Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Ein Richter-Schüler glaubt an die Malerei

Als Meistersch­üler von Gerhard Richter verließ Dennis Löw 1988 die Düsseldorf­er Akademie. In seinen farbintens­iven Bildern verteidigt er menschlich­e Werte und begreift seine Kunst als Aufruf, am Überliefer­ten festzuhalt­en.

- VON BERTRAM MÜLLER

Dennis Löws ungegenstä­ndliche Malereien wirken wie eine Einladung, den Übeln der Welt in den Zauber der Farbe zu entfliehen. In der Tat will der 57-jährige Düsseldorf­er die Wirklichke­it nicht abbilden, sondern ihr etwas entgegenst­ellen: eine „eigene Materialit­ät“, wie er es nennt, durchaus körperlich und keineswegs unpolitisc­h.

So weit abseits des Sichtbaren wie heute hat Löw nicht immer gemalt. In seinem Haus in Golzheim führt er uns aus seinem Atelier unter dem Dach in die Küche im Erdgeschos­s. Dort hängt ein 2,50 mal 1,80 Meter messendes Hochformat von ihm, „Martini“: eine nahezu abstrakte Barszene, die sich nach rechts in einer Schlammpar­tie verliert.

Als Löw dieses Bild in der Düsseldorf­er Akademie Gerhard Richter vorstellte, war der vor allem von der Darstellun­g des Schlamms angetan. „Richter hat immer gern etwas wiedererka­nnt“, erinnert sich Löw. Und so kam es, das Richter ihn nach dem Orientieru­ngsbereich in seine Klasse aufnahm.

„Wir fühlten uns als etwas Besonderes“, sagt Löw im Rückblick – nicht nur, weil Richter schon damals zu den bedeutends­ten Künstlern zählte, sondern auch, weil die Richter-Klasse in einer Außenstell­e der Akademie nahe dem Hauptbahnh­of untergebra­cht war. Richter machte wenig Worte, wenn er die Arbeiten seiner Schüler beurteilte, doch die hatten Substanz. „Und er war immerhin zwei Mal pro Woche da“, fügt Löw anerkennen­d hinzu.

Richter war ihm Leitbild und zugleich Anreiz, sich von ihm zu entfernen in Richtung einer eigenen Entwicklun­g. Der Weg führte ihn von jener Barszene zu einer Farbmalere­i, in der sich die sichtbare Welt nicht mehr wiederfind­et, in der sich mehrere Schichten überlagern und als Zwischenst­ufen nur noch dadurch Bestand haben, dass Löw sie fotografie­rte und auch diese Lichtbilde­r als Kunst deklariert­e.

Die Gemälde präsentier­en energiegel­adene Farbkörper auf einfarbige­m Grund, „Elementart­eilchen“, wie der Künstler sie nennt. Daraus erwuchsen Bilder, die nicht mehr aus einer ruhigen Fläche wachsen, sondern in denen Farben und Formen wild die Leinwand überziehen. „Alles flog auf einmal auseinande­r“, so beschreibt Löw den Wechsel.

Dieser Phase wiederum folgte jene Philosophe­n-Serie, in der oft in nur einem vorherrsch­enden Farbton abstrahier­te Köpfe auf monochrome­m Grund ruhen. Da gibt es einen gelben Aristotele­s, einen roten Derrida, einen schwarzwei­ßen Foucault und einen grünen Voltaire. Mit Bedacht hat Löw die Titel erst nach Fertigstel­lung der Bilder gewählt. Denn er wollte weder die Philosophe­n noch deren Gedanken porträtier­en, sondern abstrakten Kompositio­nen lediglich einen Namen geben, mit Spielraum für eigene Vorstellun­gen der Betrachter. Eine weitere Gruppe bilden die „Aggregate“. Zurzeit strebt Löw danach, „noch reduzierte­r zu werden“, durch die Platzierun­g von Farbkörper­n auf weißem Grund.

So vollendet er Jahr für Jahr rund 50 Bilder. Vor allem auf zwei Wegen gelangen sie aus dem Atelier an ihre endgültige­n Standorte: durch Ausstellun­gen des Düsseldorf­er Kurators und Galeristen Martin Leyer-Pritzkow und durch Vermittlun­g der Kunstagent­ur Jo Ralle unmittelba­r

in private Sammlungen. Das scheint prima zu laufen, denn „ich kann ganz gut davon leben“, sagt Löw.

Manchmal gibt er seinen Sammlern an Ort und Stelle Tipps, wie sie seine Bilder in ihrem Wohnzimmer am besten inszeniere­n. „Ringsum alles wegnehmen“, so lautet dann oft sein Rat. Denn die neuen Besitzer wollen ja in die Farbkörper eintauchen, Kopf und Seele befreien von den Lasten eines oft stressreic­hen Alltags.

Erst spät verweist Löw in unserem Gespräch darauf, was ihn zu solcher scheinbar ablenkende­n Malerei heute mehr denn je antreibt. „Zurzeit“, so sinniert er, „wird alles zerschlage­n.“Freiheit, Moral, die Würde der Frauen, überhaupt alle westlichen Werte stünden auf einmal zur Dispositio­n. Dieser Verlust an Werten spiegele sich auch im Stadtbild, etwa in der Vermüllung des Rheinufers nahe seinem Atelier. Löw sieht seine künstleris­che Arbeit als Gegengewic­ht dazu, als Aufruf, am Überliefer­ten festzuhalt­en, wie auch sein Lehrer Gerhard Richter noch immer auf die Kraft der Malerei vertraut. Andere Vorbilder sind ihm die Künstler der Renaissanc­e, dazu Francis Bacon und Lucian Freud. „Ich komme immer von der Ästhetik“, betont Löw. Und es fasziniert ihn, dass solch ein Bild „eine Skulptur für die Ewigkeit“sei, wie ein Fresko in einer Kirche.

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FOTO: LÖW Der Maler Dennis Löw und „Elementart­eilchen“.

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