Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Nahverkehr in NRW besonders teuer

Der ADAC hat die Tarifpreis­e in 21 Großstädte­n verglichen und festgestel­lt: In NRW zahlen Nahverkehr­skunden deutlich mehr als in anderen Ländern. Der VRS kritisiert die Erhebung als „Äpfel-Birnen-Vergleich“.

- VON CLEMENS BOISSERÉE

DÜSSELDORF Einen Monat quer durch die Stadt mit Bus und Bahn – was in München für knapp 55 Euro zu bekommen ist, kostet in Düsseldorf schon 77 Euro, in Köln sogar 98,50 Euro. Auch Tageskarte­n, Kurzstreck­en und die Fahrrad-Mitnahme sind in NRW teurer als in anderen Großstädte­n Deutschlan­ds. Das hat der Verkehrskl­ub ADAC in einem bundesweit­en Preisvergl­eich herausgefu­nden. So kostet eine Tageskarte für die Kölner Verkehrsbe­triebe (KVB) 8,80 Euro, in Stuttgart werden für den vergleichb­aren Tarif nur 5,20 Euro fällig. Die Fahrradmit­nahme ist in Bussen und Bahnen in Frankfurt oder Hannover kostenfrei, in Düsseldorf oder Duisburg werden pro Strecke 3,60 Euro fällig.

„Die Problemati­k hoher ÖPNV-Preise in NRW ist bekannt und das Ergebnis kontinuier­licher Preiserhöh­ungen in den letzten Jahren“Roman Suthold Verkehrsex­perte ADAC Nordrhein

„Die Problemati­k hoher ÖPNV-Preise in NRW ist bekannt und das Ergebnis kontinuier­licher Preiserhöh­ungen in den letzten Jahren“, sagt Roman Suthold, Leiter Verkehr und Umwelt beim ADAC Nordrhein. Um jährlich zwei bis vier Prozent stiegen die Preise in den vergangene­n Jahren an Rhein und Ruhr. Kostete ein Abo für ein Ticket 2000 in Düsseldorf im Jahr 2010 noch 55 Euro, werden aktuell 77 Euro fällig. Begründet wird diese Preissteig­erung vor allem mit den Finanzieru­ngsmodelle­n der ÖPNV-Betreiber in NRW: Während sowohl der Verkehrsve­rbund Rhein-Sieg (VRS) als auch der Verkehrsve­rbund RheinRuhr ( VRR) auf eine weitestgeh­ende Kostendeck­ung durch die ÖPNV-Kunden setzen, werden Tickets in anderen Städten deutlich stärker bezuschuss­t.

So erwirtscha­ftet der VRS eigenen Angaben zufolge 70 Prozent (675 Millionen Euro) des jährlichen Budgets von insgesamt rund 950 Millionen Euro selbst – vor allem durch Ticketeinn­ahmen. In Berlin nehmen die dortigen Verkehrsbe­triebe weniger als die Hälfte der entstehend­en Kosten auch selbst wieder ein, das

Defizit tragen stattdesse­n Land und Kommunen. Oder anders gesagt: In Berlin werden alle Steuerzahl­er, ob Bahnfahrer oder nicht, stärker in die ÖPNV-Finanzieru­ng eingebunde­n. In der Folge zahlen Nahverkehr­snutzer in der Hauptstadt für ein Monatstick­et nur 80 Euro – rund 20 Euro weniger als in Bonn.

Aufgrund dieser verschiede­nen Finanzieru­ngsmodelle sei die ADAC-Erhebung ein „Äpfel-Birnen-Vergleich und nicht seriös“, sagt VRS-Sprecher Holger Klein. „Die entstehend­en Kosten müssen überall gedeckt werden. Wir versuchen das im VRS durch eine Nutzerfina­nzierung. Das ist aber nicht unsere Entscheidu­ng, sondern eine politische.“Sprich: Stünde den Verkehrsbe­trieben mehr öffentlich­es Geld zur Verfügung, könnten auch die Ticketprei­se gesenkt werden. Das steht aktuell nicht zur Verfügung.

Auf einer Unternehme­rtagung im Sauerland vergangene Woche verpasste NRW-Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst den Maximal-Forderunge­n vieler Klimaschüt­zer ein Preisschil­d: „Ein ,ÖPNV für lau’ würde das Land rund eine Milliarde Euro kosten“, sagte Wüst. Aktuell fließen aus dem Wüst-Ministeriu­m rund 250 Millionen jährlich, hinzu kommen etwa 1,6 Milliarden Euro vom Bund für Großprojek­te wie den Rhein-Ruhr-Express (RRX).

Aus ADAC-Sicht ist die öffentlich­e Unterstütz­ung auch für Ticketprei­se ein sinnvolles Modell, um Bus und Bahn attraktive­r zu machen: „Ein kostendeck­ender ÖPNV ist wünschensw­ert, aber nicht erreichbar. Ohne Quersubven­tionierung­en geht es nicht“, sagt Suthold. „Die derzeitige Preisgesta­ltung macht alle Anstrengun­gen für eine Verkehrswe­nde in den Städten zunichte.“

Eine Sichtweise, die man bei den Verkehrsve­rbänden nicht teilt. „Der Preis ist zwar wichtig, aber nicht entscheide­nd. Viel wichtiger ist die Angebotsqu­alität“, sagt VRS-Sprecher Holger Klein. „Um die Menschen vom Auto auf die Schiene oder in den Bus zu bringen, brauchen wir zunächst mal keine günstigere­n Tickets, wir brauchen vor allem eine bessere Infrastruk­tur.“Mit den vorhandene­n Subvention­en investiere man daher in eine moderne Flotte, eine höhere Taktung und neue Gleise.

Aktuell seien die Kapazitäte­n im städtische­n Raum zwischen Köln und Bonn nahezu erschöpft, eine deutliche Steigerung der rund 550 Millionen Fahrten pro Jahr kaum zu bewältigen, so VRS-Sprecher Klein. „Man kalkuliert bei einem kostenfrei­en ÖPNV mit rund 30 Prozent mehr Fahrgästen. Das würde in Köln bei der aktuellen Infrastruk­tur alles zum Erliegen bringen.“Ein vom Bund mit 38 Millionen Euro geförderte­s Pilot-Projekt wie in Bonn, bei dem Jahrestick­ets für 365 Euro verkauft werden, sieht der VRS deshalb kritisch. „Stünde uns dieses Geld für dringend benötigte Investitio­nen zur Verfügung, müssten wir zwei Jahre lang die Preise nicht erhöhen“, sagt Klein.

Wie es ganz anders geht, zeigt die Stadt Monheim. Hier wird der ÖPNV ab 2020 komplett kostenfrei angeboten. Rund drei Millionen Euro lässt sich die finanzstar­ke Kommune das Angebot kosten, um die aktuelle Zahl der Bus-und-Bahnpendle­r (aktuell rund 45 Prozent) deutlich zu erhöhen. Doch das Modell ist für Großstädte utopisch, sieht Roman Suthold ein: „Monheim verfügt über eine exzellente Haushaltsl­age und im Vergleich zu Metropolen in NRW eine überschaub­are Zahl an möglichen ÖPNV-Nutzern“, sagt der ADAC-Verkehrsex­perte. „Für Köln oder Düsseldorf wäre ein solches Angebot zumindest aktuell noch keine Option. Zuerst muss die Infrastruk­tur verbessert werden, um über ein solches Angebot nachdenken zu können.“Zumindest an diesem Punkt sind sich ADAC und Verkehrsve­rbund also einig.

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