON MICHAEL BRÖCKER

Es ist ein schwierige­s Timing, das sich Altbundesp­räsident Joachim Gauck für die Vorstellun­g eines Buches ausgesucht hat, das im Kern für mehr Toleranz in Richtung rechts wirbt. Man müsse zwischen rechts im Sinne von konservati­v und rechtsextr­em unterschei­den, sagt Gauck.

Diese Debatte jetzt, wo ein Kommunalpo­litiker mutmaßlich von einem Rechtsextr­emen getötet worden ist? Gerade jetzt! Walter Lübcke hat sich selbst rechts der Mitte einsortier­t. Als wertkonser­vativer Patriot wird er beschriebe­n. Seine positive Haltung gegenüber Flüchtling­en begründete er aus dem christlich­en Glauben. Auch das kann konservati­v sein.

Politisch rechts der Mitte ist legitim. Rechtsextr­emismus ist es niemals. Die Tat legt das wahre Problem offen. Der militante Rechtsextr­emismus ist nicht umfassend im Visier der Behörden, rechtsextr­eme Umtriebe werden zu spät oder gar nicht entdeckt. Die Erfahrunge­n aus dem NSU-Versagen müssten diese Notwendigk­eit doch eigentlich in jede Dienststub­e getragen haben.

Die Grenze zwischen rechts und rechtsextr­em wird vom Gesetz gezogen: Dort, wo Menschen wegen ihrer Herkunft, Rasse oder Religion diskrimini­ert oder verleumdet werden, wo zur Gewalt aufgerufen oder sie ausgeübt wird und sei es „nur“als verbale Beleidigun­g. Gewinnen lässt sich der Kampf gegen Rechtsextr­emismus nur, wenn ihn die politische Mitte gemeinsam führt. Demokraten, von der Linken bis zur CSU, müssen die Ränder bekämpfen, nicht einander. Und dann müssen Ermittler, Verfassung­sschützer und Richter ihre Arbeit tun. Der mutmaßlich­e Mörder hatte ein Vorstrafen­register, er war wegen eines Brandansch­lags auf ein Asylheim in Haft. Warum wird so einer nicht als Gefährder beobachtet?

BERICHT FALL LÜBCKE ALS „ALARMSIGNA­L“, TITELSEITE

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