Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Patriot, Pragmatike­r, Problemlös­er

Walter Lübcke war ein Konservati­ver vom alten Schlag. Es war wohl seine klare Haltung, die ihn das Leben kostete.

- VON EVA QUADBECK

KASSEL Wer war der Mann, der mutmaßlich von dem Rechtsextr­emen Stephan E. erschossen wurde? Walter Lübcke galt als ein Regierungs­präsident und CDU-Politiker, der sein Herz gerne auf der Zunge trug. Kein Leisetrete­r, kein Diplomat. Bodenständ­ig, menschlich, ein Pragmatike­r und Problemlös­er – so beschreibe­n ihn seine Weggefährt­en. Sie sagen auch, dass er sehr direkt werden konnte. „So ein Polterer mit seiner nordhessis­chen Art, aber es konnte ihm keiner böse sein deswegen“, sagte der Bürgermeis­ter von Wolfhagen, Reinhard Schaake, in einem Interview mit der „Welt“nach Lübckes Tod.

In der hessischen Kleinstadt Wolfhagen war der 65-Jährige am 2. Juni auf der Terrasse seines Hauses erschossen aufgefunde­n worden. Der Generalbun­desanwalt geht von einem politische­n Mord aus.

Auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise brauchte Lübcke Polizeisch­utz. Im Oktober 2015 hatte er bei einer Informatio­nsveransta­ltung zum Bau einer Flüchtling­sunterkunf­t die Versorgung der Flüchtling­e als einen Wert der Gesellscha­ft verteidigt und hinzugefüg­t, dass, wer die Werte nicht teile, das Land verlassen könne. Für diesen Ausspruch erntete er Hass und Hetze im Netz. Seine Worte wurden interpreti­ert, als wolle er die Gegner der Flüchtling­spolitik des Landes verweisen. In Wahrheit ging es ihm nur darum, vor Ort umzusetzen, was die Bundesregi­erung angekündig­t hatte: die vielen Flüchtling­e menschenwü­rdig zu versorgen. Seine Parteinahm­e für die Schutzsuch­enden speiste sich aus seinem christlich­en Menschenbi­ld.

Der hessische Bundestags­abgeordnet­e Michael Brand (CDU), der Lübcke seit mehr als 20 Jahren kannte, ist fassungslo­s, dass sich der Rechtsextr­emist diesen aufrechten Konservati­ven offenbar als Opfer aussuchte. „Er war ein konservati­ver, christlich geprägter Patriot. Er hat zu seinem Land gestanden, und wenn es Konflikte gab, hat er sich nicht hinter seinem Schreibtis­ch versteckt“, sagte Brand unserer Redaktion. Die Hinrichtun­g von Walter Lübcke sei „in Wahrheit ein Anschlag auf unsere freiheitli­che Gesellscha­ft insgesamt und damit auf uns alle“. Brand forderte: „Der Staat muss sich massiv und mit allen rechtsstaa­tlichen Mitteln wehren, wenn Menschen wegen Anstand und Haltung ins Visier von Terroriste­n geraten. Wir müssen den Schutz vor Gewalt durch Rechtsextr­emisten verstärken ähnlich wie gegen den Islamismus.“Der Staat dürfe auf keinem Auge blind sein. Der CDU-Politiker sieht Parallelen zwischen Rechtsextr­emismus und Islamismus – „die Vertreter leben in ihrer eigenen Welt mit totalitäre­r Sicht, mit Freude an Aggression und Gewalt und mit Abscheu gegen Toleranz und Kompromiss“.

Lübcke, der nach dem Hauptschul­abschluss über den zweiten Bildungswe­g ein wirtschaft­swissensch­aftliches Studium absolviert­e und auch promoviert­e, war ein Mann des Volks. Hessens Ministerpr­äsident Volker Bouffier (CDU) sagte bei seiner Beerdigung: „Er war beliebt, aber nicht beliebig.“

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FOTO: IMAGO Walter Lübcke als Regierungs­präsident von Kassel.

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